«Klar, vernünftig, schonend, schnell, genau, transparent und mit vertretbaren Mehrkosten verbunden.» So umriss Gallo-Suisse-Präsident Daniel Würgler die konventionelle Lösung für den Ausstieg aus dem Kükentöten vor versammelten Medienvertretenden. Während der Biosektor auf die Aufzucht von Bruderhähnen und die Verwendung von Zweinutzungsrassen setzt, wird für die konventionelle Produktion ab nächstem Jahr die Geschlechtsbestimmung im Ei eingeführt.
«Verheiratung von MRT und KI»
Von den verschiedenen Technologien zur In-Ovo-Geschlechtsbestimmung hat sich die Schweizer Eierbranche für das Münchner Unternehmen Orbem entschieden. Antonius Hellenthal erläuterte das Vorgehen, bei dem die Eier an Tag 11 und 12 der Bebrütung von einem Magnetresonanztomographen (MRT) gescannt werden. «Pro Modul und Stunde können 3000 Eier gescannt werden», so Hellenthal. Es sei eine «Verheiratung von MRT und Künstlicher Intelligenz (KI)»: Um Zeit zu sparen, arbeitet die Anlage nur mit unscharfen Bildern der Geschlechtsorgane des Embryos. Die KI sei darauf trainiert, das Geschlecht so mit einer Fehlerquote von weniger als zwei Prozent zu bestimmen. Da im Gegensatz zu anderen Verfahren die Schale nicht beschädigt wird, habe die Methode von Orbem keinen Einfluss auf die spätere Schlupfrate der Bruteier und stelle kein Kontaminationsrisiko dar. Anlagen von Orbem werden ab Anfang 2025 in den beiden grossen Schweizer Brüterien Animalco und Prodavi in Betrieb genommen und schrittweise hochgefahren, um bis Ende 2025 mit eingespielten Prozessen das Verfahren voll implementiert zu haben.
Selbst aktiv geworden, statt auf Zwang zu warten
Nach dem Beschluss zum Ausstieg aus dem Kükentöten 2020 habe eine breit abgestützte Arbeitsgruppe die Diskussion aufgenommen, schilderte Isidor Baumann, Präsident der Stiftungsrats des Aviforums. Er selbst leitete die Gespräche, an denen Produzenten, Brütereien, Aufzucht, Verarbeiter, Labels (IP-Suisse und Bio Suisse), Konsumenten, Gross- und Detailhandel sowie der Bund beteiligt gewesen seien. Nach fünf Runden Tischen kam die gemeinsame Branchenlösung zustande: In-Ovo-Geschlechtsbestimmung für die konventionelle Eierproduktion, Bruderhähne und Zweinutzungsrassen für Bio. Der 1. Januar 2025 wurde als gemeinsamer Stichtag definiert, ab diesem Tag sind alle konventionell produzierten Eier im Einkauf teurer.
Mehrfach wurde an der Medienkonferenz der Wert der Branchenlösung betont – im Gegensatz zu einem Verbot des Kükentötens durch den Bund. «Die Eierbranche hat die Zeichen der Zeit erkannt, vorausschauend agiert und ihren Handlungsspielraum genutzt», lobte Martin Reist vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. So habe man sich zu Akteuren statt Betroffenen gemacht. Reist sieht in Branchenlösungen generell den besseren Weg. Sie seien oft fairer, würden konsequenter und mit mehr Motivation umgesetzt. «Und sie sind häufig fairer», ergänzte er. Bei Vorschriften laufe es nämlich meist so, dass die Kosten hängen bleiben, wo der gesetzliche Hebel ansetzt. Auch ausländische Kollegen würden ihn um diese Branchenlösung beneiden, schilderte der BLV-Vertreter, «weil sie wirklich effizienter ist.» Denn der Ausstieg aus dem Kükentöten beschäftigt in den Schweizer Nachbarländern ebenso wie beispielsweise in Holland.
Embryos noch ohne Schmerzempfinden
Vor dem 13. Bruttag sei das Empfinden von Schmerz durch den heranwachsenden Embryo nach neustem Wissen unmöglich, erklärte Martin Reist vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Um die rechtliche Grundlage für den Ausstieg aus dem Kükentöten zu schaffen, war eine Anpassung der Tierschutzverordnung in Vernehmlassung: Das Homogenisieren von Embryonen soll beim Hausgeflügel ab dem Zeitpunkt verboten sein, ab dem ein Schmerzempfinden nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Das Inkrafttreten dieser Verordnungs-Anpassung ist per Januar 2025 geplant. Sie ist so formuliert, dass wissenschaftlicher Fortschritt berücksichtigt werden kann – ein erklärtes Ziel der Eierbranche. «Wir erwarten von unseren Partnern, dass dass sie sich entwickeln», stellte Daniel Würgler klar. Antonius Hellenthal von Orbem sagte, das Unternehmen verbessere sein Verfahren laufend und es gebe entsprechende Updates für bestehende Anlagen.
Männliche Eier und Küken als Futter
Die aussortierten, männlichen Bruteier sollen im Idealfall zu proteinreichem Tierfutter verarbeitet werden. Daniel Würgler erinnerte zu den rechtlichen Rahmenbedingungen an die laufende Diskussion um die Verfütterung von Tiermehl. «Es ist die Frage, ob es dafür einen Markt geben wird», ist sich der Gallo-Suisse-Präsident bewusst. Die Eier nach dem Bebrüten wieder abzukühlen, funktioniere nicht. Sollte die Verwertung als Futter nicht möglich sein, bleibt die Biogasanlage.
Für fälschlicherweise ausgebrütete männliche Küken ist geplant, sie ebenfalls als Futter einzusetzen – etwa für Zootiere oder in Greifvogelstationen. «Die Küken bieten das, was diese Tiere brauchen», betonte Daniel Würgler. Statt Küken zu diesem Zweck zu importieren, habe man sich angesichts der zwar tiefen, aber doch bestehenden Fehlerquote der In-Ovo-Bestimmung und der Möglichkeit technischer Ausfälle für diese Lösung entschieden.
Junge Legehennen werden drei Franken teurer
Orbem verrechnet pro in seinen Anlagen gescanntem Ei, es fallen also wiederkehrende Dienstleistungs- und Betriebs- aber keine anfänglichen Investitionskosten für die beiden Schweizer Brütereien an. Erstere sollen sich auf drei Franken pro Legehennen-Küken (exklusiv Mehrwertsteuer) belaufen. «Wir definieren keine Verkaufspreise», stellte Daniel Würgler fest, «die Marktakteure werden das selbst machen.» Klar ist aber, dass die Kosten in der Wertschöpfungskette weitergebenen werden. Alle produzierten konventionellen Eier haben künftig einen höheren Preis im Einkauf, der in die jeweilige Kalkulation einbezogen und ab dem 1. Januar 2025 entschädigt werde. «In der Direktvermarktung dürften die Priese je nach Kategorie pro verkaufsfähigem Ei um bis 1,5 Rappen steigen», so Würgler. Um trotz weiterhin freier Preisgestaltung eine gewisse Verbindlichkeit zu schaffen, werde die Branchenlösung im Reglement von Suisse Garantie festgehalten. Alle Stufen hätten schriftliche Vereinbarungen unterzeichnet, «Wir sind uns bewusst, es wird nicht einfach», versicherte Daniel Würgler. Aufzucht und Legehennenhalter werden die ersten sein, die in Vorleistung gehen müssen. «Daher war es so wichtig eine gemeinsame Lösung zu finden.»
«Das muss es uns jetzt einfach wert sein»
Als Vertretung der Konsumentenseite war sowohl an den runden Tischen zur Entwicklung der gemeinsamen Branchenlösung als auch an der Medienkonferenz das Konsumentenforum (KF) beteiligt. KF-Präsidentin Babette Sigg zeigte sich erfreut, dass die Anliegen der Konsumenten mit dem beschlossenen Ausstieg aus dem Kükentöten aufgenommen werden konnte. «Für alle Schweizer Eier ist das Dilemma um die männlichen Küken gelöst und es besteht weiterhin freie Wahl für die Konsumenten», meinte Sigg mit Blick auf die unterschiedlichen Wege von Bio und konventionell. Das KF stehe für faire Preise – für alle, nicht nur für die Konsumenten. Die mit dem Ausstieg aus dem Kükentöten verbundene Preisdifferenz sei marginal, «das muss es uns jetzt einfach wert sein.» Sigg ist überzeugt, dass die Branche eine Lösung mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis gefunden hat.
Setzt die Industrie auf billigere Importeier?
«Verantwortungsvolle Produktion geht nur mit verantwortungsvollem Konsum. Das müssen wir mitnehmen», bemerkte Daniel Würgler als Schlusswort. Eine Unbekannte ist bisher die Industrie, bzw. ob sie teurere Schweizer Eier als Zutat verwenden oder vermehrt auf Importe setzen wird. «Das Tierwohl ist bei allem Schweizer Lebensmitteln ein wichtiger Mehrwert», gab der Gallo-Suisse-Präsident zu bedenken. Da es dank der Branchenlösung nur noch inländische Eier mit dem Mehrwert «ohne Kükentöten» geben wird, habe man das grösste Gewähr, die Industrie zu überzeugen.
