Letzte Woche liess mich eine Nachricht aufhorchen und brachte meine Emotionen in Wallung: Coop machte letztes Jahr 575 Millionen Gewinn! Das ist schön, ich freue mich, wenn andere erfolgreich sind. Diese Schlagzeile löst bei mir jedoch gemischte Gefühle aus.
Wir Bauernfamilien kämpfen um jeden Franken und Coop fährt solch hohe Gewinne ein. Ich erinnere mich noch gut, wie ich mich vor 20 Jahren in meiner Projektarbeit für die Schlussprüfung Bäuerin FA mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob es möglich ist, unseren Betrieb längerfristig als Vollerwerbsbetrieb zu führen, und welche neuen Betriebszweige auf dem Hof Sinn machen könnten. Das Ziel von mir und meinem Mann war und ist, unser Einkommen grösstenteils aus dem Betrieb zu erwirtschaften.
Hohe Burn-Out-Rate ist ein Warnsignal
Ich ertappe mich jedoch immer häufiger dabei, dass ich mir überlege, ob es nicht besser wäre, wenn ich mir eine Tätigkeit ausserhalb des Betriebes suchen würde. Ein fixes und sicheres Einkommen wäre ein Vorteil davon. Denn je höher der (finanzielle) Druck auf uns Bäuerinnen und Bauern wird, desto weniger ist es uns möglich, kreativ, mutig und innovativ zu sein. Die hohe Burn-out-Rate in der Landwirtschaft sollten wir als Alarmsignal wahrnehmen.
Eine nachhaltige, tierfreundliche Produktion, wie sie gefordert wird, liegt selbstverständlich auch in unserem Interesse. Aber das alles gibt es nicht zum Nulltarif! Gestiegene Kosten für Futtermittel, Energie und Dünger sowie zahlreiche neue Auflagen, welche in den letzten Jahren eingeführt wurden (weitere sind bereits in der Pipeline), verschärfen die Situation zusätzlich. Um allen Anforderungen gerecht zu werden, brauchen wir kostendeckende Preise und langfristige Perspektiven, vor allem auch für unsere jungen Berufsleute! Es darf nicht passieren, dass z. B. urplötzliche Label-Fleisch nicht mehr abgenommen wird oder Label-Milchproduzenten nicht die volle Prämie erhalten.
Erhöhung der Produzentenpreise noch in diesem Jahr
Die Schweizer Landwirtschaft erwirtschaftet durchschnittlich rund 80 % ihres Einkommens über den Verkauf von Produkten, deshalb ist es zwingend, dass diese marktgerecht entschädigt werden.
Deshalb, liebe Coop-Verantwortlichen und alle anderen Handelspartner: Wir müssen reden. Ich und mit mir die ganze Branche fordern klar und unmissverständlich eine Erhöhung der Produzentenpreise um mindestens 5–10 % noch in diesem Jahr.
Für mich ist eine faire und transparente Marktpartnerschaft auf Augenhöhe unabdingbar! Um das zu erreichen, braucht es eine ehrliche Kommunikation. Auch die Offenlegung der Margen wäre ein Schritt in diese Richtung. Es müssen alle gleichermassen von einem Produkt profitieren können. Wir als Produzent(innen), ganz am Anfang der Kette, bis hin zu den Konsumierenden, wenn sie ein Schweizer Produkt aus dem Gestell in den Einkaufswagen legen.
Es ist fünf nach zwölf! Wir Bäuerinnen und Bauern sind motiviert, aber wir brauchen echte Perspektiven und verlässliche Marktpartner, nur so bleibt unsere Landwirtschaft zukunftsfähig.
1