Wenn so im Januar die ersten Rechnungen eintrudeln, sieht man auf einen Blick, dass alles teurer geworden ist. Das betrifft nicht nur Krankenkassenbeiträge, Strom, Haushaltskosten, sondern fast alle Produktionsmittel und die Energiekosten.
Substanz- und Wertverlust
Da heisst es die Zahlungen genau gestaffelt auszulösen und zu wissen, was übrig bleibt. Reserven für unerwartete Ereignisse sind kaum mehr anzusparen. «Viele Bauernfamilien zehren von der Betriebssubstanz», sagt Beat Schläppi, Leiter Treuhand Agriexpert, Brugg. «Die gestiegenen Kosten für Energie, Futter oder Baustoffe bleiben zu einem grossen Teil bei den Landwirten hängen und können nicht über höhere Verkaufspreise weitergegeben werden», sagt er. [IMG 2]
Auch die höheren Hypothekarzinsen beeinflussten im Zeitpunkt der Fälligkeit die Liquidität. «Da die Schuldzinsen in den meisten Fällen Geschäftsaufwand darstellen, sinkt die Fiskalbelastung für AHV-Beiträge und die Einkommenssteuer. Das macht den Einkommensverlust aber nicht wett.» Laufende Ausgaben für Reparaturen oder für den Tierarzt lassen sich meistens nicht vermeiden. Gespart werde, wo man Ausgaben aufschieben könne. «Als Erstes werden Investitionen oder Einzahlungen in die Altersvorsorge zurückgestellt», ergänzt Beat Schläppi. Das eine führt zu Substanzabbau und Wertverlust des Betriebs, das andere in Altersarmut.
«Innert kürzester Zeit ist der Liquiditätsdruck bei den Bauernfamilien um ein Vielfaches gestiegen», stellt auch Bendicht Münger, Dozent an der HAFL, fest. Er spricht Klartext über die Verminderung der Kaufkraft. Ihn ärgern systemimmanente Abrechnungsmodi: «Warum liefern Betriebe ihre Produkte und bekommen nur eine Anzahlung? Warum kommen Nachzahlungen manchmal erst fast ein Jahr später?», vermerkt er, und: «Warum werden Direktzahlungen nicht monatlich ausbezahlt?» [IMG 3]
Nachweislich würden Zulieferer Rechnungen bewusst im Zeitbereich des Erhalts der Direktzahlungen stellen. Nachgefragt beim Bundesamt für Landwirtschaft bezüglich Aufteilung der Direktzahlungen in zwölf Tranchen heisst es, das sei so in der Direktzahlungsverordnung festgelegt. Erst ab Mitte Jahr sei eine einigermassen abgestützte erste Zahlung möglich. Vor dem Abschluss der Datenerhebung und einer ersten Plausibilisierung würden keine Beiträge ausgerichtet. Bis zur Schlusszahlung im Dezember seien dann die Kontrollen grundsätzlich abgeschlossen.
Mit einem Click zum Liquiditätsmanagement
Also muss jeder Landwirt die Liquidität selbst im Griff haben. Bendicht Münger kämpft schon lange dafür, in der Buchhaltung den Landwirten ein automatisiertes Liquiditätsmanagementtool zur Verfügung zu stellen. «Das stösst in Arbeitsgruppen, bestehend aus BLW, Agroscope, Agridea, HAFL sowie den Treuhändern, auf Zustimmung. Aber die Realisierung steht auf einem ganz anderen Blatt», vermerkt Münger. Ihm scheine, dass es im Bereich Ökologie einiges einfacher sei, Gelder und Ressourcen locker zu machen.
Das Gefühl kann täuschen
Für die Investitions-, Tilgungs- und Vorsorgeplanung wäre so ein «Liqplaner» sehr nützlich, ebenso für Betriebe mit Liquiditätsschwierigkeiten, sagt Münger. Aber würde so ein «Liqplaner» in der Praxis verwendet? Viele Landwirte glauben intuitiv oder rein gefühlsmässig zu wissen, was Ende Monat an flüssigen Mitteln übrig bleibt. «Was dabei aber auf der Strecke bleibt, ist die Rentabilität», fügt Münger an. Er zählt die Massnahmen auf, Liquiditätsproblemen kurzfristig zu begegnen:
- dringende Anschaffungen zurückstellen
- Unterhaltsarbeiten hinauszögern
- Anlagen mieten oder leasen
- Privatdarlehen einschiessen
- Privatbezüge reduzieren
«Diese Massnahmen gehen auf Kosten einer nachhaltigen Existenz-, Vorsorge- und Einkommenssicherung», stellt Münger fest. Eine Alternative ist ein ausserlandwirtschaftlicher Erwerb. «Eine Festanstellung sorgt für regelmässiges monatliches Einkommen, und man ist mit AHV, Arbeitslosenversicherung und Pensionskassenbeiträgen abgesichert», sagt Münger. Solche Stellen sind in ländlichen Regionen oft rar. Auch führen Doppel- und Dreifachbelastung durch Arbeit in Haushalt, Betrieb und Auswärtsarbeiten zu Überlastung. Bauernfamilien können sich an die bäuerliche Familienhilfe wenden. «Neben Einsätzen bei Krankheit, Unfall, Mutterschaft oder Ferienablösung wollen wir Bauernfamilien, insbesondere die Bäuerinnen, in Stresssituationen entlasten», bestätigt Sonja Keller von der bäuerlichen Familienhilfe Thurgau. Der Einsatz ist kostenpflichtig. Für prekäre finanzielle Situationen gibt es einen Sozialtarif. Auch ist es möglich, einen Teil der Leistungen über die Krankenkasse abzurechnen.
Auf sich allein gestellt
Jeder Betrieb, der mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen hat, ist ein Stück weit auf sich allein gestellt. Tipps dafür, finanzielle Probleme zu lösen, gibt es bei den Treuhandstellen. Dabei ist es wichtig, langfristige Perspektiven zu entwickeln. «Gewisse Investitionen oder Anschaffungen werden vereinzelt zu optimistisch oder im Vorfeld gar nicht kalkuliert», weiss Beat Schläppi. Durch neue Anlagen oder Maschinen steigen die Fixkosten massiv, während der Freiraum für alternative Lösungen eingeschränkt wird. Wichtig ist, dass nicht nur der Erhalt des Betriebs im Zentrum steht, sondern das Wohlergehen der Bauernfamilie.
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