Gewerkschafterin und Sozialarbeiterin, weit gereist, das ist keine typische Laufbahn für eine Gemüsegärtnerin. Aber Barbara Schmid ist ja auch keine typische Vertreterin ihrer Zunft. Sie bewirtschaftet eine bescheidene Fläche von 1,7 ha Nutzfläche, davon 550 m2 unter Glas und Folie.

Schorle aus Weizengras

Schmid bezeichnet ihre Tätigkeit als «Marketgardening» («Marktgärtnerei»). Dieser Begriff wird angewandt auf kleinere Betriebe, die mit ihren Spezialitäten im Direktverkauf ein ganz spezifisches Kundensegment bedienen. Im Falle von Essblatt – so heisst das KMU der Bernerin – sind dies «biologische Microgreens», welche auf dem Berner Markt und in Abotaschen verkauft werden. Das Abonnementsgebiet reicht von Laupen bis Ittigen, also rund um die Stadt Bern und den Betriebsstandort Rosshäusern im Kanton Bern.

Die Microgreens sind in erster Linie Keimlinge, anlässlich von unserem Besuch am Marktstand zum Beispiel von Erbsen, Sonnenblumen, diversen Kohlgewächsen und Weizen. Das Weizengras verarbeitet Schmid zu einem Schorle, welches auf dem Markt reissenden Absatz findet. Im Unterschied zu Sprossen wachsen die Keimlinge nicht auf Wasser, sondern auf Substrat, im Fall von Essblatt besteht dieses aus Hanf. Angebaut wird bei Barbara Schmid ohne Zusatzlicht. Das sei bei Bio Suisse verboten, was den Anbau im Winter zur Herausforderung mache.

Ausgefallene Blattsalate

Daneben gleicht das Sortiment in vielem demjenigen von anderen Gemüseständen auf dem Berner Markt. Es gibt hier saisonales Gemüse, grösstenteils aus Eigenproduktion, wobei das grosse Angebot an konsumfertigen Blattsalaten auffällt. Hier findet man auch ausgefallenere Sachen wie Randen- oder Blutampferblätter.

Der «dritte Renner» neben Microgreens und Essblättern seien die 45 Sorten Tomaten in allen Formen und Farben. Rarer Genetik bedient sie sich auch im Fall von Gurken, Peperoni und Auberginen, wobei sie die Setzlinge mehrheitlich selber zieht. «Ich mache überall das, was man nicht so kennt», kommentiert sie ihr Angebot, das von einer Reihe von Kräutern abgerundet wird.

Nährstoffzufuhr nötig

Als einziges tierisches Produkt hat Schmid Eier von den eigenen Hühnern im Angebot. Diese sind wichtige Düngerlieferanten für den ansonsten tierlosen Betrieb, erzählt Schmid. Den Nährstoffbedarf vermag sie aber mit der eigenen Produktion an Hühnermist und Kompost nicht zu decken, pro Jahr benötige sie von ausserhalb des Betriebs rund 10 m3, erzählt die in Ins am Inforama ausgebildete Gemüsegärtnerin. Die Ausbildung hat Schmid im Alter von 33 Jahren in Angriff genommen.

Sie lege grosses Gewicht auf Humusaufbau, sagt Schmid, bekanntlich nicht das einfachste Unterfangen im Gemüsebau. Dabei setzt sie auf eine strenge Fruchtfolge, das Mulchen und eine naturnahe Produktion mit viel Biodiversität. «Aber wir müssen auch effizient arbeiten», betont die 42-Jährige.

Akkubohrer als Antrieb

Sie arbeitet mit Kleingerät, das auf die Bedürfnisse der Marktgärtnerei zugeschnitten ist. Zum bescheidenen Maschinenpark gehören u. a. ein Raupentraktörli, ein Abflammgerät und eine Paperpot-Pflanzmaschine. Zentral seien auch eine Minifräse und eine Blättererntemaschine, die beide mit einem Akkubohrer betrieben werden können.

Betriebsstandort ist eine ehemalige Zierpflanzengärtnerei, die Schmid vor einigen Jahren käuflich erwerben konnte. Mit ihrer Partnerin, die neben zwei Praktikant(innen) ebenfalls teilweise im Betrieb tätig ist, wohnt sie unweit vom Betrieb in einem Mietobjekt. Die Betriebsleiterin orientiert sich stets am Machbaren und zeigt sich dabei flexibel. Nachdem das Gastrogeschäft aufgrund der Pandemie komplett weggebrochen war, stieg sie neu in die Gemüseabos ein. Mit Erfolg: Auf der Website kann man sich vorläufig lediglich in die Warteliste eintragen.

Streng, aber motivierend

Gefragt, ob sie ihren für Branchenverhältnisse spät erfolgten Schritt vom warmen Büro in die raue Welt des Gemüsebaus nicht bereue, differenziert Schmid. Von der Präsenzzeit und vom Verdienst her sei es «bitter, ja jenseitig», sagt sie mit Blick auf die 70-Stunden-Woche. «Aber wenn ich sehe, was ich in den paar Jahren aufgebaut habe und was kommen könnte, ist das schon auch sehr motivierend».