Die diesjährige Mostobsternte werde noch kleiner als im Vorjahr ausfallen, prognostiziert Christof Schenk von der Holderhof Produkte AG. Auch Jennifer Kobelt von der Mosterei Kobelt in Marbach SG schliesst sich dieser Einschätzung an. «Laut unseren Lieferanten gab es aufgrund des niederschlagsreichen Frühlings eine weniger gute Befruchtung», so Jennifer Kobelt.
Ziel ist Auslastung
Die Mosterei Kobelt ist ein Familienbetrieb und eine der kleinsten Mostereien der Schweiz. Christof Schenk hingegen hat im vergangenen Jahr zehn Millionen Franken investiert und in Sulgen TG eine neue Mosterei aufgebaut. Plangemäss konnte er im Herbst 2022 die Anlage mit dem gelieferten Mostobst hochfahren. Nun will Schenk aber Vollgas geben und seine Fruchtverarbeitung auslasten.
[IMG 2] Christof Schenk muss mehr und mehr Bauern und Bäuerinnen beziehungsweise Sammelstellen überzeugen, an ihm zu liefern. Das ist aufgrund der grossen Marktmacht der Mosterei Möhl und der Ramseier Suisse AG nicht einfach. «Die sitzen auf ihrer Ware», sagt Schenk.
Für den Holderhof spricht, dass das Unternehmen neue Wege geht und auf die Herstellung von Direktsaft statt auf Konzentrat setzt, was laut Schenk am Markt sehr gesucht sei.
Prämie für Bio-Mostobst
Und dann natürlich die Preiskonditionen. Bei konventionellem beziehungsweise Suisse-Garantie-Mostobst zahlt er den Richtpreis – «ohne Abzüge für den Ernteausgleich, wie das Möhl und Ramseier tun», sagt Christof Schenk.
Bioproduzenten profitieren zudem von Prämien. «Für Bio-Mostobst gibt es eine Prämie von Fr. 2.–, für Demeter-Ware eine noch höhere Prämie. «Das sind faire Bedingungen und beruhen auf fünfjährigen Abnahmeverträgen und Abnahmegarantie», ergänzt Schenk.
Oberste Priorität hat für ihn Bio-Mostobst. Aber Bio-Mostobst ist rar. Das liegt nicht unbedingt nur an der Zahl der Hochstammbäume im Biosegment, auch nicht am nassen Frühling, sondern an der Marktverfügbarkeit und der steigenden Nachfrage. Das bestätigt Urs Brändli, Bio-Suisse-Präsident. Prognosen über die diesjährige Ernte will niemand abgeben. So ist seitens der Geschäftsstelle Bio Suisse zu hören, dass es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh sei für Ernteschätzungen und sich über die Verfügbarkeit zu äussern.
«Wir haben uns klar der Schweizer Landwirtschaft verschrieben und werden alles unternehmen, um genügend Schweizer Mostobst zu beschaffen», sagt Christof Schenk.
Fehlmenge im Ausland holen
Aufgrund der sehr angespannten Lage mit Fehlmengen im Bio-Mostobstkanal werde der Holderhof im ungünstigsten Fall gezwungen sein, sich im süddeutschen Raum mit Bio-äpfeln einzudecken, um die Lieferverträge mit den Abnehmern zu erfüllen, sagt Schenk.
Wie sieht das die Mosterei Kobelt in Marbach? «Wir nehmen primär Mostobst nur aus der Schweiz entgegen. Import kommt für uns nur im Notfall infrage. In unserer 117-jährigen Geschichte mussten wir bisher nur einmal darauf zurückgreifen», sagt Jennifer Kobelt und verweist auf das Frostjahr 2017, wo die Mosterei Kobelt in der Bretagne fündig wurde.
«Wir werden schauen, wie wir mit der diesjährigen Ernte zurechtkommen werden. Ein bis zwei neue Lieferanten können aber bei uns den Unterschied von zu wenig zu genügend Mostobst ausmachen», so Jennifer Kobelt abschliessend.
Christof Schenk hingegen gibt sich damit nicht zufrieden und sagt: «Wird sich die Verfügbarkeit von Bioobst nicht verbessern, werde ich eigenhändig Bio-Mostanlagen in der Schweiz anlegen.»
«Ich bin überzeugt, wir können die Nachfrage von allen decken.»
Können Sie schon abschätzen, wie die Mostobsternte 2023 ausfallen wird?
[IMG 3] Philipp Dickenmann: Zum jetzigen Zeitpunkt ist das schwierig einzuschätzen. Schweizweit hörte ich von den Produzenten, dass die Erntemenge etwa gleich hoch sein wird wie im vergangenen Jahr – sicher nicht besser. Bis im August sollte dann auch die offizielle Ernteschätzung vorliegen.
Also gibt es in diesem Jahr keine Abzüge für den Ernteausgleich?
Die Konzentrat-Lagerbestände haben sich erholt, und wenn es keine Übermengen geben wird, dann braucht es keinen Ernteausgleich. Darüber wird am 16. August an der Sitzung des Ausschuss Ernteausgleichs entschieden. Aber es gibt wiederkehrende Geschäfte wie die Essigproduktion oder Fertigprodukte, die wir stützen. Da braucht es Kontinuität über die Jahre. Der Mostobstfonds darf nicht leer sein.
Wie hoch schätzen Sie den Anteil Mostobst, der ausserhalb des Ernteausgleichssystems geliefert wird?
Laut Hochrechnungen im Mostobstbericht 2022 liefern rund 85 % an die dem Ernteausgleichsystem angeschlossenen Mostereien, also an Möhl und Ramseier. Nur knapp 15 % an andere. Für die gewerblichen Mostereien mag das stimmen. Zahlen zu Hofmostereien oder Direktvermarktung sind nicht erfasst. Ich weiss schlichtweg nicht, wohin zum Beispiel die Berner ihr Mostobst liefern. Dort stehen über 365 000 Hochstammbäume, wovon sicher die meisten Apfelbäume sind – also einiges mehr als wir hier im Thurgau haben. Vom Kanton Bern geht jedoch nur ein kleiner Teil an die offiziellen Kanäle. Oder wird gar nicht geerntet? Auch das Waadtland liefert nebst anderen Kantonen kaum in den Ernteausgleich.
In der Ostschweiz haben Sie nun mit dem Holderhof drei Abnehmer. Kommt es zu Marktverschiebungen?
Der Holderhof belebt den Markt. Er ist innovativ, sucht neue Wege und Produkte, was aber Ramseier und Möhl auch tun. Es ist positiv für uns Produzenten, dass wir mehr Abnehmer haben. Ich bin überzeugt, dass wir die Nachfrage von allen decken können. Ein grosser Teil von der Holderhof-Apfelsaftproduktion sind Eigenmarken diverser Abnehmer. Wenn diese attraktiv angeboten werden, ist eine Konsumsteigerung möglich. Es gibt von daher bestimmt eine Marktverschiebung, wenn nicht eine Steigerung. Unschön ist, dass der Holderhof mit dem Inhaber Christoph Schenk nicht Mitglied des Schweizer Obstverbands ist. Eines unserer Kernthemen im Produktzentrum ist, den Absatz von Schweizer Obstsaftprodukten zu steigern. Wenn einer so gross ist, sollte er sich in der Branche engagieren – ob er beim Ernteausgleich mitmacht oder nicht, ist zweitrangig.
Was sagen Sie zum Vorwurf, dass die grossen Mostereien Ware horten?
Jede Mosterei kann Konzentrat kaufen. Der Konzentrataustausch findet statt. Ziel von uns Produzenten ist, dass alle genug Mostobst erhalten. Jeder Produzent ist selbst verantwortlich und kann entscheiden, an wen er liefert.
Das mit der Entscheidungsfreiheit ist so eine Sache. Seitens der grossen Mostereien heisst es, wenn ihr an den Holderhof liefert, könnt ihr bei Grossernten nicht mehr bei uns abladen.
Wie gesagt, der Produzent hat freie Wahl, wem er liefert. Man kann jedoch von Möhl und Ramseier nicht verlangen, dass sie den Überschuss übernehmen und verwerten, jene ausserhalb des Ernteausgleichssystems sich aber nicht daran beteiligen. Das Ernteausgleichsystem ist für uns Produzenten quasi eine Übernahmegarantie, auch in Jahren mit Grossernten. Das ist der Deal. Nachteilig ist, dass dadurch der Markt verzerrt wird. Wenn eine Mosterei zu wenig Ware bekommt, muss sie sich fragen, ob die Konditionen, die sie bietet, für den Produzenten in der Region genügend Anreiz schafft, um zu liefern.