Die IG öffentliche Märkte hielt in Bern ihre Hauptversammlung ab. Für Präsident Ernst Wandfluh war es die erste Versammlung, die er leitete. Er hatte während Corona das Amt von Hans Rösti übernommen, der nun noch offiziell verabschiedet wurde.

Weniger Produktion

Die öffentlichen Märkte blicken auf ein erfolgreiches Jahr zurück mit guter Nachfrage und guten Preisen. «Diese öffentlichen und transparenten Märkte tragen dazu bei, dass der Markt so gut läuft und die Landwirte gute Preise erzielen können», betonte Ernst Wandfluh. Zwar stiegen die Auffuhrzahlen im vergangenen Jahr wieder, sie erreichten aber nicht wieder das Niveau von vor Corona. Das liegt aber auch daran, dass in der Schweiz immer weniger Kühe gehalten werden. Und Wandfluh befürchtet mit einer weiteren Drosselung der Produktion, bedingt durch Nährstoffabsenkungen, den Trend zum Vegetarismus und den immer grösser werdenden Graben zwischen Politik und Realität. «Der Stimmbürger erkauft sich bei den Abstimmungen ein gutes Gewissen und verhält sich dann beim Einkauf nicht entsprechend», betonte er.

Im vergangenen Jahr fanden 646 öffentliche, von Proviande überwachte Rindermärkte und 282 Schafmärkte statt. Versteigert und taxiert wurden 59 268 Rinder und 63 955 Schafe. Die guten Preise und die rege Nachfrage an diesen Märkten bewirkt auch deren Kopplung an die Inlandleistung.

[IMG 2]

Was ist transportfähig

Vor grössere Herausforderungen stellt die Branche der neue Leitfaden zur Beurteilung der Transportfähigkeit. Die wichtigsten Grundsätze:

  • Kranke und verletzte Tiere sind von anderen getrennt in einem separaten Abteil zu befördern, damit sie nicht bedrängt werden.
  • Sie dürfen nicht über Viehmärkte oder Sammelstellen zur Schlachtung transportiert werden. Die Verlängerung der Transportdauerund das Umladen seien zu belastend.
  • Tiere mit schwersten Erkrankungen und Verletzungen(z. B. Beinbruch) sind nicht transportfähig und müssen daher an Ort und Stelle fachgerecht getötet werden.
  • Der Schutz des Tieres vor Schmerzen, Leiden oder Schäden durch den Transport geht einem Erlös durch die Schlachtung vor.

Da es dabei keine klaren Kriterien gibt, um die Transportfähigkeit zu beurteilen, stellt dies insbesondere bei er Auffuhr an Märkten, mit mehreren involvierten Verantwortlichen, eine Herausforderung dar. Peter Schneider von Proviande betonte, es sei wichtig, diese Herausforderungen anzunehmen, um langfristig den Nutzen der überwachten Schlachtviehmärkte nicht aufs Spiel zu setzen.

Trächtigkeit angeben

Neuerungen gibt es auch bei der Schlachtung trächtiger Tiere. Neu werden diese mit einem «T» gekennzeichnet, damit der Käufer sicher weiss, dass er ein trächtiges Tier erwirbt. Bei der aktuellen Marktlage stelle sich die Frage, warum ein gesundes, trächtiges Tier am Schlachtviehmarkt aufgeführt werde, doch verboten sei es nicht. Sei die Trächtigkeit klar deklariert, habe der Käufer aber die Möglichkeit, das Tier zum Leben weiter zu verkaufen, so der Konsens in der Branche.

«Der Gang zu den Märkten soll keine Furcht auslösen»

Ist der neue Leitfaden zur Transportfähigkeit von Rindern insbesondere an den Schlachtviehmärkten ein Problem? Was sind dort die speziellen Herausforderungen?
Peter Schneider: Nicht nur. Der neue Leitfaden hat in Zukunft Gültigkeit für jeden Tiertransport.[IMG 3]

Was ändert sich für die Landwirte konkret? Wird das Risiko grösser, dass sie eine Busse riskieren, wenn sie ihre Tiere an den Schlachtviehmarkt bringen?
An den Schlachtviehmärkten werden keine Bussen ausgesprochen. Gemäss den Weisungen über die Durchführung von öffentlichen Schlachtviehmärkten sind nur gesunde Tiere zur Vermarktung zugelassen. Der Tierhalter kennt seine Tiere am besten, um dies zu beurteilen. Im Zweifelsfall soll er seinen Tierarzt kontaktieren.

Rechtliche Konsequenzen drohen nicht nur Landwirten, sondern allen, die dem Rind auf dem Weg zum Schlachthof eine Transportfähigkeit attestieren. Welche Kosten wird es verursachen, sich rechtlich abzusichern, und wer trägt dieses finanzielle Risiko?
Wann und ob eine Busse ausgesprochen wird und in welcher Höhe diese ist, liegt nicht im Ermessen von Proviande.

Was passiert mit Kühen, die am Schlachtviehmarkt aufgrund der Regeln abgewiesen werden? Droht ihnen ein künstlich verlängertes Leben als «Wanderpreis»?
Nicht marktkonforme Tiere werden zurückgewiesen.Es obliegt dem Tierhalter,den weiteren Verlauf zu bestimmen. Je nach Schweregrad einer Verletzung oder eines gesundheitlichen Problems ist der kürzeste Weg zur Schlachtung einzuleiten.

In vielen Regionen fehlen mittlerweile regionale Schlachthöfe, die Kühe schlachten könnten, die nur eingeschränkt transportfähig sind. Werden vermehrt Tiere entsorgt werden müssen?
Das kann kein Lösungsweg sein. Es geht darum, an die Sensibilität zu appellieren, indem die Tierhalter einen gesundheitlichen Mangel bei einem Tier früh erkennen und entsprechende Massnahmen einleiten.

Wie will die Branche diese Probleme lösen?
Es ist wichtig, dass Theorie und Praxis miteinander zu vereinbaren sind. Fälle, die nicht eindeutig und klar einzustufen sind, werden zur grossen Herausforderung.

Bereits heute fürchten einige Landwirte scheinbar den Gang an die öffentlichen Märkte, da viele rechtliche Stolperfallen lauern. Drohen die öffentlichen Schlachtviehmärkte mit den neuen Regeln an Bedeutung zu verlieren?
Der Gang zu den Märktensoll keine Furcht auslösen.Tierhalter, Transporteur, Marktveranstalter oder Schlachtbetrieb haben eine Verantwortung im Umgang mit Tieren. Der neue Leitfaden soll als Unterstützung zu einem Entscheid betrachtet werden und sich nichtzu einer Schikane entwickeln. Aber das braucht noch Erfahrung.