«Auf Hochdeutsch sagt man ‹der Cervelat›. Das mag Sie erstaunen. Aber jetzt haben Sie zumindest etwas vom Bildungsminister gelernt.» Mit diesem Satz begrüsste am Montag, 17. Juni, Bundesrat Guy Parmelin die Freunde der Schweizer Nationalwurst im Bellevue Palace, dem einzigen Grand Hotel im Herzen der Bundesstadt. Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) hatte der Einladung von Hans-Ruedi Gerber, dem Initianten des ersten «Swiss Cervelas Summit», Folge geleistet.

Vielseitige Eigenschaften

36 Juroren hatten aus 113 Cervelats die besten zu finden. Und diese wurden am Montag ausgezeichnet. Dabei wurde zwischen warm und kalt unterschieden.

Die Besten
 
Rangliste der degustierten Cervelats «warm»:
1. Flückiger Emmentaler Spezialitäten AG, Huttwil BE
2. Köferli Metzgerei AG, Döttingen AG
3. Metzgerei Klausner, Oberrüti AG
4. Metzgerei Schlüchter AG, Dürrenroth BE
5. Willimann Metzg AG, Dagmersellen LU

Rangliste der degustierten Cervelats «kalt»:
1. Boucherie Nyffeler SA, Moutier BE
2. Boucherie du Rondeau Sàrl, Carouge GE
3. Metzgerei Nussbaum, Wichtrach BE
4. Metzgerei Ruf AG, Lostorf SO
5. Metzgerei Signer Gastro, Schönengrund AR

Die Königstrophäe – bester erzielter Durchschnitt zwischen der warmen und der kalten Verkostung – ging an die Metzgerei Nussbaum in Wichtrach.

Der Cervelat teile mit der Kartoffel eine vielseitige Eigenschaft, erklärte Bundesrat Guy Parmelin: «Er ist ein Komplize des Brotes und ein Freund des Käses.» Der Detailhandel generiere mit dem Cervelat einen Jahresumsatz von rund 90 Millionen Franken. «Um es mit anderen Worten zu sagen: Das bescheidene Schwein ist zur goldenen Gans geworden», so der Magistrat.

Zum Chasselas erfunden

Auf die Idee des «Swiss Cervelas Summit» kam Hans-Ruedi Gerber. Den Metzgersohn, Metzger und Feinschmecker, wie er sich vorstellt, treibt die Idee eines solchen Wettbewerbs schon länger um. «Es ist eine lange Geschichte um die Organisation eines solchen Anlasses», so Gerber. Und wie fast immer in der Schweiz, sei auch diese Geschichte an einem Abend entstanden, als gute Freunde an einem Tisch zu einem Glas Chasselas philosophierten und diskutierten.

Die Idee war also geboren und die Organisation startete. «Als es aber um das Mitmachen ging, sprangen wichtige Akteure der Fleischbranche ab», erinnert sich Gerber an die ersten Hürden. Er ortet die Anfangsschwierigkeiten nicht unbedingt bei den finanziellen Mitteln. «Es lag eher an der Einsicht, diese zündende Idee nicht selbst gehabt zu haben – also einmal mehr am Neide, dem ältesten Eidgenossen», so Gerber.

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Folge ist zu erwarten

Trotz der Nebengeräusche aus dem Fleischmarkt gelang es Hans-Ruedi Gerber schliesslich am Montag mit Verbündeten und Gästen die Metzgereien zu ehren, deren Nationalwurst der Jury am besten mundete.

Und ganz nach dem Motto, «einmal ist keinmal», soll der «Swiss Cervelas Summit» eine Serie und keine einmalige Sache werden, wie Hans-Ruedi Gerber gegenüber der BauernZeitung sagt. Man sei steil eingestiegen mit der Anwesenheit des Landwirtschaftsministers, das zu übertreffen werde schwierig. Aber sich für ein Schweizer Kulturgut aus Fleisch stark zu machen, lohne den Aufwand, ist Gerber sicher.

Die Schweizer sind dem Laborfleisch gegenüber sehr skeptisch
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Die Schweiz sei ein innovatives Land. So sieht das zumindest das Gottlieb-Duttweiler-Institut (GDI) – ein nach eigener Angabe unabhängiges Forschungsinstitut mit Sitz in Rüschlikon bei Zürich. Trotzdem seien Herr und Frau Schweizer skeptisch gegenüber neuen Produkten. Gerade wenn es um das Thema Essen gehe, hätten es kultiviertes Fleisch und Cashew-Camembert schwer. Woran das liegt, erklärt das GDI.

Tierisch geprägt

Die Schweizer Esskultur ist laut GDI geprägt von tierischen Produkten – Cervelat, Käsefondue oder Raclette seien (noch) selten vegan. «Herr und Frau Schweizer gönnen sich nämlich knapp 48 Kilogramm Fleisch und 23 Kilogramm Käse pro Jahr», so das GDI. So lecker die traditionelle Schweizer Küche aber auch sei, «die heutigen Ernährungsgewohnheiten sind leider alles andere als nachhaltig», steht im Beitrag. «Würden wir uns gemäss der ‹Planetary Health Diet› ernähren, könnte jede Person maximal noch knapp 16 Kilogramm Fleisch und 9 Kilogramm Käse pro Jahr essen, um sich gesund zu ernähren und dabei die Grenzen unseres Planeten nicht zu sprengen», heisst es weiter.

Ernährungsgewohnheiten ändern sich nur langsam, wie eine GDI-Untersuchung zeigt. Doch Zeit sei angesichts des fortschreitenden Klimawandels ein knappes Gut. «Damit wir unser Essverhalten nicht von heute auf morgen radikal verändern müssen, was ohnehin eine utopische Vorstellung wäre, arbeitet die Wissenschaft seit Jahren an der Herstellung von Alternativen. Milch ohne Kühe? Präzisionsfermentation heisst das Zauberwort. Käse aus Pflanzen? Cashew-Camembert schmeckt wie das tierische Original. Fleisch ohne Tiere? Zellkultivierung machts möglich», heisst es im Beitrag des GDI.

Es bleibt eine Idee

Dank dieser Innovationen könnten laut Forschungsinstitut die bisherige Esskultur weiterhin zelebriert und traditionelle Gerichte genossen werden – ohne die negativen Nebeneffekte der tierischen Landwirtschaft. So jedenfalls die Idee. «Das meiste davon ist heute aber noch Zukunftsmusik: Kultiviertes Fleisch ist in der Schweiz als Nahrungsmittel nicht zugelassen. Und auch hinter der technischen Machbarkeit, der Skalierbarkeit sowie der Akzeptanz der Konsumenten und Konsumentinnen stehen noch viele Fragezeichen», weiss man beim GDI. Denn besonders beim letzten Punkt stehe den Unternehmen der zellulären Landwirtschaft viel Arbeit bevor. Eine GDI-Befragung hat schliesslich gezeigt, dass nur 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung Fleisch aus dem Labor überhaupt probieren möchten.