«Die biologisch-dynamische Produktionsform ist keine Voodoo-Landwirtschaft, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick so aussieht.» Felix Gebhardt aus Dornach hat die Erfahrung gemacht, dass diese Produktionsweise bei genauerem Hinsehen funktioniert. «Man kann es aber nicht wirklich prägnant erklären», ist er sich bewusst. Der Ingenieur-Agronom erklärt Demeter so: «Bei Demeter bezieht man das Immaterielle mit ein. Denn das Leben ist ein Zusammenspiel von materiellen und immateriellen Kräften. Eines geht ohne das andere nicht. Das Immaterielle muss dazu gedacht werden.»

Lebensraum für viele Arten

Felix Gebhardt und seine Frau Ursula Kradolfer führen in der Gemeinde Dornach seit 1995 den elterlichen Betrieb von Ursula Kradolfer, gelernte Gärtnerin und Biologin mit Fachrichtung Botanik biologisch-dynamisch. Die Betriebsleiter beschreiben auf ihrer Website die Lage des Betriebes: «Der Hof Untere Tüfleten liegt eingebettet in ein kleines Juratal zwischen Dornach, Aesch und Hochwald. Das Tal ist umgeben von bewaldeten Felsbändern und ist gegen Westen offen. In seiner Sohle fliesst der Lolibach, der in Aesch in die Birs mündet. Die geschützte Lage und die Vielfalt an Lebensräumen bieten einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt Raum.» Beiden Betriebsleitern ist die Balance zwischen Einkommen erzielen und Naturreichtum sehr wichtig.

Die Skepsis ist spürbar

Felix Gebhardt nimmt Skepsis gegenüber seiner Arbeitsweise durchaus wahr und kann das auch verstehen. Doch er sagt deutlich: « Jeder muss das machen, was für ihn stimmt. Beide Seiten müssen das Anderssein aushalten können.»

So wird vermarktet

Das Fleisch wird dem Verein Anfora, einem Reformhaus und im Bekanntenkreis verkauft. «Wir sind beide nicht die Direktvermarkter», erklärt Felix Gebhardt. Daher werde eher wenig Fleisch direkt an Konsumenten verkauft. Gemüse, Kartoffeln und Obst werden in die Klinik Arlesheim geliefert und an einem Stand der Gärtnerei des Goetheanum, Sitz der weltweit arbeitenden Freien Hochschule für Geisteswissenschaft und der Anthroposophischen Gesellschaft, in Dornach verkauft. Die Kirschen werden als Bio-Brennkirschen verkauft.

Schulen auf dem Hof

Seit 2009 ist der Hof Untere Tüfleten ein Schul-Bauernhof. Was mit sporadischen Besuchen von Klassen begann, wurde seit 2015 von einem Lehrer stetig ausgebaut. Wolfgang Unger arbeitet als selbstständiger Hofpädagoge auf dem Betrieb. Der Hof steht Schulen aller Klassenstufen der Region für verschiedene Projekte zur Verfügung. Die Konzepte beinhalten immer einen Teil saisonal anfallende Arbeiten auf dem Betrieb, wie etwa säen, pflegen, ernten, aber auch Unterhaltsarbeiten, bei denen die Kinder mithelfen. So wurden schon eine Trockensteinmauer und ein Unterstand für die Bienenstöcke mit den Schülern gebaut oder auch ein Platz mit Verbundsteinen befestigt. «Der Hof bietet Erlebnis, wie das Wahrnehmen der Jahreszeiten, der Witterung, Winterruhe und Frühlingserwachen in der Natur bleiben keine leeren Begriffe», erklärt Felix Gebhardt.

Gemeinsam zum Ziel

Aber auch der soziale Aspekt für die Klassen sei wichtig. Es sei etwas anderes, ob die Schüler nebeneinandersitzen und lernen oder aber miteinander Hand anlegen müssen, um gemeinsam ein Ergebnis zu schaffen. Das Projekt ermöglicht es, den Kindern die Landwirtschaft wieder näher zu bringen. Felix Gebhardt erzählt ein Beispiel, das er mit einem Buben erlebt hat. Bei der Kartoffelernte habe dieser gefragt: «Warum vergrabt ihr denn die Kartoffeln vor dem Kochen?» Der Junge hatte keine Ahnung davon, dass die Kartoffeln im Boden wachsen. Die Kinder lernen auf dem Hof auch den Unterschied von Heu und Stroh kennen. Unwissenheit herrscht zuweilen auch über das Tragen von Hörnern oder eben nicht. So sind die Kinder oft der Meinung, dass dasjenige Vieh mit Hörnern Stiere sein müssten.

Die Landwirtschaft erklären

Die Landwirtschaft ist auf das Verständnis der Bevölkerung angewiesen, ist Felix Gebhardt überzeugt. In der heutigen Welt, in welcher der Kontakt mit der Natur oft weitgehend fehle, sei es besonders wichtig, bereits den Kindern diesen Teil der Welt erklären zu können. Und manchmal ergebe sich auch eine Möglichkeit, mit Begleitpersonen über die politischen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft zu sprechen.

 

Betreibsspiegel Hof Untere Tüfleten

Betriebsleiter: und Felix Gebhardt und Ursula Kradolfer,

Familie: zwei erwachsene Kinder in Ausbildung

Höhe: 456 m ü M.

Zone: Voralpine Hügelzone

Landw. Nutzfläche: 23 ha

Wald: 11 ha

Produktionszweige: Mutterkuhhaltung, Kartoffeln, Süsskartoffeln, Hühner, Obst

Label: Demeter (biologisch-dynamisch)

Tiere: 24 Mutterkühe und Jungtiere der Rassen Aubrac und Rhätisches Grauvieh, 1 Stier, 50 Hühner

Futtergrundlage: Gras, Heu, Silage

Mitarbeiter: Ab und zu Zivildienstleistende, drei Nachmittage pro Woche eine Person in einem betreuten Arbeitsplatz.

Spezielles: Der Hof Untere Tüfleten ist Schul-Bauernhof. Er steht Schulen der Region aller Klassen­stufen für verschiedenartige Projekte zur Verfügung.

 

Der Hof erhält eine Pauschale für die Infrastruktur. Der Rest stehe dem Lehrer Wolfgang Unger zur Verfügung. Die Aktivitäten mit den Schülern werden durch Elternbeiträge, Projektbudgets von Schulen und Spenden finanziert. Als Träger des Projekts Schul-Hof Untere Tüfleten fungiert der Verein Schul-Hof. «Das Konzept ist bemerkenswert und ausbaufähig», erklärt der Betriebsleiter stolz. Was bedeutet nun das zeitweilige Schliessen der Schulen durch den Bundesrat wegen des Coronavirus für das Projekt? «Aktuell wurde das Baulager abgesagt. Wir gehen davon aus, dass die Schulschliessung eine vorübergehende Massnahme ist und das ­Projekt längerfristig nicht gefährdet», erklärt der Betriebsleiter.

Überrissene Forderungen

Felix Gebhardt ist Vorstandsmitglied im Bezirksverein und im Solothurner Bauernverband. Das Bauern-Bashing bekommt auch er mit. «Das Wissen von Zusammenhängen ist extrem klein», bedauert er. Dass das Produzieren von tierischen Erzeugnissen auf nicht ackerfähigem Land weder für die Nachhaltigkeit noch die Ethik ein Problem darstelle, sei den Konsumenten nicht mehr klar. Der Hof Tüfleten macht viel für die Natur. Aber: «Mir macht es Mühe, dass mit der Zeit überrissene Forderungen gestellt werden, auch bei Leuten mit hohem Bildungsniveau», macht der Landwirt deutlich. Es könne nicht überall nur Bienenwiesen geben. Auch wenn er seinen Hof biologisch bewirtschaftet, lehnt Felix Gebhardt die Trinkwasser-Initiative (TWI) ab. Damit sorge er schon mal für Unverständnis. Doch Gebhardt ist sich sicher, dass eine Annahme der TWI zu mehr Skandalen in der Landwirtschaft führen würden. Wer Bio produziere, müsse das aus Überzeugung tun und nicht aus Sachzwängen. Und noch aus einem anderen Grund lehnt Gebhardt die anstehenden Initiativen ab.

Die Bevölkerung ist gefragt

Mehr als zehn Prozent der Bevölkerung sei derzeit nicht bereit, im Laden Produkte zu kaufen, die ohne Pestizide erzeugt werden. «Zuerst muss aber die Bevölkerung den Beweis erbringen, dass sie ohne Pflanzenschutzmittel produzierte Lebensmittel will, bevor ein solches Verbot eingeführt wird», macht Gebhardt deutlich. Felix Gebhardt und Ursula Kradolfer werden heuer beide 57 Jahre alt. Wie andere Betriebsleiter machen sie sich bereits jetzt Gedanken über eine mögliche Nachfolge. Diese wird bei ihnen mangels Interesse seitens der Kinder wohl eher ausserhalb der Familie gesucht. Trotzdem haben Gebhardt-Kradolfers in den nächsten Jahren noch einiges vor. So entsteht ein Verarbeitungsraum, etwa um Apfelringli zu trocknen. Zudem will Gebhardt im Stall das Läger vergrössern und von Tiefstreue auf Kompost umstellen. Die Arbeit geht in dem beschaulichen Flecken Erde also noch lange nicht aus. Andrea Wyss

Weitere Informationen: www.schul-hof.chwww.anfora.chwww.schule-bauernhof.ch