Wohin die Ernährung in Zukunft gehen soll, ist eine drängende Frage. Dies im Hinblick darauf, dass die Weltbevölkerung in 30 Jahren auf 10 Milliarden Menschen angewachsen sein wird. Aber auch angesichts des Krieges in der Ukraine, der in Begriff ist, weltweit eine grosse Hungersnot auszulösen. Dem Thema widmete sich die Fachtagung «Vision Ernährung 2051», die am Landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen (LZSG) in Salez stattgefunden hat.
Neue Technologien verändern die Landwirtschaft
Achim Walter, Professor für Kulturpflanzen-Wissenschaften an der ETH Zürich, beleuchtete in seinem Referat die Entwicklung der Landwirtschaft. Als einschneidend bezeichnete Walter die Grüne Revolution. Damit ist die Intensivierung der Landwirtschaft ab den 1960er-Jahren gemeint. Sie kam mit der Zeit in die Kritik, etwa aufgrund des übermässigen Einsatzes von Pestiziden. «Nun braucht es eine neue Revolution», sagte Walter. «Mehr Nachhaltigkeit ist gefragt.» Dazu sei es nötig, Food Waste zu reduzieren, auf weniger intensive Anbauverfahren zu setzen und die Tierproduktion nicht weiter zu steigern. Auch moderne Technologien würden einen Beitrag leisten. Er nannte Beispiele:
- Drohnen, die das Herbizid nur dort versprühen, wo es nötig ist.
- Mechanische Unkrautkontrolle durch autonome Geräte.
- Mittels Drohnen und Satellitenbildern wird die Grünheit von Feldern gemessen. Damit lässt sich z. B. Stickstoffdünger reduzieren.
Die Marktanteile wachsen
Mit alternativen Proteinen beschäftigt sich Ralph Langholz der Migros-Tochter Micarna. Fleischersatzprodukte sind noch immer eine Marktnische, obwohl der Umsatz im schweizerischen Detailhandel von 2016 bis 2020 um fast 50 Prozent auf rund 5700 Tonnen gewachsen ist. «Es ist zu erwarten, dass ihre Bedeutung weltweit zunimmt», sagte Langholz. Auch für kultiviertes Fleisch aus dem Labor sieht er Marktpotenzial. Es gibt jedoch einige Herausforderungen, so liegt etwa noch keine Bewilligung vor, und der Preis ist relativ hoch. Gemeinsam mit anderen Unternehmen der Branche hat Migros letztes Jahr den Verband Swiss Protein Association (SPA) gegründet, um sich gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen für Produzenten von alternativen Proteinen einzusetzen.
Insekten verwerten Abfälle
Über die Bedeutung von Insekten als alternative Proteinträger berichtete Andreas Baumann von der Bühler AG im st.-gallischen Uzwil. Das Unternehmen hat kürzlich ein «Insect Technology Center» eröffnet, das Lösungen für die Insektenzucht wie auch für deren Verarbeitung zu Futter- und Lebensmittel entwickelt. Der Hintergrund: Nur 40 Prozent der primären Proteine erreichen unsere Teller, ein Grossteil wird verschwendet.
«Das Potenzial von Insekten liegt darin, dass sie Abfälle in Proteine umwandeln können», sagte Baumann. Sie nehmen Nährstoffe auf, die dann wieder als Tierfutter oder gar direkt als Lebensmittel zurück in die Lebensmittelkette geführt werden. So gilt etwa Proteinmehl aus Insekten als hochwertiger Futtermittelzusatz für Hunde- oder Fischfutter, während Lipide über leicht verdauliche Energie verfügen und zum Beispiel in Ferkel- oder Hühnerfutter enthalten sind. Insektenmehl eignet sich zudem als Zutat für Lebensmittel wie etwa Backwaren.
Laut Baumann werden weltweit mehr und mehr industrielle Insektenanlagen realisiert. Eine Massnahme gegen die noch hohen Preise wäre, auch minderwertigere Stoffe als Nahrung für die Insekten zu nutzen.
Ein Maisdrink aus der Region
Die Lütolf AG im st.-gallischen St. Margrethen stellt Produkte aus Rheintaler Ribelmais her. Neu dazu kommt nun ein Getränk. «Schweizer Mais ist ein traditioneller Rohstoff und hat hierzulande gute Anbauvoraussetzungen», so Geschäftsführer Christian Lütolf. «Zudem ist er allergenfrei.»
Die Zürcherin Anastasia Lammer ist Gründerin der Social-Media-Firma «Ana + Nina», bei der sich alles um Essen und Ernährung dreht. Angefangen hatte sie 2015 während ihrer Zeit an der Hotelfachschule mit einem Instagram-Kanal, später kamen ein Foodblog und weitere Kanäle dazu, auf denen sie mit ihrer Community Rezepte, Erlebnisse und Informationen teilt. Dazu gehört auch die eigene Fernsehsendung «Copy/Taste» auf Sat 1 Schweiz. «Social Media ist weit mehr als nur Unterhaltung», sagt Lammer. «Im Zentrum steht bei vielen Leuten die Hauptfrage: Was soll ich heute kochen?» Dabei stelle sie fest, dass selber Kochen derzeit ein Megatrend ist. Gefragt seien einfache und gute Gerichte mit bekannten Zutaten, möglichst vegetarisch und saisonal, unter Vermeidung von Food Waste.
Es bleiben offene Fragen
Bei der Podiumsdiskussion wollte Moderatorin Angelika Hardegger wissen, ob auch Laborfleisch lustvoll sein könne. «Das hängt von der Qualität ab», so die Foodbloggerin Anastasia Lammer. «Zusammen mit frischen Zutaten kann ich mir das schon vorstellen.» Sie würde es Fleisch aus schlechter Tierhaltung vorziehen. Christian Lütolf meinte, dass Laborfleisch auch seine Berechtigung habe. Achim Walter sagte, es brauche Fleischalternativen, welche der Landwirtschaft Wertschöpfung bringen. Als Beispiel nannte er inländische Körnerleguminosen für Lebensmittel.
«Gefragt sind natürliche und regionale Zutaten. Steht dies nicht im Widerspruch zu den industriell hoch verarbeiteten Fleischalternativen?», fragte die Moderatorin. Andreas Baumann antwortete, dass auch Weizen zuerst gemahlen werde, bevor er auf den Tisch kommt. Es seien Prozesse nötig, um beispielsweise Geschmack zu entwickeln. Ralph Langholz meinte, dass es die Aufgabe der Industrie sei, gesunde Lebensmittel für eine breite Bevölkerung herzustellen.
Am Schluss blieben Fragen offen, wie jene nach der Nachhaltigkeit von Fleischalternativen. Und wie weit die Rohstoffe dann aus der Schweiz stammen. Auch wird sich erst zeigen, wie die Konsument(innen) neuartige Lebensmittel wie Laborfleisch oder solche aus Insekten akzeptieren werden.