Sein «Urneni» sei ein armer Bündner Landwirt und Selbstversorger gewesen, der das Fleisch seiner ausgedienten Kühe traditionell getrocknet habe. Diese (wahre) Geschichte erzählt Adrian Hirt immer wieder, denn sie steht am Anfang seiner Firma Alpahirt. Ebenso oft erzählen Hirt und seine Mitarbeitenden aber von den alten Mutterkühen, die ihr Leben lang nichts als hofeigenes Futter gefressen haben und ihrem Besitzer ans Herz gewachsen sind, der sie zuletzt in einen regionalen Schlachthof begleitet.

Mindestens vier Jahre alt

«Die Surselva ist für unser Geschäftsmodell ideal», sagt Adrian Hirt. In dieser Region Graubündens gebe es viele Bio-Mutterkühe und die Direktvermarktung sei wegen der Abgeschiedenheit schwierig. Alpahirt kauft Mutterkühe, die mindestens vier Jahre alt sein und mindestens zweimal gekalbt haben müssen. Tatsächlich liege das Durchschnittsalter der Tiere aber bei zehn Jahren. Weitere Vorgaben sind Bio, BTS und RAUS sowie nur hofeigenes Futter, «um Kreisläufe zu schliessen», so Hirt. Verwertet wird das ganze Tier, pro Jahr etwa 80 Kühe von 80 Landwirten. Das Resultat ist z. B. ein Rindssalsiz für Fr. 14.–/100 g. «Landwirte bekommen bei uns 200 bis 300 Franken mehr für rund 370 kg Schlachtgewicht», betont Hirt.

«Es kann nicht sein, dass Fleisch weniger kostet.»

Adrian Hirt, Alpahirt, über die Preisdifferenz zu veganen Produkten.

Nach der Logik des preissensiblen Konsumenten sollte das nicht funktionieren. Doch das tut es: «Die teuersten Produkte sind als Erste ausverkauft», schildert Adrian Hirt. Einen Corona- oder Inflationseffekt habe sein Unternehmen nicht erlebt. Das Geschäft sei weniger abhängig von der herrschenden Konjunktur denn von einem langfristigen Trend zu gesundem und regional produziertem Fleisch mit hohem Tierwohl.

«Naturfleisch» ohne Zusatzstoffe

Einen massgeblichen Beitrag dazu leistet sicherlich auch das Marketing von Alpahirt. «Wir arbeiten mit vielen Bio- und Feinkostläden zusammen, sind oft auf Märkten, führen Degustationen und Events durch», erklärt Hirt. Seit zehn Jahren verkaufe er dieselben Produkte und erzähle dieselben Geschichten. Dazu gehört auch sein Engagement gegen das Bild der Kuh als Klimakillerin. «Ich hasse das Wort ‹Aufklärung›», bemerkt der Firmengründer. Es sei ein gewisses «Geraderücken», immer mit der Betonung, man biete Fleisch aus Gras und nicht aus Getreidefütterung an.

Alpahirt vermarktet seine Produkte als gesundes «Naturfleisch» ohne Zusatzstoffe und propagiert den bewussten Genuss. «Gute Lebensmittel sind für mich Gesundheitsprävention», hält Adrian Hirt fest. In seiner Ausbildung zum Lebensmitteltechnologen habe er gesehen, «wie Nahrungsmittel auseinandergenommen, verändert, verfälscht und wieder zusammengesetzt werden». Das Naturfleisch sollte das Gegenteil davon sein.

Funktioniert nicht nur mit Edlem

Er ermuntere gerne andere dazu, ebenfalls aus Rastern auszubrechen, sagt der Bündner. Sei dies durch den Verzicht auf Pökelsalz oder durch eine andere Art der Fleischproduktion, die seiner Meinung nach gut für Tiere und Umwelt ist. Dabei ist er überzeugt, dass das Konzept nicht nur mit Edlem wie Trockenfleisch funktionieren kann. «Wir haben vor knapp einem Jahr auch mit Hackfleisch angefangen», erklärt Hirt. Sollte die Nachfrage danach weiter steigen, könnte Alpahirt künftig neben ausgedienten Mutterkühen auch Rinder abnehmen. Geflügel nennt Adrian Hirt zwar als Negativbeispiel der Fleischproduktion, da dafür viel Importfutter verwendet werde. «Ja, hoffentlich», meint er aber auf die Frage, ob Alpahirt dereinst auch nur mit Nebenstromprodukten gefüttertes Poulet verkaufen würde.

Selbstbewusst Preise einfordern

Bis 2029 will Alpahirt nach eigenen Angaben «die führende Marke für nachhaltiges Trockenfleisch in der ganzen Schweiz» sein. Die Firma sei noch im Aufbau, so Adrian Hirt. «Substanziell verdient haben wir damit noch nicht», räumt er ein. Doch die Kundschaft wachse und er ist überzeugt, dass seine Produkte nicht zu teuer sind. «Viele Vermarkter orientieren sich an den Preisen der Grossverteiler. Aber es kann nicht sein, dass Fleisch weniger kostet als vegane Produkte», findet Hirt. Schliesslich lande ein grosser Teil der Energie aus Ackerfutter nicht im Fleisch, sondern im Stoffwechsel der Nutztiere. «Landwirte sollten selbstbewusster sein und die Preise einfordern, die angemessen sind.» Der Firmengründer ist überzeugt, dass in Produkten wie jenen von Alpahirt – jenseits hohen Verarbeitungsgrades, Nahrungs- und Flächenkonkurrenz mit dem Menschen – die Zukunft der Fleischproduktion liegt.