Bekommt die Stadt Zürich eine Markthalle, wie man sie aus grossen europäischen Städten wie Paris, Riga oder Mailand kennt?

Genau das fordert ein Postulat von Jean-Marc Jung, SVP-Gemeinderat aus der Stadt Zürich. Die Idee findet Unterstützer und Gegner in der Grossstadt, die BauernZeitung hat mit ihnen gesprochen.

2030 endet das Schlachten

Die Zeit läuft ab für den städtischen Schlachthof in Zürich. Die Eigentümerin des Areals, die Stadt Zürich, plant, den Schlachtbetrieb bis spätestens Ende 2029, also in weniger als fünf Jahren, einzustellen. Dann läuft der bestehende Mietvertrag mit den Hauptnutzern, darunter die Schlachtbetrieb Zürich AG, aus. Diese ist derweil auf der Suche nach einem neuen Standort. Ein schwieriges Unterfangen – gehört doch der Schlachthof Zürich zu den sechs grössten Schlachtbetrieben der Schweiz.

Dem Schlachtbetrieb ergeht es somit wie auch anderen städtischen Industriezweigen. Sie verschwinden aus der Stadt, hinaus in die Agglomeration des Schweizer Mittellandes.

Die Gründe für die Schliessung des Schlachthofs sind vielfältig. Die Gebäude entsprechen nicht dem modernsten Standard, das Schlachten von Tieren mitten in der Stadt geniesst wenig Rückhalt in der urbanen Bevölkerung. Und die Nachfrage nach Raum im 447 000 Einwohner zählenden Zürich wächst enorm.

Keine «grauen Klötzchen»

Man sucht also nach Raum und die Stadt hat ihren Blick auf das zentral gelegene fünf Hektaren grosse «Filetstück» geworfen.

Der Bau weckt auch aus anderen Gründen Begehrlichkeiten: Der ältere Teil des 1909 eröffneten Schlachthofs stammt aus der Zeit des späten Historismus. Die Backsteingebäude zeigen industrielle Einflüsse mit charakteristischen Rundbögen, Satteldächern und funktional gestalteten Hallen. Zusammengefasst sind es also ästhetisch ansprechende Gebäude und keine modernen «grauen Klötzchen».

Die Vorstellungen, wie es mit dem Areal weitergehen soll, sind unterschiedlich, nun beginnt die Partei- und Interessenpolitik.

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Für den Normalverbraucher

«Es war ein Herumeiern auf Kosten der lokalen Bevölkerung», sagt Jean-Marc Jung, der das Postulat zur Markthalle eingereicht hat. Die Stadt habe bisher viel Zeit mit Workshops und «Echoräumen» verbracht, die bis anhin keine Resultate produziert hätten. Auch habe Jung mit dem Postulat verhindern wollen, dass IT-Firmen, Architekturbüros oder Kulturanlässe in der Halle Einzug halten. Diese solle, so wie es der Zonenplan vorsehe, vom Gewerbe genutzt werden.

Kurioserweise erhält Jean-Marc Jung Unterstützung von der SP. «Die Idee einer Markthalle ist nicht neu, sie passt in den ‹Food-Focus› für das Areal», sagt Pascal Lamprecht, Gemeinderat SP Stadt Zürich. Die Sozialdemokraten können sich eine Markthalle vorstellen, die lokal-regionale Produkte anbietet, die dem «Otto Normalverbraucher» zugutekommen. Eine zweite Viadukthalle mit «Hipsterprodukten» für das obere Preissegment will man laut Lamprecht nicht.

Fehlende ÖV-Anbindung

Bei den Gegnern des Postulats haben mit der FDP und der Alternativen Liste (AL) zwei Ungleiche zusammengefunden. «Wenn sie da drin eine Markthalle bauen, nimmt man der Lebensmittelproduktion den Platz weg», sagt Flurin Capaul, FDP-Gemeinderat Zürich. Die FDP bevorzuge die Lebensmittelproduktion und nicht «Food-Stände».

Flurin Capaul zweifelt, ob diese vom «Büezer», der bisher eher in den Discountern einkaufe, auch genutzt würden. Zudem sei die Anbindung an den öffentlichen Verkehr mangelhaft.

Die fehlende Erschliessung sei einer der Gründe für die Ablehnung durch die AL gewesen. Laut Michael Schmid, Gemeinderat AL Zürich, sind die bestehenden Märkte zudem zentraler und attraktiver gelegen. Grundsätzlich warte man jedoch die Resultate aus dem laufendem Mitwirkungsverfahren ab.

Chance für Marktfahrer?

In der Abstimmung setzten sich schliesslich die Befürworter des Postulats durch. Der Stadtrat erhielt den Auftrag, eine Markthalle am Standort Schlachthof «wohlwollend» zu prüfen.

Ist das eine Chance für die Marktfahrer? «Wir sind noch nicht kontaktiert worden und müssten uns mit der Idee befassen», sagt Petra Mörgeli, Präsidentin der Vereinigung Zürcher Märkte. Prinzipiell sind die Marktfahrer laut Mörgeli mit den bestehenden Marktplätzen in der Stadt bereits gut aufgestellt. Eine Markthalle mit dauerhaften Marktständen sei schwierig für jemanden, der noch auf einem Landwirtschaftsbetrieb Lebensmittel produzieren wolle. Vielleicht bietet sich ja eine Chance für Landwirte mit Unternehmergeist. Bis Ende August muss der Stadtrat einen Vorschlag ausarbeiten, der an einer Informationsveranstaltung präsentiert wird. Dann weiss man auch, wie es mit dem Areal weitergeht.