Anfang Woche trafen sich die Zentralschweizer Anicom-Kunden in der Festhalle Sempach LU. Gefestet wurde nicht an diesem Dienstagvormittag, aber die Stimmung war gut. Die vergangenen Monate waren bezüglich Preisen nicht schlecht, namentlich bei den Schweinen und bei den Haartieren wie Verarbeitungstiere oder Beef. Zu denken hingegen gibt die Situation beim Kalbfleisch. Darüber informierte Christian Probst, seit Sommer Vorsitzender der Geschäftsleitung, die neu nur noch aus drei Personen besteht.
Regionalausschuss fällt weg
Die Anicom verabschiedete sich vom Modell mit den Regionen und organisierte sich nach Tiergattung. So gibt es Ansprechpartner für Schweine und Haartiere. Wenn ein Luzerner Produzent Schweine anmeldet, könne es künftig also sein, dass ein Ostschweizer Anicom-Mitarbeiter den Anruf entgegennehme, meinte Probst mit einem Augenzwinkern. Im Idealfall merkten die Kunden nichts von dieser Neu-Organisation, was auch der Fall zu sein scheint. Die Regionen bleiben der Anicom wichtig, Fabian Willimann ist auf operativer Ebene Ansprechpartner für die Zentralschweiz, die dezentralen Tagungen bleiben bestehen. Der Regionalausschuss fällt weg, dafür sitzen zwei Regiovertreter im Verwaltungsrat. Aus der Zentralschweiz sind dies Tanja Müller, die durch die Tagung führte, und Philipp Käppeli.
Ruhe bei den Schweinen
Zurück zum Markt. Bei den Nahrungsmitteln schaue man aufs Portemonnaie, zeigte Probst anhand einer Erhebung auf. Auch die Grossverteiler senkten die Preise beim Fleisch. Die Nachfrage nach günstigem Fleisch spüre man beim Absatz. QM ist aktuell stärker nachgefragt als Label. Eine gute Phase erleben die Schweineproduzenten. Der Inlandanteil sei gesund, bilanzierte Probst. Und es gebe verschiedene Hinweise, dass die Aussichten nicht schlecht sind. Aber es werde aktuell kaum in die Schweinehaltung investiert. Gründe seien mühsamste Bewilligungsverfahren, aber auch hohe Baukosten oder der Fachkräftemangel bei grösseren Betrieben. Der Spermaabsatz der Suisag weise nicht auf ein kurzfristig hohes Jagerangebot hin, genauso die überschaubare Remontierung auf den Zuchtbetrieben.
Gute Preise gibt es weiterhin bei den QM-Muni, und beim Label Swiss Quality Beef habe es Platz für neue Produzenten, sagte Probst.
Auch weniger ist zu viel
Sorgenkind ist das Kalbfleisch. Die Preise für QM-Schlachtkälber zogen zwar im Hinblick auf Weihnachten an, aber auf tieferem Niveau als in den Vorjahren. Und dies nach einem ganz schwachen Sommer. In der Konsequenz sind Tränker weniger gesucht bzw. ist es eine Herausforderung, jeden Tränker zu platzieren. Bekanntlich sind einige bäuerliche Kälbermäster aus der Produktion ausgestiegen. Die Inlandproduktion beim Kalbfleisch nahm ab und trotzdem gebe es mehr als genug. Auf der Nachfrageseite habe sich einiges verändert. Stichworte sind preissensible Konsumenten, aber auch Imageprobleme.
Imbissstand statt Dorfbeiz
Lebensmittel zu produzieren ist das eine, sie gut zu verkaufen das andere. Es braucht entlang der gesamten Wertschöpfungskette Fleischprofis mit Herzblut, damit es funktioniert. An der Zentralschweizer Anicom-Tagung von Anfang Woche in Sempach LU berichtete Adrian Schärz von Transgourmet leidenschaftlich aus seinem Tagesgeschäft. Beim bekannten Gastrobelieferer arbeitet der erfahrene Schärz, ursprünglich gelernter Metzger, als Leiter Category Management Metzgerei.
Der Ausser-Haus-Konsum ist beim Fleisch noch immer von grosser Bedeutung. Transgourmet beliefert die Gastronomie direkt oder auch über Fachmärkte. Für Schärz, der in jungen Jahren die Sommer auch als Älpler verbrachte, sind die bäuerlichen Schweizer Familienbetriebe ein Erfolgsgarant fürs Image von Schweizer Fleisch. Er, der oft im Ausland unterwegs war und ist, warnt vor der industriellen Landwirtschaft. Laufend Anpassungen brauche es aber im Verkauf. Bedürfnisse und damit die Nachfrage im Gastrokanal verschieben sich. Diese Megatrends liessen sich nicht stoppen, es gelte, die Angebotspalette anzupassen. So hätten etwa die Touristen einen grossen Einfluss. Früher noch häufig Europäer, bereisen immer mehr Asiaten und Amerikaner die Schweiz. Letztere beispielsweise bestellen in der Beiz «Beef». Kalbfleisch sei für sie kein Begriff. Die Asiaten ihrerseits ernähren sich wieder anders. Da gäbe es auch ein Süppchen am Zmorgenbuffet und eine grosse Bedeutung habe Geflügel, allerdings sei nicht zwingend die Pouletbrust wie bei uns am beliebtesten. Die Hotellerie berichtete von einer Rekordanzahl Logiernächte, die Schweiz hat die 9-Millionen-Marke geknackt. «Die Nachfrage nach Fleisch nimmt nicht ab, sie verändert sich», so Schärz. Den Trend hin zu fleischlos sieht er eher abflachend. Dafür werde bewusster Fleisch genossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem wirtschaftlichen Aufschwung gab es dreimal täglich Fleisch für einen Handwerker. Die Zeiten ändern sich. Auch die Kaufkraft habe einen grossen Einfluss. «Bei Lebensmitteln sparen Herr und Frau Schweizer gerne.»
Die Schweizer Herkunft hingegen habe noch immer einen sehr hohen Stellenwert beim Fleisch. Auch bei den Gastronomen: Drei Viertel achten gemäss einer Umfrage konsequent darauf. Dass seltener im guten alten «Sternen», dafür vermehrt in Schnellimbiss verpflegt werde, habe ebenfalls Auswirkungen. Das hochpreisige Kalbfleisch ist unter Druck. Aber auch Schweinefleisch. Im Take Away im urbanen Raum gibt es häufig Fleisch, das niemanden «stört». Fleisch, welches Menschen jeglicher religiöser Herkunft oder Ernährungstrends nachfragten. Dort kommt bei Prosciutto Poulet auf die Pizza anstatt «Schwinigs». aem