Ernst Lüthi ist Obstproduzent aus Ramlinsburg BL und Präsident des Fachzentrums Direktvermarktung des Schweizer Obstverbands.

«Ja, Selfpick scheint eine bequeme Art zu sein, Geld zu verdienen», sagt er gleich zu Beginn des Selfpick-Seminars. Ein Schild am Strassenrand aufs Feld stellen und die Erntearbeiten an die Kunden abtreten, und Qualitätssortierung braucht es auch nicht. Da die Erntearbeiten beispielsweise bei den Kirschen rund die Hälfte der Kosten ausmachen, spart man Erntehelfer – zumal Arbeitskräfte immer schwieriger zu finden sind. Aber gar so einfach ist es nicht, denn so auf die «bequeme» Art lässt sich das Potenzial von Selfpick nicht ausschöpfen, davon ist Lüthi überzeugt.[IMG 2]

Wie sich das Potenzial dieser Vermarktungsnische ausschöpfen lässt, diskutierte er mit den Teilnehmer(innen) der Tagung.

Auf was es ankommt, wurde allen bewusst, als Tobias Meuter, Dominik Hurni und Salome Fürst erzählten, wie sie Selfpick zu einem Betriebsstandbein gemacht haben (siehe unten).

Stammkunden und Qualität

Bauernfamilien, für die Selfpick ein Betriebsstandbein ist, setzen bewusst auf eine treue Stammkundschaft und sorgen mit Pflegemassnahmen und Pflanzenschutz für Qualität – das muss sein. Selbstbedienung ist bei Blumenfeldern üblich, aber bei Früchten und Beeren braucht es Betreuung vor Ort, und diese ist zeitintensiv.

Standorttreue ist bei Selbstpflückfeldern von Vorteil. So können sich Stammkunden darauf verlassen, dass sie die jeweiligen Felder Jahr für Jahr wieder finden.

Dieses Geschäftsfeld ist sehr wetterabhängig. Bei schlechtem Wetter sinkt der Umsatz massiv. Also muss man in der kurzen Saison das Beste herausholen. Was denn auch heisst, dass das Wochenende nicht zum Entspannen da ist, denn dann erstarkt der Besucheransturm.

Anwohner nicht vergessen

Auch muss der Betrieb beim Feld viele Quadratmeter für Parkplätze und das Kassenhäuschen oder ein Kassenzelt einberechnen. Dafür ist gutes Einvernehmen mit den Nachbarn wichtig, ansonsten führt das Verkehrsaufkommen zu Spannungen.[IMG 3]

Sehr wichtig ist die Sicherheit der Kunden. «Die Kunden können keine Leitern stellen», sagt Salome Fürst. Niederstamm ist also Voraussetzung. Tobias Meuter erntet die Giebelfrüchte mit seinen Mitarbeitern selbst, sobald die Kunden die Anlage verlassen haben. Zur Verhütung von Unfällen und nachträglichen Versicherungsforderungen solle man am besten die Branchenlösung agriTOP umsetzen, hiess es seitens eines Teilnehmers am Seminar.

Die meisten Kunden bringen ihre Behälter selbst mit. Dominik Hurni aber hat in seinem Kassenhäuschen immer Reservegebinde an Lager. Diese werden zusammen mit den Früchten gewogen und das Gesamtgewicht wird zum entsprechenden Kilopreis abgerechnet.

Rendite muss sein

Aber was lässt sich dabei verdienen? Bekanntlich lässt sich kein Betriebsleiter gerne in die Karten blicken. Deshalb berechnete Ernst Lüthi mit dem Arbocost-Programm von Agroscope die Produktionskosten und den Arbeitserlös von Kirschen (siehe Tabelle). Der Standardvariante von Arbocost liegt zugrunde, dass der Betrieb die Kirschen an den Handel liefert.

  • Die Produktionskosten für den Handel betragen durchschnittlich Fr. 6.80.
  • Beim Selfpick sind die Produktionskosten deutlich tiefer und betragen zwischen Fr. 5.– und Fr. 6.–.
  • Am meisten herauszuholen ist, wenn der Kilopreis beim Selfpick bei Fr. 9.– liegt. Allerdings ist das nur mit einem gesteigerten Selfpick-Erlebnis verbunden, beispielsweise Kinderspielplatz, Hofcafé, wie es Salome Fürst anbietet.
  • Bei einem Kirschenpreis von Fr. 6.– im Selfpick macht man immer noch vorwärts. Der Arbeitsverdienst für ein Kilo Kirschen liegt über Fr. 30.–.
  • Anders sieht es aus bei der Variante von Fr. 5.– aus. Dort sinkt der Verdienst der Betriebsleiterfamilie gar unter die Produktionskosten.

Kurzstrategie macht Furore

Letzteres sei eine Kurzstrategie und könne nicht die Lösung für einen Betriebszweig sein, vermerkte Ernst Lüthi. Auf solche Preise setze allenfalls ein Betriebsleiter aus einer Notlage heraus. Beispielsweise wenn der Handel die Früchte nicht abnimmt, weil die entsprechende Sorte nicht mehr gefragt oder die Qualität nicht einwandfrei ist.

Die Betriebsleiter starten via Facebook einen Aufruf, der dankbar von den Medien aufgenommen wird. Beispiele davon machen in jeder Saison Furore und die Betriebe werden von Kunden überrannt. «Punktuell kann das dem einzelnen Betrieb nützen», sagt Ernst Lüthi. Aber die Branche habe nichts davon. Einerseits würden die Früchte zu Dumpingpreisen angeboten und dabei bleibt die Rendite auf der Strecke.

«Haltet euch an die Richtpreise», empfahl Lüthi. Andererseits seien solche «Angstverkäufe» schlussendlich auch für die Kunden nicht befriedigend, wenn die Früchte Qualitätsmängel aufweisen.


«Die Kunden müssen wissen, dass es uns gibt» 

Der Fürst-Selbstpflückhof (neu Mühlebachhof) in Dachsen ist seit dem 1. Januar 2023 in neuen Händen. Walter und Katharina Fürst übergaben ihn an Tochter Salome (25). Ein Betriebsbesuch ist vor allem um die Weihnachtszeit angesagt, denn die Agrotechnikerin hält rund 18 Rentiere.[IMG 4]

Hofkafi und Tik Tok

Doch seit jeher hat sich der Betrieb auf Direktvermarktung spezialisiert. «Wir sind nicht an einem Verkehrsfluss gelegen, dafür nur einen halbstündigen Spazierweg vom Rheinfall entfernt. Aber Zufallskunden gibt es kaum. Wir machen uns bekannt durch die Qualität unserer Produkte im Hofladen, durch ein Hofkafi mit einem Kinderspielplatz mit Minitraktoren und durch Selbstpflückerlebnisse», sagt Salome. Um den Bekanntheitsgrad zu steigern, setzt sie auf die Sozialen Medien, neuerdings auch auf Tik Tok. Ab Mitte Mai ist das 1 ha grosse Erdbeerfeld zum Selbstpflücken geöffnet. «Wir haben sechs geschmacksintensive frühe Sorten und verlangen Fr. 6.– pro Kilo», sagt Salome. Am Wochenende wird Fr. 1.– für den Eintritt verlangt.

Feldhygiene auch bei Selfpick

Wichtig sei es, immer wieder die Leute darauf aufmerksam zu machen, dass faule Erdbeeren in die Abfallkübel gehören und nicht auf den Boden.

Nach dem Erdbeeren-Selfpick folgt die 0,5 ha grosse Kirschenpflückanlage. «Alles Niederstammbäume und wir stellen Bockleitern zur Verfügung. Der Preis beträgt Fr. 8.–/kg mit Stiel, für gerupfte ohne Stiel Fr. 10.–», zählt sie auf. Nach den Kirschen sind die Himbeer- und Brombeerfelder dran. «Wenn die Temperatur im Sommer über 30 Grad steigt, schliessen wir die Anlage», sagt Salome Fürst.

Weitere Informationen: www.mühlebachhof.ch


«Selfpick ist kein Selbstläufer»

[IMG 5]Die Familie Hurni-Fiechter führt den elterlichen Betrieb von Daniela in Worben und den elterlichen Betrieb von Dominik in Mörigen.

Ihr Ziel ist es, all ihre Früchte und Beeren direkt an die Endkunden zu verkaufen. Das klappt ganz gut – mit Läden und Hofläden aus der Umgebung und vor allem mit den Endkunden.

Familientradition weiterführen

«Wir haben keinen eigentlichen Hofladen, sondern zwei Automaten, der eine ist beim Haus, der andere mobil auf einem Feld», sagt Dominik.

Jener beim Haus ist stärker frequentiert als der mobile Automat. Selfpick ist quasi ein Erbe der Vorgängergeneration, das Hurnis perfektioniert haben. Es ist eine interessante Möglichkeit, Einkommen zu generieren. Ein Selbstläufer sei Selfpick aber nicht.[IMG 6]

Gelbweste weist ein

Auf ihren Selbstpflück-Erdbeerfeld sind immer zwei Personen – aus der Familie oder Mitarbeiter – beschäftigt:

  • Die eine sorgt im Kassen-häuschen für effizientes Wägen und Abrechnen.
  • Die andere Person ist mit einem gut sichtbaren, gelben Gilet auf dem Feld und weist Besucher ein.

Am Wochenende brauche es mehr Leute, denn dann brummt das Geschäft.

Es gebe leider auch manchmal «Querulanten». Man müsse sich nicht scheuen, sie vom Feld zu verweisen. Miese Laune sei ansteckend und die Gefahr gross, dass solche Nörgeler andere Kunden vergraulen.

«Bei uns gelten klare Regeln. Wir sind auch kein Basar, wo um den Preis gefeilscht wird», sagt Hurni.

Weitere Informationen: www.hurni-fiechter.ch


«Es hat noch Luft nach oben»

Der Betrieb von Tobias Meuter aus Vinelz liefert an den Handel, hat sich aber auf Direktvermarktung spezialisiert. Dafür ist sein Standort am Bielersee ideal. Die Kunden kommen aus der Agglomeration Neuenburg, den Dörfern und den Campingplätzen.

Selfpick ist kein Picknick

[IMG 7]Immer wieder hätten Stammkunden angefragt, ob sie die Kirschen selbst pflücken können. Tobias Eltern probierten es mit einer älteren Kirschenanlage. Aber das uferte vollkommen aus, so kamen Familien an den Wochenenden zum Picknicken in die Anlage – und liessen viel Abfall liegen. Schliesslich wurde die alte Anlage gerodet. Als Tobias Meuter 2015 den Hof übernahm, plante er eine Kirschenanlage nur für Selfpick.

Dafür pflanzte er vor fünf Jahren auf 1,5 ha Kirschbäume. Zehn Sorten, so dass im fünfwöchigen Erntefenster jederzeit eine Sorte zum Pflücken reif ist. Die Selfpick-Saison beginnt im Juni und dauert fünf Wochen. «Zielpublikum sind nicht die Camping-Gäste, sondern die Leute aus dem Dorf, die auch Grossmengen fürs Konfitürenkochen pflücken», sagt Meuter.

Halbtags geöffnet

2022 hatte er erstmals die Anlage eröffnet und verlangte Fr. 6.50/kg. Leitern gab es keine. Pflücken ist nur vom Boden aus möglich. Auch ist die Anlage nur am Vormittag geöffnet, so habe man am Nachmittag Zeit für die Kulturpflege.

Tobias Meuters Fazit nach der ersten Saison: «Die Kunden brauchen Instruktionen. Gute Betreuung ist wichtig.» Kundenzahl und Umsatz haben seine Erwartungen erfüllt. «Aber es hat noch Luft nach oben», so Meuter. In diesem Jahr stellt er den Kunden auch ein Toi Toi zur Verfügung.

Weitere Informationen: www.meuter.ch