Es ist 7.15 Uhr, der Wochenmarkt in der Winterthurer Altstadt hat seinen Betrieb gerade erst aufgenommen. Dennoch sind bereits erstaunlich viele Menschen unterwegs von Stand zu Stand.
Serie: Marktbummel
Vielen Konsumentinnen und Konsumenten ist der wöchentliche Einkaufsbummel auf «ihrem» städtischen Markt zu einer lieben Gewohnheit geworden. Sie versorgen sich bei den Produzenten ihrer Wahl mit saisonalen und regionalen Produkten. Sie nutzen die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch. Für die bäuerlichen Direktvermarkter hingegen sind die Markttage oft lang und anstrengend. Sie bilden auch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein. Während der Sommerwochen schnuppert die «BauernZeitung» etwas Marktatmosphäre. Zum Beispiel auf dem Winterthurer Wochenmarkt.
Ob es an dem Wetterhoch liegt, das schon seit Tagen unverändert über der Schweiz liegt? «Im Sommer ist es nicht aussergewöhnlich, dass hier schon früh etwas los ist», weiss Ruedi Brugger, Präsident der Marktfahrer-Vereinigung Winterthur. Er selbst steht an Markttagen um 5 Uhr auf und fährt um 5.30 Uhr von seinem Obst- und Weinbaubetrieb in Rickenbach ZH los, um anschliessend seinen Stand auf der Steinberggasse aufzustellen. Seit über 20 Jahren kommt er dienstags und freitags nach Winterthur, zudem ist er samstags am Wochenmarkt in Zürich-Oerlikon zu finden. In den «Stosszeiten» hat er mehrere Mitarbeiter, die ihm beim Verkaufen helfen.
Weniger, dafür häufiger
Ruedi Bruggers Angebot ist von beachtlicher Breite: Es besteht aus Erdbeeren und weiteren saisonalen Früchten, selbst gebackenem Brot, Konfitüren, Dörrfrüchten, Eiern und eigenen Weinen. Der Obstbauer setzt ausschliesslich auf Direktvermarktung, wie er sagt. Die Kundinnen und Kunden kämen auch direkt zum Hofladen, um einzukaufen. Was hat sich in den letzten Jahren verändert? «Es werden vermehrt kleinere Portionen verkauft. Die Kunden möchten frische Ware und kommen dafür häufiger. Früher hat man dagegen eher in grösseren Mengen eingekauft, um beispielsweise Früchte einzumachen», stellt Brugger fest.
Der Wochenmarkt in Winterthur hat eine lange Tradition, die über 150 Jahre zurückgeht. «Ihn zu erhalten, ist der Stadt ein grosses Anliegen», sagt Peter Schmid, Winterthurer Marktpolizist. An diesen Vormittagen treffe er auf Alt und Jung, vom Kita-Kind bis zum Bewohner des nahegelegenen Altersheims. Ein Thema ist laut Schmid, dass viele der Marktfahrer schon seit Jahrzehnten dabei sind. Man sei daher bestrebt, entsprechenden Nachwuchs zu finden, wenn jemand «in Pension» geht. Bei der Auswahl von neuen Anbietern wird darauf geschaut, dass diese aus der Region kommen und hauptsächlich selbst produzierte Frischprodukte anbieten.
Eine Frage der Zeit
Die Biobäuerin Elke Frei aus Wildensbuch ZH kommt etwa seit 20 Jahren an den Winterthurer Wochenmarkt und gehört hier somit ebenfalls zu den «alten Hasen». Sie sei zu jeder Jahreszeit auf dem Markt, aber im Sommer sei es lockerer, die Stimmung schöner. «Im Winter ist der Aufwand grösser, es braucht viel warme Kleidung und sogar eine Heizung.» Das frühe Aufstehen stört Elke Frei hingegen nicht, das müsse sie ja auch sonst immer. Zu den Nachteilen sagt sie hingegen: «Auf den Markt zu fahren ist aufwendig und benötigt viel Zeit, die dann dafür in der Produktion fehlt. Dafür bringt es mehr Ertrag und auch der direkte Kontakt zu den Kunden gefällt mir sehr.»
Auf ihrem Hof produziert sie zusammen mit ihrem Mann Biogemüse. Dabei setzt sie auf Direktvermarktung, auch via Hofladen. Für sie sei klar, dass sie nur verkauft, was sie auch selbst produziert. Sie stellt zudem fest, dass der Trend in Richtung saisonale und regionale Produkte gehe. Ihr derzeitiges Angebot gleicht einer bunten Palette. Beispiele daraus sind Bundzwiebeln, Rüebli samt Kraut, neue Kartoffeln, verschiedene Salatsorten, gelbe und grüne Zucchetti sowie Randen.
Raus und unter die Leute
Auch Erika Frei-Bernhard verkauft ausschliesslich saisonale Produkte. Im Angebot stehen zurzeit schwarze Kirschen der Sorte «Merchant», je nach Jahreszeit sind es aber auch Zwetschgen, Äpfel und Tafel-trauben – alles Produkte vom eigenen Hof in Buch am Irchel ZH. Auch sie hat schon seit einigen Jahren einen Stand in Winterthur und kann auf viele Stammkunden zählen, auch wenn sie mit ihren Saisonangeboten nicht das ganze Jahr über präsent ist. «Als gelernte Verkäuferin ist mir der Kundenkontakt wichtig», betont Erika Frei-Bernhard, «so komme ich zwischendurch raus und unter die Leute. Mir geht es aber auch darum, zu einem positiven Image der Landwirtschaft beitragen zu können.»
In der Steinberggasse und in der Metzgasse herrscht in der Zwischenzeit reges Markttreiben, an vielen Ständen haben sich Schlangen gebildet. Auch die Tischchen vor den vielen Cafés in der Nähe sind fast alle besetzt, dazwischen stehen Einkaufstaschen, sichtbar gefüllt mit Grünzeug. Man trifft sich offensichtlich gerne dienstags und freitags am Winterthurer Markt, um zu schwatzen und sich auszutauschen.
Für Hofladen zu abgelegen
Nahe der Kreuzung Steinberggasse/Metzgasse steht Ilze Eichholzer bei ihrem Markstand und berät eine Kundin. Die Biobäuerin aus dem nahen Elsau ZH hat Gemüse im Angebot sowie eine ansehnliche Auswahl an Gemüse- und Kräutersetzlingen. In einer Kiste hat es Schnittsalat, gemischt mit Blüten. Die Kräuter kauft sie dazu, das Gemüse jedoch stammt vom eigenen Hof und wird hauptsächlich direkt verkauft. «Einen Teil der Ernte verkaufe ich auch einem lokalen Bioladen, beispielsweise Kürbisse im Herbst. Der Grossteil jedoch kommt hier auf den Wochenmarkt», erzählt Eichholzer. Einen Hofladen habe sie nicht, der Betrieb sei dafür zu abgelegen.
Eigene Säckli dabei
Was hat sich verändert in den letzten zehn Jahren, in denen sie hier ihren Stand schon hat? «Das Bewusstsein für nachhaltige Verpackung beispielsweise», sagt Ilze Eichholzer. «Immer mehr Kunden bringen lieber ihre eigenen Säckli mit, um ihre Käufe darin abzupacken.» Auf die Frage hin, ob essbare Blüten (wieder) im Trend lägen, meint die Marktfrau, diese seien auch schon vor zehn Jahren gefragt gewesen, sogar noch mehr als heute. «Es kommen immer wieder neue Trends, manche gehen auch wieder.»
Wenn es gegen elf Uhr geht, beginnen die Marktfahrer ihre Stände abzuräumen. Innert kurzer Zeit werden auf der Steinberggasse die drei berühmten Judd-Brunnen sowie der Fischmädchen-Brunnen wieder fast alleine dastehen.
Die Eckdaten des Winterthurer Wochenmarkts
Ort: Steinberggasse, Metzggasse
Zeit: Dienstag und Freitag von 7 bis 11 Uhr
Saison: ganzes Jahr
Grösse: 60–70 Stände, davon einige nur saisonal
Infos: www.winterthurer-wochenmarkt.ch