Manchmal bleiben Bauern und Bäuerinnen auf ihrem Gemüse oder ihren Früchten sitzen. Entweder weil es nicht den Schönheitsidealen des Detailhandels entspricht oder – wie kürzlich geschehen – Hagelschäden davongetragen hat. Immer mehr Apps und Plattformen wollen diese Problematik angehen, die vielleicht nicht schöne, aber dennoch geniessbare Ernte an den Mann oder die Frau bringen und Food Waste verhindern. Ganz neu ist etwa die App Croppy.

In zwei Minuten bereit

Die Bedienung sei unkompliziert und «ein Account in zwei Minuten erstellt», verspricht Regie Bo. Die App entstand zusammen mit der Administratorin der Facebookgruppe «Fraktion Zug Rettet die Ernte vor dem Müll» Laura Lullo und dem Lebenspartner von Regie Bo. Die drei Zuger haben Croppy während des Lockdowns als Freizeitprojekt entwickelt.

Croppy zeigt, was, wo, zu welchem Preis und zu welchen Zeiten gekauft bzw. gepflückt oder geerntet werden kann. Dazu gibt es auch die Angabe Selbstbedienung ja oder nein. «Sobald ein Eintrag erfasst und gespeichert ist, wird er kurz geprüft und von uns freigegeben», so Bo.

Das Herzstück der App ist eine Karte, auf der alle Angebote verzeichnet sind. Benutzerinnen und Benutzer können wählen, ob sie ihnen in einem Umkreis von zwei, fünf, 10, 20 oder 50 Kilometern angezeigt werden sollen. «Ist alles verkauft, dauert das Löschen fünf Sekunden», erklärt die Initiantin.

Kundschaft hat es schon

Nachdem «20 Minuten» über Croppy berichtet hatte, schnellten die Downloadzahlen auf über 700. «Im Moment überwiegen die Käuferinnen und Käufer unter den Benutzern», meint die Mitentwicklerin. Neue Angebote dürften also auf grosses Interesse stossen.

Die Fülle an Lebensmittelrettungs-Apps zeigt, dass das Thema Food Waste bewegt. Mittlerweile grosse Bekanntheit erlangt hat die App «Too good to go», bei der von Bäckereien über Supermärkte bis zu Hotels bereits über 4600 Betriebe teilnehmen. Dabei können die Betriebe in der App mitteilen, wenn sie Lebensmittel übrig haben und die App-Benutzer können die Portionen reservieren und abholen.

Kalibrierung ist ein Thema

Ein anderer Weg um Food Waste zu reduzieren, ist die Verwertung von Obst und Gemüse, das nicht den Kalibirierungsnormen entspricht. Das Unternehmen «Ugly Fruits» beispielsweise kauft ausschliesslich Obst und Gemüse von Produzenten, das nicht den Normen entspricht. Daraus werden Obst- und Gemüsekörbe in vier verschiedenen Grössen zusammengestellt und an die Abonnenten geliefert. Der Aufbau der Abos ähnelt jenen von Gemüsekooperativen.

Auch der «Gmüesgarte» in Bern kauft direkt bei Landwirtinnen Lebensmittel ein, die nicht von ihnen verkauft werden konnten, ganz nach dem Motto «Chrumm & Früsch». Die Lebensmittel werden entweder direkt im Laden verkauft oder zuerst noch zu Salaten oder Smoothies verarbeitet.

Freiwillige Erntehelfer

Das Erntenetzwerk der Oekonomischen Gemeinnützigen Gesellschaft Bern (OGG) organisiert freiwillige Erntehelfer, wenn die Ernte unerwartet reich ausfällt oder nach der maschinellen Ernte noch Früchte oder Gemüse auf dem Feld zurückbleiben. Das geerntete Obst und Gemüse wird entweder an karitative Organisationen gespendet oder weiterverarbeitet und so haltbar gemacht. Das Erntenetzwerk nimmt auch Früchte ab, die nicht den optischen Anforderungen entsprechen. Weiter erntet das Erntenetzwerk auch ungenutzte Obstbäume ab.

Es gibt mittlerweile sehr viele Apps und Organisationen gegen Food Waste. Genauso vielfältig ist die Art und Weise, wie sie dies tun. Während Croppy und das Erntenetzwerk die Möglichkeit des Selberpflückens anbieten, verkaufen die Landwirte bei «Ugly Fruits» und «Gmüesgarte» ihr Obst und Gemüse direkt an die Abnehmerinnen. Diese wiederum kümmern sich dann um den Absatz. Die Zusammenarbeit mit solchen Organisationen kann für die Bauernfamilien wirtschaftlich interessant sein. Auf jeden Fall sollte das Anliegen, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, von allen Personen in der Wertschöpfungskette unterstützt werden.