Über Jahre wurde dazu aufgerufen, die Dächer vollflächig mit Solarmodulen einzudecken, und nicht nur auf den Eigenverbrauch zu setzen. Die Politik schreibt teilweise gar eine Solardachpflicht vor. Dem gegenüber stehen die Netze der Versorger, nicht bereit für die Rückführung des Solarstromes, sowie hohe Investitionen für den Ausbau solcher Leitungen und die stark gesunkenen Einspeisetarife. Simon Schärer, Leiter Public Affairs CKW, im Interview über die Herausforderungen für bäuerliche Solarstromproduzenten.
Die sinkenden Rückliefervergütungen stossen bei vielen Solarbauern auf Kritik, vor allem dort, wo nur mehr der Referenzmarktpreis bezahlt wird, wie bei CKW. Was meinen Sie zu dieser Kritik?
Simon Schärer: Wir bezahlen den Solarproduzenten den effektiven Preis für den gelieferten Strom zu diesem Zeitpunkt. Dank unserer eigenen Kraftwerke produzieren wir mehr Strom, als wir für die Versorgung unserer grundversorgten Kunden brauchen. Wir setzen den zusätzlichen Strom aus den Rücklieferungen darum am Markt ab und vergüten den Preis, den der Strom am Markt zum jeweiligen Zeitpunkt wert ist. Wenn wir den Solarstrom höher als zum Marktpreis vergüten würden, müsste die Differenz von allen unseren Kundinnen und Kunden bezahlt werden. Dies ist unseres Erachtens nicht fair, da alle Kundinnen und Kunden bereits für die Kosten der Einmalvergütung für PV-Produzenten aufkommen (2,3 Rp./kWh Netzzuschlag auf jeder verbrauchten kWh) und zusätzlich über höhere Netztarife auch die indirekte Förderung via Eigenverbrauch finanzieren.
Im neuen Stromgesetz, dem das Volk im Juni sehr deutlich zugestimmt hat, wurde dieser Referenzmarktpreis als Standard für die ganze Schweiz bei der Vergütung von Solarstrom festgelegt.
Neuerdings zahlt CKW zumindest bei kleineren Anlagen bis 30 kW Leistung eine Mindestvergütung, wie sie das neue Stromgesetz vorsieht. Dies für jene Situationen, wo der aktuelle Referenzmarktpreis tiefer liegt …
Ja, CKW wendet die in der Verordnung des neuen Stromgesetzes vorgesehene Mindestvergütung für Solarstrom bereits an und verhindert damit, dass Kundinnen und Kunden sehr tiefe Rückliefervergütungen erhalten. Bei der Höhe der Mindestvergütung orientiert sich CKW an den aktuellen Vorschlägen des Bundesrates. Die Mindestvergütung gilt voraussichtlich erst ab 1.1.2026. Sie muss vom Bundesrat noch definitiv in einer Verordnung festgelegt werden. Grundsätzlich gilt zudem: Je höher der Eigenverbrauch, desto rentabler die Investition in eine PV-Anlage.
Gleichwohl ist die Differenz bei den Preisen enorm. Für den Energiebezug (Hochtarif, ohne Netznutzung) muss 16,4 Rappen pro kWh bezahlt werden. Die Rückliefervergütung bzw. der nun gewährte Mindesttarif liegt bei 4,6 Rp. bzw. mit Herkunftsnachweis von zwei Rappen erhalten die Solarstromproduzenten derzeit für Anlagen bis 30 kW lediglich noch 6,6 Rp. pro kWh. Bei grösseren Anlagen gilt der Referenzmarktpreis, dann ist es noch weniger …
Die beiden Energieprodukte sind nicht vergleichbar: Der CKW-Tarif ist der Preis für eine Stromlieferung rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, egal ob die Sonne scheint oder nicht. Wir bieten eine Versorgungssicherheit von 99,997 Prozent. Die Einspeisevergütung ist demgegenüber die Entschädigung für eine Stromlieferung, wenn die Sonne scheint und die Solaranlage produziert – im Schnitt während 1000 Volllaststunden pro Jahr. Das Problem ist: Dann produzieren alle PV-Anlagen gleichzeitig und wir sehen bereits heute an sonnigen Tagen oft sehr tiefe bis gar negative Preise. Das wird sich noch verschärfen.
CKW beendet die schweizweite Übernahme von Solarstrom, welche 2022 lanciert wurde. Haben in dieser Zeit viele bäuerliche Solarstromproduzenten zu CKW gewechselt, wegen den damals besseren Vergütungspreisen?
Die Möglichkeit, den Solarstrom an CKW zu liefern, haben 2023 viele Produzenten genutzt. Entgegen unseren Erwartungen sanken die Strompreise und damit die PV-Rückvergütungen wieder sehr schnell. Das Produkt war jedoch von Beginn an mit einem einfachen An- und Abmeldemechanismus ausgestattet. Entsprechend sind die meisten Solarstromproduzenten inzwischen wieder zu ihrem angestammten Stromversorger zurückgewechselt. Das Produkt läuft Ende 2024 aus. Mit den einheitlichen Rückliefertarifen, welche das Stromgesetz vorsieht, erübrigt sich das Produkt sowieso. [IMG 2]
Welche Chancen bieten die neu möglichen Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) und virtuelle Zusammenschlüsse für den Eigenverbrauch (vZEV) den bäuerlichen Produzenten, mit Anlagen über dem Eigenverbrauch?
Für bäuerliche Solarstromproduzenten sind das attraktive Modelle, um den Solarstrom regional/lokal zu vermarkten. Denn die LEG und vZEV sind auf Stromproduzenten angewiesen. Der Bundesrat arbeitet zurzeit an den Verordnungen zum Gesetz. Darin werden die Rahmenbedingungen für vZEV und LEG konkretisiert. Dabei wird auch definiert, ab wann vZEV und LEG rechtlich möglich sind. Voraussichtlich wird dies erst per 1.1.2026 sein. CKW arbeitet mit Hochdruck daran, ab diesem Zeitpunkt für die Umsetzung parat zu sein.
CKW senkt Strompreise
Die CKW senkt per 2025 die Stromtarife für Privat- und Geschäftskunden um rund 30 Prozent. Die Preise liegen damit wieder auf einem ähnlichen Niveau wie noch 2019. Nebst den deutlich tieferen internationalen Marktpreisen ermöglichen die tieferen Netzkosten diese Preissenkung. Die CKW passt auch das alte Tarifmodell an. Der Hoch- und Niedertarif zu Tag- und Nachtzeiten fällt weg. Damit soll es attraktiver werden, Solarstrom tagsüber gezielt zu nutzen. In den ersten sechs Monaten 2024 habe es, vornehmlich über die Mittagszeit, bereits 165 Stunden mit negativen Strompreisen gegeben.
Weiter schafft die CKW Anreize, das Netz nicht mit hohen Leistungsspitzen zu belasten. Dabei wird, wie es CKW-Geschäftskunden schon seit Längerem kennen, auch bei Privaten ein Betrag für die höchste Leistungsspitze im Monat verrechnet. Konkret für jene Viertelstunde im Monat mit dem grössten Stromverbrauch. Im Gegenzug dazu sinkt aber der Netz-Einheitstarif pro bezogener Kilowattstunde um rund 40 %. Reto Betschart