Als sich Anna und Christian Böhlen entschieden, den Hof von Annas Eltern zu übernehmen, hatten sie zum Ziel, den Betrieb wieder als Vollerwerbsbetrieb zu bewirtschaften. Das war vor fünf Jahren.

Der Kleinbetrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 15 Hektaren war zuvor ein typischer Milchbetrieb. Doch bereits 2013 hatte Annas Vater beschlossen, die Milchwirtschaft aufzugeben, und ging auswärts arbeiten. Doch Anna und Christian Böhlen wollten wieder frisches Leben auf den Muriboden-Hof in Riggisberg BE bringen.

Nischenprodukte als Chance

«Wir sind zu gross zum Sterben und zu klein, um zu überleben», sagt Anna Böhlen, die zuerst eine kaufmännische Laufbahn eingeschlagen hat.

Vor der Betriebsübernahme absolvierte sie den Nebenerwerbskurs und hat nun auch noch die Bäuerinnenschule gemacht. Auch ihr Mann Christian war ein Quereinsteiger, der aber noch die Landwirtschaftliche Grundbildung nachgeholt hat.

Mit Leinsamen fing alles an

Sie fingen also bei der Betriebsübernahme praktisch bei Null an. Lediglich den Ackerbau hatten sie in den Jahren seit der Aufgabe des Vaters aufrechterhalten. So kamen sie auf die Idee, auf dem Kleinbetrieb Nischenprodukte zu produzieren.

Heute bauen sie viele verschiedene Spezialkulturen an: Sie haben Süsslupinen, Leinsamen, Mohnsamen, Hafer und Dinkel. Ausser dem Dinkel werden alle Produkte direktvermarktet.

Felder zum Blühen bringen

Angefangen mit den speziellen Kulturen hat alles mit den Leinsamen. «Mir gefielen einfach ­diese blauen Blumen und ich wollte schauen, ob wir einen Absatzkanal für die Samen finden könnten», sagt Anna Böhlen. Ihnen sei es auch wichtig, dass es auf den Feldern blüht und schön aussieht, um etwas Abwechslung in die Landschaft zu bringen.

Vielfältiger Eiweisslieferant

Ein besonderes Produkt sind die Süsslupinen. Sie dienen als wichtiger Eiweisslieferant und sind besonders in der veganen und vegetarischen Ernährung von Bedeutung. Die Bohnen sind so vielfältig wie Soja, wachsen aber gut in unseren Breitengraden. Man kann sie wie Kichererbsen zubereiten aber auch zu glutenfreiem Mehl verarbeiten. Sie dient als Kaffee-Ersatz und es gibt auch Tofu daraus.

«Die Möglichkeiten sind riesig», sagt die Bäuerin, «doch leider fehlen oft die Verarbeiter».

Aktuell lassen sie das Erntegut in einer Mühle reinigen und verpacken es dann zu Hause in Verkaufsbeutel oder verarbeiten es weiter. Sie möchten jedoch Rohstoffproduzenten bleiben und sind auf der Suche nach lokalen Verarbeitungspartnern. «Es wäre schön mit Gleichgesinnten in der Region zusammenzuarbeiten», sagt Anna Böhlen.

Rätisches Grauvieh mit Hörnern

Auch halten Böhlens fünf Mutterkühe der Rasse Rätisches Grauvieh mit Hörnern sowie 30 Wollschweine. Das Fleisch wird in Form von Mischpaketen und Trockenwürsten angepriesen. «Uns ist es wichtig, dass all unsere Tiere direktvermarktet werden und nicht über den Handel», sagt Anna Böhlen.

In der Region verkaufen

Die Verkaufskanäle sind vielfältig. Die meisten Produkte gehen in kleineren regionalen Läden wie Käsereien, Dorfläden, Claro-Läden und auch den Unverpackt-Läden über die Theke. «Uns ist die Regionalität sehr wichtig», sagt Anna Böhlen. Zudem nehmen Böhlens an verschiedenen Märkten teil, hauptsächlich Weihnachtsmärkte in der Region, wo sie ihre Süsslupinen-Produkte, Leinsamen, Haferflocken und Trockenwürste feilhalten.

Produkte auf Plattform «Mucca» im Angebot

Auch eine Website hat der Muriboden-Hof. Darauf können Interessenten Informationen über den Hof und die Produkte finden. Einen Webshop hat es aber nicht darauf. Dafür ist der Hof neu auch auf der Plattform «Mucca», welche regionale Produkte direkt vom Bauernhof vereint. Dort müsse man sich nur registrieren und eine kleine Jahresgebühr bezahlen, damit man seine Produkte darauf verkaufen kann, erklärt Anna Böhlen. So kann man sich den Aufwand, einen eigenen, funktionierenden Webshop aufzubauen, sparen.

Biologisch und doch nicht Bio

Obwohl die Familie Böhlen den Betrieb nicht nach Bio-Richtlinien bewirtschaftet, bauen sie so vieles wie möglich biologisch an. «Manchmal ist es schwierig, den Konsumenten zu erklären, dass Bio nicht alles ist, ohne Bio schlecht zu machen», meint Anna Böhlen. Statt nur auf das Label zu schauen, würden sich die Konsumenten besser dafür interessieren, auf welchem Hof und unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel hergestellt werden. «Bio-Leinsamen aus Indien, das ist doch Blödsinn», so die Bäuerin.

Schlafen im Stroh

Neben der zeitintensiven Direktvermarktung gibt es auf dem Muriboden-Hof auch Agrotourismus. Die Angebote Schlafen im Stroh und ein Gästezimmer haben sie von Annas Eltern übernommen. In normalen Jahren haben Böhlens rund 400 Übernachtungen. Viele Gäste seien Pilger, erzählt Anna Böhlen. Denn bei ihnen führt der Jakobsweg vorbei. «Der Austausch mit den Leuten ist spannend, aber auch zeitintensiv, daher wollen wir das Angebot momentan nicht vergrössern», sagt Böhlen. Sie und ihr Mann haben auch gerade noch alle Hände voll zu tun mit ihren beiden kleinen Kindern.