«Die Branche war nicht bereit, sich zur Umsetzung solcher oder ähnlicher Massnahmen zu verpflichten» – dieser Satz steht mehrmals im Bericht des Bundesrats zu Lebensmittelspenden und weiteren Massnahmen gegen Food Waste im Detailhandel. Ideen für die Reduktion und Vermeidung von Lebensmittelverlusten gebe es einige, doch deren Umsetzung gestaltet sich offenbar schwierig.

Problem Finanzierung

Gastbeitrag Altes Brot? Herrliche Zopf-Gnocchi al Limone! Tuesday, 19. November 2024 Zwar arbeiten die Detailhändler mit verschiedenen Organisationen zusammen, die noch geniessbare Lebensmittel an Bedürftige spenden, so der Bericht. Aktuell werde aber nur ein kleiner Teil der nicht verkauften Ware gespendet und das Potenzial für eine höhere Spendenquote sei gross. Das gelte auch für die Nachfrage nach gespendeten Lebensmitteln, die als sinnvolle Unterstützung bedürftiger Personen in der Schweiz gilt. Es gibt aber einen Haken: «Um die Weiterverteilung der gespendeten Lebensmittel sicherstellen zu können, sind die Spendenorganisationen auf Planungssicherheit und eine zuverlässige Finanzierung angewiesen», heisst es im Bericht. Doch während Detailhändler mit ihrem Spendenengagement werben können und auch durch die branchenweite Vereinbarung zur Vermeidung von Food Waste einen Anreiz haben, die gespendeten Mengen zu erhöhen, gebe es keinen Anreiz, mehr für deren Abnahme zu bezahlen. Die Spendenorganisationen seien auf den Handel angewiesen und würden die Ware daher auch ohne kostendeckende Finanzierung der Logistik abholen und weiterverteilen, heisst es im Bericht. «Bei gleichbleibender Finanzierung sind die Spendenorganisationen nicht in der Lage, deutlich grössere Mengen zu verteilen», so das Fazit. Entsprechende Gespräche zwischen den Akteuren würden zwar laufen, «ob diese aber schlussendlich zu einer verbesserten Finanzierung der Spendenorganisationen führen werden, ist offen».

«Es braucht eine zuverlässige Finanzierung.»

Der Bericht des Bundes weist auf finanzielle Schwierigkeiten bei Lebensmittelspenden hin.

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat zusätzlich andere Möglichkeiten zur Reduktion von Food Waste besprochen. In diesem Teil des Berichts taucht der eingangs erwähnte Satz mehrfach auf. Die Branche war demnach nicht bereit, sich z. B. dazu zu verpflichten, bis 2025 Fleisch und Fisch vor Erreichen des Verbrauchsdatums (VD) einzufrieren und es anschliessend selbst anzubieten oder zu spenden. Dasselbe gilt für das Anbieten oder Abgeben von noch geniessbaren Lebensmitteln mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) oder mehr Sensibilisierung der Konsumenten für den Unterschied zwischen VD und MHD. Als Gründe führte die Branche logistische Herausforderungen an (z. B. Aufwand fürs Umetikettieren, wenig Platz im Tiefkühler in den Filialen). Aber es soll Pilotprojekte in diesem Bereich geben (siehe auch Kasten).

Aktionsplan verabschiedet Der Bundesrat will gegen Food Waste mit der grossen Kelle anrichten Wednesday, 13. April 2022 Aus Sicht der Branche ist es ebenfalls schwierig, auf «Zwei für eins»-Aktionen und Ähnlichem einen Hinweis für die Käufer zu platzieren, dass sich schnell verderbliche Lebensmittel zwecks Vorratshaltung zu Hause einfrieren lassen. Das sei nur unter Einbezug weiterer Akteure möglich, zitiert der Bericht die Detailhändler. Die Idee soll in einer sektorübergreifenden Arbeitsgruppe geprüft werden.

Bundesrat hat Hebel

Eine solche Arbeitsgruppe will die Branche auch prüfen lassen, ob tierische Nebenprodukte wie Molkedrinks, Ziger oder Ricotta verstärkt beworben werden könnten. Dasselbe gilt für die Erhöhung des Anteils an Ruch- und Vollkornmehl im Brotsortiment und die Zusammenarbeit mit Herstellern und Mühlen, um einen Ausmahlgrad über dem gesetzlichen Mindestmass zu vermeiden. Das würde die Menge Nebenprodukte wie Kleie und Keimlinge reduzieren.

«Die Bereitschaft zur Verabschiedung von Zwischenzielen und/oder zur Selbstverpflichtung zur Umsetzung ambitionierter Massnahmen ist derzeit noch gering», resümiert das Bafu. Der vor zwei Jahren verabschiedete Aktionsplan gegen Lebensmittelverschwendung setzt aber das Ziel einer Halbierung bis 2030 – und gibt dem Bundesrat einen Hebel in die Hand: Sollte der Zwischenbericht 2025 zeigen, dass sich der Detailhandel nicht auf dem Zielpfad befindet, könnte der Bundesrat verpflichtende Massnahmen prüfen. Möglich wären neue Vorschriften im Bereich Lebensmitteldatierung und zur Erhöhung der Spendenquote.

 

Zum Beispiel Lidl

«Gemäss K-Tipp rabattiert Lidl Frischprodukte im Vergleich zu anderen Lebensmittelhändlern am frühesten», sagt Lidl-Mediensprecherin Nicole Graf auf Anfrage. Das gebe der Kundschaft genügend Zeit, die Ware zu Hause zu geniessen. Folgende weiteren Ansätze verfolgt Lidl:

Bestellungen: Das Angebot in den Filialen soll der Nachfrage entsprechen. Gegen Ladenschluss können frische Produkte ausverkauft sein.
Preisreduktion: Tägliche Überprüfung der Produkte, um kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatums Rabatte gewähren zu können.
Rettersäckli: Gefüllt mit optisch nicht mehr einwandfreiem Obst und Gemüse zum Einheitspreis. Dasselbe gibt es auch für Backwaren.
Spenden: Zusammenarbeit mit Schweizer Tafel, Tischlein deck dich und Caritas-Märkten sowie regionalen Akteuren.
Pilotprojekt: Zusätzlich Abgabe von gekühlten Produkten wie Käse, Joghurt und Frischfleisch an Lebensmittelhilfe-Organisationen.
Tiefkühlen: Geeignete Produkte werden am Tag des Verbrauchsdatums eingefroren und ebenfalls gespendet (im Rahmen des Pilotprojekts).
Altbrot: Geht als Schweinefutter an Landwirte.
Biogas: Was übrig bleibt – im Fall von Lidl sind das jährlich rund 5576 t (Stand 2022) – wird Biogas.

«Mit unseren 479 t gespendeten Lebensmitteln zum Ende des Geschäftsjahres 2023 konnten rund 1,3 Millionen Mahlzeiten zubereitet werden», so Nicole Graf. Lidl sei zuversichtlich, den Anteil, der aktuell noch in der Biogasanlage landet, künftig durch zusätzliche Massnahmen weiter senken zu können.