Alle fünf bis zehn Minuten fährt ein Traktor mit Anhänger vor. Der Weizen wird in die Gosse gekippt. Dann holen die Bauern im Büro den Lieferschein und die Probeergebnisse ab und fahren wieder heim. Es geht hektisch zu an diesem Dienstag beim Getreidecenter Freiamt in Wohlen.

Hohe Fallzahlen

Auch im Kontrollraum mit grossen Bildschirmen, wo gleich vier Mitarbeitende der Sammelstelle die ganze Anlage steuern, herrscht Hektik. «Ab der Gosse wird das Getreide mit Elevatoren in den vierten Stock befördert, geht dann zum Reiniger, die gute Ware kommt auf die Waage. Dort wird bei jeder Schüttung eine Probe entnommen, für ein repräsentatives Durchschnittsmuster. Schliesslich wird das Getreide in den fünften Stock hoch befördert und fliesst dann in die per Computer angewählte Lagerzelle», erklärt Urs Hochstrasser den Ablauf.

Insgesamt sind es 160 verschiedene Zellen, von 30 m3 bis 1000 m3, für unterschiedliche Grössen, Sorten, Qualitäten. Auf einem Bildschirm werden die Resultate der Beprobung ersichtlich: Feuchte, Protein, Feuchtkleber, Hektolitergewicht, Temperatur. Mykotoxine und die Fallzahl müssten hingegen mit einem anderen Test bestimmt werden, erklärt Hochstrasser. «Die Fallzahlen sind heuer kein Problem, die sind sehr hoch. Aber der Befall mit Mykotoxinen ist himmeltraurig, vor allem beim Weizen.» Dieses Jahr räche sich eine minimale Bodenbearbeitung.

IPS viel Mykotoxine

Das bestätigt auch Geschäftsführer Toni Küng. Er bedauert, dass in den letzten Jahren von Schule und Beratung den jungen Produzenten die minimale Bodenbearbeitung «eingeimpft» worden sei. Und auch Extenso-Getreide und damit IP-Suisse sei empfohlen worden, wie generell der Verzicht auf Spritzen gegen Fungizide. «In feuchten Jahren ist aber der Krankheitsdruck viel grösser und wir sehen nun, wohin das führt.»

«Eine minimale Bodenbearbeitung rächt sich dieses Jahr.»

Toni Küng, Geschäftsführer Getreidecenter Freiamt.

Viel Weizen deklassiert

Während der Gerstenblüte sei der Krankheitsdruck dieses Jahr geringer gewesen, somit sei Gerste weniger Mykotoxin-belastet als Weizen. Tiefer waren auch bei diesem Futtergetreide die Erträge. «80 kg, wer sonst 100 drosch, 30 kg, wer sonst 50 drosch.» Bei Weizen lägen die Erträge bisher höchstens bei 50 kg, wo gespritzt wurde. Nur knapp geeignet als Futtermittel sei Extenso-Gerste, solche sei nur mehr schwierig verkäuflich, betont Toni Küng.

Er weist auf den anhaltenden Trend beim Weizen zu IP-Suisse (IPS), weg von Suisse Garantie (SGA) hin. Das habe schon letztes Jahr dazu geführt, dass fast zu viel IPS-Getreide anfiel. In der laufenden Kampagne müsse aber viel Brotgetreide deklassiert werden, vor allem IPS sei betroffen. «Wir rechnen bei uns mit mindestens 60 Prozent Deklassierungen zu Futterweizen, weil die Swissgranum-Richtlinien nicht erfüllt werden, wegen zu hohen Mykotoxingehalten und zu tiefen hl-Gewichten», sagt Küng. Deshalb sinke zumindest im Gebiet des Getreidecenters Freiamt der Marktanteil von IPS nun wieder.

Bei den Weizensorten dominiere in der Region die als resistent angepriesene und deshalb vermehrt angebaute Sorte Montalbano. Gerade dieses Jahr sei dieser Spätblüher aber wegen des feuchtwarmen Wetters allerdings viel krankheitsanfälliger gewesen. Küng empfiehlt aber, nicht zu vorschnell die Sorten zu wechseln nur aufgrund eines Extremjahres.

Tiefer, aber nicht so stark wie beim Weizen, lägen die Erträge auch beim Raps; die waren allerdings auch schon im Vorjahr tief. Das hänge damit zusammen, dass der Anbau immer anspruchsvoller werde. Dies, weil weniger Spritzmittel zur Verfügung stünden, der Krankheitsdruck steige und Nachfolgeprodukte aus dem Ausland in der Schweiz noch nicht zugelassen würden.

Genug vom Raps

Zwar seien Ölfrüchte sehr gefragt. Viele Produzenten hätten in der Region aber den «Verleider» und genug vom Raps, stellt Toni Küng fest. Einige wechselten zu Sonnenblumen, jedoch: «In Grenzlagen werden die aber im Herbst kaum reif.» Auch der stark geförderte Anbau von Zuckerrüben sei eine grosse Konkurrenz zu Raps und Sojabohnen geworden.

Das Getreidecenter Freiamt ist die grösste Sammelstelle im Aargau. Hier wurden letztes Jahr über 40'000 t Getreide übernommen, davon rund 10 500 t Brotgetreide, 111'00 t Futtergetreide und 2500 t Ölsaaten. Dazu kommen rund 16'000 t Übernahmen von Dritten, das heisst Ölsaaten von der Nutriswiss, welche hier eingelagert werden. Dieses Jahr würden nur rund 75 % Futtergetreide und nur die Hälfte Brotgetreide gegenüber dem Vorjahr übernommen, schätzt Küng. Das werde sich auf die Rechnung auswirken. «Wir haben mit kleineren Posten und der umfangreicheren Beprobung viel mehr Arbeit.»

Erfahrungen und Herausforderungen von Ackerbauern mit dem aktuellen Getreidejahr

[IMG 4]Die Erträge decken die Kosten kaum noch
Remo Baur, Sarmenstorf AG
Wir betreiben auf unserem tierlosen, 16 ha grossen Betrieb Ackerbau und führen einen Hofladen. Wir bauen rund 25 verschiedene Kulturen an, darunter Mais, Weizen und Raps. Mit der Qualität bei Raps und Weizen bin ich zufrieden, nicht aber mit den Erträgen. Die Sorte Montalbano brachte rund 60 kg. Das ist in Anbetracht der hohen Kosten für den Pflanzenschutz und bei stagnierenden Preisen zu wenig. Es kann nicht sein, dass die Preise quasi gleich sind wie vor 20 Jahren, die Kosten aber ständig steigen.

[IMG 5]Für Bio liegen die Erträge im Durchschnitt
Demian Lindemann, Fahrwangen AG
Auf unserem 30 ha grossen Bio-Ackerbaubetrieb bauen wir Raps, Weizen, Soja, Körnermais und etwas Kürbisse an. Ich stelle fest, dass die Jahre immer extremer werden, entweder ist es zu trocken oder zu nass. Mit der Nässe hatten wir zwar weniger zu kämpfen, wohl auch weil wir viele Drainagen legten. Das wäre auch andern Bauern zu empfehlen. Striegeln und Hacken war aber anspruchsvoll. Wir müssen für Bioverhältnisse zufrieden sein, mit Erträgen von gegen 30 kg beim Raps und gegen 55 kg beim Weizen.

[IMG 6]Die Felder waren schwierig zu befahren
Urs Rinderknecht, Hedingen ZH
Auf unserem gemischten 45-ha-Betrieb mit Milchvieh wird die Hälfte der Fläche ackerbaulich genutzt mit Gerste, Raps, Weizen, Dinkel und Mais. Die Gerstenernte mussten wir wegen der Nässe unterbrechen. Mit Erträgen um 75 kg bin ich zufrieden, auch das Hektoliter-Gewicht genügte mit 64. Den ersten Weizen haben wir am Samstag gedroschen und können ihn nun genügend trocken liefern. Die Herausforderungen waren heuer die Nässe und der Pflanzenschutz, selten konnte man mit gutem Gewissen in die Felder fahren.

[IMG 7]Bei Weizen weniger Ertrag als bei Raps
Dani Hochstrasser, Hägglingen AG
Von unseren 19 ha Land werden rund 12 ha ackerbaulich genutzt, daneben betreiben wir Kälbermast. Angebaut werden auf der Hälfte Weizen, daneben Sonnenblumen, Raps und Mais. Mit der Ernte bin ich nicht zufrieden, wir konnten beim Weizen nur rund 40 Prozent der Menge gegenüber anderen Jahren dreschen, wo wir doch im Schnitt 60 kg erreichten. Ich probierte mit Axen eine neue Sorte aus. Beim Raps sind wir mit 28 kg einigermassen zufrieden, in guten Jahren erreichen wir bis 35 kg im IP-Suisse-Anbau.

[IMG 8]
In 50 Jahren noch nie so schlechte Erträge
Willi Häusermann, Egliswil AG
Ich bin 75-jährig; den 28-ha-Betrieb mit extensiver Rindermast führt mein Sohn im Nebenerwerb. Über die Hälfte ist ackerbaulich genutzt mit Kartoffeln, Weizen und Raps. Seit 50 Jahren gebe ich hier Getreide ab, so schlechte Erträge habe ich noch nie erlebt. Erstaunt bin ich, dass ausgerechnet die für Fusarineresistenz viel gerühmte Weizensorte Montalbano bei uns stark mit Fusarien befallen war und zu Futterweizen deklassiert wurde. Anderseits erreichte die nicht für Resistenz bekannte Sorte Mara die nötige Qualität.