Rund ein Drittel der Schweiz ist Grünland, das sich nur mit Grasfressern in Protein für die menschliche Ernährung aufwerten lässt. Diese Fleischproduktion werde immer wichtig sein, auf Dauer werde sie aber nicht ausreichen, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren, waren sich die Referenten der Anicom-Tagung einig. So hatte der Präsident der Anicom Mittelland, Markus Arn, einen Referenten eingeladen, der die Zukunft der Ernährung beleuchtete. Michel Nick ist Leiter der Innovationen-Division bei Fenaco und befasst sich in dieser Funktion mit den Lebensmitteln der Zukunft. Auch er betonte, dass sich die wachsende Weltbevölkerung mit der herkömmlichen Landwirtschaft nicht wird ernähren lassen.

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Weniger Food Waste

«Die inländische Produktion wird an Wichtigkeit gewinnen, wenn im Ausland die Nahrung knapp wird», betonte Michel Nick. Zwar sei es mit Kunstdünger, Pflanzenschutzmitteln und Zuchtmethoden gelungen, das Bevölkerungswachstum ein Stück weit von der Landwirtschaftsfläche zu entkoppeln. Die Lücke zwischen Fläche und Bevölkerungszahl werde jedoch zunehmen. Grosses Potenzial, um zusätzliche Kalorien zur Verfügung zu stellen, habe die Verhinderung von Food Waste. Entsprechend richte sich die Lebensmittelindustrie derzeit auf neue Verarbeitungsmethoden aus, die den aktuel­len Ernährungstrends entsprechen.

Innovation bedeute einerseits, bestehende Produkte neuen Trends anzupassen. Es gebe aber auch neue Produkte, die den bisherigen Markt so veränderten, dass bisherige Produkte überflüssig würden. Als Beispiel nannte Nick Erfindungen wie das Auto, welches das Pferd verdrängte, verschiedene Datenträger, um Musik zu hören, oder die Fotografie, die heute mehrheitlich mit dem Handy stattfindet.

Zahlreiche Start-ups

Bei der Lebensmittelproduktion seien solch revolutionäre Erfindungen vorerst nicht in Sicht. Michel Nick betonte aber, dass es in Ergänzung zur bisherigen Landwirtschaft neue Methoden brauchen werde. Dabei werde in der Lebensmittelindustrie mit zahlreichen Ideen experimentiert. Dass diese teils belächelt würden, sei normal. «Auf jede Erfindung kommen hundert Kritiker. Würde man auf die hören, lebten wir noch in der Höhle», sagte Nick. Er gab aber auch einem Votum aus dem Zuschauerraum recht, dass die zahlreichen Start-ups, die im Bereich Ernährung aus dem Boden schiessen, für die Beteiligten einen grossen Effort bedeuten. Nicht nur einen überdurchschnittlichen Arbeitseinsatz fordern diese Unternehmen von ihren Gründern, sondern in der Regel auch ein beachtliches Anfangskapital. Deshalb sei Fenaco daran ­interessiert, mit ihrer Innovationen-Division lohnende Projekte zu entdecken und zu fördern, so Nick.

So befasse sich Fenaco etwa mit der Aufwertung von Ernteresten bei Gemüse, der Verwendung überschüssiger Brauhefe in Proteinriegeln oder der Verarbeitung von Kartoffelschälbrei zu Knuspernuggets. Etwas weniger optimistisch beurteilt Michel Nick die Herstellung von Insektenprotein. Mehr Chancen sieht er bei der zellulären Landwirtschaft, die aus Pflanzen- oder Tierzellen Produkte züchten will. Während er beispielsweise einem Avocadobrei aus dem Reagenzglas gute Chancen gibt, sieht er den Einsatz von Laborfleisch weniger in der Schweiz als in Ländern, die billiges Protein brauchen, um ihre Bevölkerung zu ernähren. Bei solchen Projekten sei es Fenaco wichtig, dabei zu sein und zu wissen, was laufe. Michel Nick kam zum Schluss: «Industriell hergestelltes Fleisch wird kommen, weil sich so billiges Protein herstellen lässt.» In den nächsten Jahren sei es aber sicher noch unrentabel und in der Schweiz auch längerfristig kein Geschäftsmodell.

Anicom wird schlanker und effizienter

Zur diesjährigen Tagung der Anicom Mittelland begrüsste der Präsident Markus Arn seine Mitglieder mit schlankeren Strukturen. Christian Probst ist neu Vorsitzender der Geschäftsleitung. Bereichsleiter der Haartiere ist Lukas Naef und Bereichsleiter der Schweine wird Simon Zürcher. Damit setzt die Anicom national auf diese zwei Bereiche in der Beschaffung. Neu wird die Organisation national enger zusammenarbeiten, was die Regionen entlastet. Für die Produzenten der Region Mittelland ist Simon Zürcher der Ansprechpartner. Ebenfalls bleiben ihre jeweiligen Handelsmitarbeiter, welche sie persönlich beraten.

Sparsamer Konsument
Die anwesenden Mitglieder der Anicom Mittelland wurden von Simon Zürcher über das aktuelle Marktgeschehen informiert. Dabei nimmt auch die Anicom veränderte Konsumgewohnheiten wahr. So habe die Sparsamkeit beim Lebensmitteleinkauf wieder Einzug gehalten. Simon Zürcher betonte, dass dies einer der wenigen Lebensbereiche sei, wo der Konsument sparen könne. Auch die Preisoffensiven der Grossverteiler zeigten ihre Wirkung.

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Gesunder Schweinemarkt
Im Fleischmarkt spüre man bereits erste Auswirkungen der sparsameren Konsumenten, sagte Simon Zürcher. So habe der Absatz von QM-Fleisch zugenommen, während es für Label zunehmend anspruchsvoll werde, die Preisdifferenz zu realisieren.
In diese Entwicklung passe auch, dass das Schweinefleisch derzeit auf eine gute Nachfrage treffe. So präsentierten sich die Schweinemärkte aktuell gesund und die Belegungen wie auch die Einstallungen liessen hoffen, dass dies noch eine Weile so bleibe. Auch die Remontierungen in den Herden hätten wieder zugenommen. Die Branche sei ausserdem dabei, ein Notfallkonzept auszuarbeiten, um künftig ein Marktversagen abzuwenden. Anfang Jahr sollen
die Produzenten darüber informiert werden.
Eine Neuerung stehe auch bei den Haartieren an, wo ab Neujahr nicht mehr die Schaufeln, sondern das effektive Alter zur Bestimmung der Kategorie zählten. Hierbei biete die App der Anicom die Möglichkeit, per Push-Nachricht über fällige Schlachttermine den Überblick zu behalten, so Simon Zürcher.