Gerade habe ich mich gewaltig aufgeregt. Ich bin in meinem mobilen Büro – sprich im Zug von Zürich nach Bern – unterwegs zur Geschäftsstelle des Schweizerischen Konsumentenforums. Dieser Zug ist ein klassischer Pendlerzug. Viele haben ihr Laptop auf Tischli und Knie und bearbeiten die ersten Mails oder bereiten Sitzungen vor, erstellen Powerpoint-Präsentationen oder sinnieren über die Mitarbeiter. Diese Morgenzüge sind in der Regel zum Bersten voll.

Auch hier in der ersten Klasse kommt es nicht selten vor, dass man es sich auf der Treppe oder auf der Gepäckablage (natürlich nicht diejenige oberhalb der Sitze, das wäre ja schon ein bisschen eng!) einigermassen bequem machen muss. Und trotzdem: Es gibt immer die Spezialisten, die einen Gangplatz besetzen und ihr Köfferli und die Jacke dürfen am Fenster sitzen. Oh, wie sind sie säuerlich, wenn man dann fragt, ob hier noch frei sei, und mit Getöse verräumen sie ihre Siebensachen. Und ich frage mich dann stets, wo wohl Rücksichtsnahme und Empathie geblieben sind. Aber das ist ein Luxusproblem.

Die Konsument(innen) haben die Wahl

Luxus. Ein feines Wort, für viele ein rotes Tuch, weil sie es auf Konsumgüter im hohem Preissegment beziehen, was sie grundsätzlich schlecht finden. Luxusgüter im eigentlichen Sinn sind eine eigene Kolumne wert, heute möchte ich einen anderen Luxus ansprechen. Nämlich die Möglichkeit, jederzeit und überall hochwertige Lebensmittel zu erstehen. Das haben wir einem strengen Lebensmittelgesetz zu verdanken – vor allem aber auch unseren Landwirten, die sich täglich für unseren vollen Einkaufskorb von Fleisch, Gemüse, Früchten, Getreide und so weiter einsetzen. Und wir Konsumenten haben die Wahl. Wir beziehen auf Wochenmärkten, beim Detailhändler, direkt am Hof, beim Comestible, beim Discounter. Dies ganz nach unseren Wünschen und vor allem: nach unserem Budget.

In der Praxis regiert das Portemonnaie

So, jetzt bin ich da, wo ich hinwollte. Nämlich erstens beim Preisvergleich von Bio- und konventionellen Produkten. Jedem Konsumenten, der eine halbe Sekunde nachdenkt, ist klar, dass biologischer Anbau wesentlich aufwendiger ist. Wir wissen es spätestens seit den Pestizid- und Trinkwasserinitiativen, durch welche die Landwirtschaft einmal mehr eine tolle Möglichkeit hatte, sich dem Volk, vor allem den unwissenden und romantisierenden Städtern, zu präsentieren. Der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel hat seinen Preis.

Alles klar. Zahlen wir auch gern, keine Frage. Obwohl, bittere Wahrheit, zahlen wir gern theoretisch. In der Praxis – ich beklage das an dieser Stelle immer wieder – regiert das Portemonnaie. Die Zwischenhändler und die Detaillisten profitieren von der Marke «Bio». Die Margen auf diesen Produkten (beim Fleisch schenkt es ganz besonders ein) sind hoch. Falls der Konsument denkt: «Also, diese 30, 50, 80 Prozent Zuschlag zahle ich gern, das kommt schliesslich den Bauern zugute», dann täuscht er sich gewaltig. Leider fliesst der Grossteil des Mehrpreises eben nicht ins Kässeli der Produzenten. Der Preisdruck auf diese (übrigens egal, ob bio oder konventionell) ist gross. Wer nicht mitmacht, ist draussen und kann schauen, wo er seine Produkte loswird.

Landwirtschaftsprodukte sollten kein Luxus sein

Und zweitens: Diese Abhängigkeit der Produzenten von den Abnehmern macht mir Sorgen. Wir kennen das, seit die Dorfläden verschwanden und die ersten Detailhändler ihre Läden eröffneten. Gar manche Bauern verschrieben sich ganz den neuen, mächtigen Herren und staunten dann nicht schlecht, als sie nach kurzer Zeit das Preisdiktat erdrückte. Der unselige Drang zu «immer billiger», der im neuen Jahrtausend einen weiteren Aufschwung erfahren hat, muss endlich – nicht nur bei den Lebensmitteln – gestoppt werden.

Es kann nicht sein, dass unsere Bauern irgendwann frustriert das Handtuch werfen und dann importiert werden muss. Das wäre das Gegenteil von dem, was wir als Stimmbürger bei den letzten Agrar-Initiativen erreichen wollten. Wer für unsere Lebensmittel zuständig ist, also unsere Bauern, soll auch anständig dafür bezahlt werden. Auch mit dem Risiko, dass für die Grossverteiler und die Detailhändler unter dem Strich dann vielleicht nicht mehr ganz so viel hängenbleibt. Denn unsere Landwirtschaftsprodukte, die sollen sich doch alle leisten können – das sollte kein Luxus sein.

Zur Person:
Babette Sigg ist geschäftsführende Präsidentin des Schweizerischen Konsumentenforums. Sie schreibt für die Rubrik «Arena» im Regionalteil Ostschweiz/Zürich der BauernZeitung.