Die Veranstalter des traditionsreichen Bündner Nutztiermarktes, der «Fiera del Bestiame» auf dem Ospizio Bernina, ziehen eine positive Bilanz. Luigi Giuliani, der den Markt hier auf 2307 m ü. M. seit über 30 Jahren leitet, sagt: «Wir, das heisst vier Bauern, konnten insgesamt acht Kühe und vier Rinder für 2200 bis 4200 Franken verkaufen. Der beste Preis wurde für ein vierjähriges Rind, ein Original Braunvieh ohne Namen aus meiner Zucht erzielt. Neben zwei Viehhändlern kauften auch Bauern aus der Region und aus dem Unterland die mehrheitlich trächtigen Tiere.»

Der Letzte seiner Art

Viehmärkte sind ein beliebter gesellschaftlicher Treffpunkt geblieben, der heute breite Bevölkerungskreise anspricht. Der Verkaufsstand von Lucina Giuliani und ihren Töchtern mit Puschlaver Bioprodukten wie Käse und Salsiz war an der «Fiera Mercato Ospizio» auf dem Berninapass gut besucht. «Es ist heute der letzte noch existierende Viehmarkt auf einem Bündner Alpenpass. Der Markt in San Bernadino machte den Auftakt. Dort schauten die italienischen Käufer vor allem nach den Preisen. Der zweite Markt fand immer mittwochs auf dem Berninapass statt, der dritte in Maloja und zuletzt kam Splügen an die Reihe», erzählt Luigi Giuliani, der seit den 1990er-Jahren mit seiner Familie die «Fiera del Bestiame» auf dem Ospizio Bernina organisiert. Wie es mit dem «Mercato», dem beliebten Viehmarkt, weitergeht, sei «noch offen», sagt der 64-Jährige wehmütig. Seine Tochter Silvia und die Familie unterstützen Luigi und die einzigartige «Fiera».

Gestriegelt und rausgeputzt

Auf dem offiziellen Marktplatz hinter dem 1865 erbauten Ospizio Bernina stehen angebunden die 23 prächtigen Kühe und Rinder in Reih und Glied. Frisch gestriegelt und rausgeputzt präsentieren sich die Kühe Enka, Sindi und Salva sowie die Rinder Suela, Barilla und Lana bei 3 Grad und zügigem Wind dem neugierigen Fachpublikum. Bis zu 80 Tiere wurden hier früher vor grandioser Berg- und Seenkulisse gehandelt. Einmal im Jahr findet Ende August der Viehmarkt statt. Der Platz gehört der Gemeinde Poschiavo. Luigi Giuliani kann sich erinnern, wie in seiner Kindheit die Viehhändler in ihren Arbeitskleidern dort standen und den Handel auf der Wiese abgeschlossen haben: «Wenn man sich einig war, besiegelte man das mit einem Handschlag. Dann war der Kauf getätigt. Man brauchte nichts zu unterschreiben. Das war gültig.» Der Handschlag galt – und gilt auch heute noch. Und später geht man über die Passstrasse ins Ristorante Cambrena von Alice Bontognali-Rossatti und ihrer Tochter zu Trippa alla Milanese – Kutteln nach Mailänder Art.

Als die Viehhändler Rudolf Peter und seine Partnerin Christiana Fischer aus Rongellen GR vor 30 Jahren an den Bernina-Viehmarkt kamen, gab es noch viel mehr Vieh und Verkaufsstände, erinnern sie sich. «Der gesamte Handel läuft momentan harzig. Unser Viehhandel ist eine Dienstleistung und beruht auf Vertrauen und Beziehung», erklärt Rudolf Peter.

Ein Stück Kulturgut

Für den Engadiner Bauer Simon Willy aus Champfèr dient der Markt auch dazu, aufzuzeigen, wie sorgsam Landwirte mit ihrem Vieh und der landwirtschaftlichen Nutzfläche umgehen und etwas Respekt für ihre Arbeit erlangen. «Ich habe früher auch Tiere hier verkauft oder dazugekauft. Der Markt ist interessant und man kommt mit vielen in Kontakt. Alles ist sehr persönlich und ich fahre gerne auf den Pass», erklärt er seine Liebe zur «Fiera del Bestiame» gegenüber der BauernZeitung.

Elmar Bigger, 73, früherer SVP-Nationalrat aus Vilters-Wangs SG, seit 53 Jahren Älpler auf Marguns sowie Laret bei Celerina GR: «Früher kaufte ich hier Tiere. Heute komme ich aus Neugier und als ein Freund der ‹Fiera del Bestiame› auf den Berninapass. Es ist ein Stück Kulturgut.»