«Die Schweizer Landwirtschaft ist systemrelevant», sagt Matthias Gerber. Der Präsident der Vereinigung Mutterkuh Schweiz begrüsste am 30. März 2022 in der Vianco-Arena Brunegg AG über 200 Teilnehmende zur 45. Vereinsversammlung. Diese Systemrelevanz zeige der Welthandel auf, welcher derzeit aus den Fugen gerate, so Gerber mit Blick gegen Osten.

Vollgas statt Absenkpfad wegen Ukraine-Konflikt?

Dem an der Versammlung gelisteten Redner Christian Hofer, Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW), stellte Matthias Gerber die Frage, ob der Ukraine-Krieg nicht dazu beiträgt, dass nach der AP 22+ auch die Parlamentarische Initiative sistiert werden könnte. «Es werden immer mehr Stimmen laut, die anstelle eines Absenkpfads Vollgas fordern», begründete Gerber.

Christian Hofers Ausdruck am Rednerpult liess erkennen, dass er diese Frage in den letzten Tagen – ja Wochen – wohl nicht das erste Mal beantwortete. «Grundsätzlich entscheiden der Bundesrat und das Parlament, wie es mit der Landwirtschaft weitergeht», nahm Hofer den Anwesenden die Hoffnung, mehr zu erfahren. Allgemein gehe man in der Schweiz davon aus, dass dieses Jahr sehr gut zu bewältigen sei, was die Versorgung anbelange, erklärte Hofer. «Das Thema Ernährungssicherheit nimmt aber an Stellenwert zu», sagt er weiter. «Wir haben 3600 ha Brache in der Schweiz – und 400 000 ha Ackerfläche», fasste er zusammen. Eine Produktionsfreigabe dieser 3600 ha würde die Hebel aufgrund der fehlenden Dimension aber nicht am richtigen Ort ansetzen, ist der BLW-Direktor sicher. «Das würde nicht reichen.»

Unterschiedliche Akzeptanz in der Branche

Christian Hofer fasste in seinem Referat zusammen, was nach der Sistierung der AP 22+ auf politischem Parkett alles geschah. Er zeigte auf, welche Punkte im Verordnungspaket zur Änderung des Landwirtschaftsgesetzes für die anwesenden Mutterkuhhalter relevant sind. «Die Vernehmlassung hat gezeigt, dass dieAkzeptanz im Bereich des Absenkpfads Pflanzenschutz gross ist», so Hofer. Bei den Nährstoffen sehe es aber etwas anders aus. Dort seien die Rückmeldungen zahlreicher und widersetzlicher eingegangen. «Der Bundesrat nimmt diese Rückmeldungen auf», stellte Hofer in Aussicht.

Winterauslauf soll gestrichen werden, wird gefordert

So wurde beispielsweise beim Weidebeitrag, der als Ergänzung zu den Tierwohl-Programmen BTS und RAUS zum Einsatz kommen soll, von mehreren Exponenten gewünscht, statt der 80 % TS-Aufnahme auf der Weide nur etwa 55 bis 60 % zu verlangen. Auch die 26 Tage Winterauslauf, die beim Weidebeitrag gefordert würden, sollen gestrichen werden, verlangen mehrere Exponenten mit der Begründung, die Massnahme sei für Bergbetriebe und Anbindeställe unrealistisch.

Auch die Förderung einer verlängerten Nutzungsdauer kommt nicht nur gut an. «Vereinzelt wird gar die Streichung gewünscht», so Hofer.

«Weidefleisch und Klima»

Die Mutterkuhhalter dürften diesen Änderungen aber relativ entspannt entgegenblicken. Ihre Label haben nämlich bezüglich Nachhaltigkeit einen sehr hohen Standard. Das zeige sich beispielsweise in der Verbesserung der Nutzungsdauer, was auch eine positive Klimawirkung hat. «Keine Zeit zum Ausruhen», sagt Geschäftsführer Urs Vogt. Nach der Definition der Nachhaltigkeitsbereiche startet deshalb das Projekt «Weidefleisch und Klima», das zum Ziel hat, die Leistungen der Mutterkuhbetriebe nach internationalen Standards messbar zu machen. Sie soll die Weidehaltung ins richtige Licht rücken.