Mit dem Bau des neuen Schlachthofs in Oensingen SO geht einerseits eine Ära zu Ende und gleichzeitig startet eine neue. Die Nutzungsdauer des bisherigen Schlachthofs, der 1971 errichtet und seitdem mehrfach erneuert und ausgebaut wurde, läuft aus – das neue Logistik-Center und der Rindvieh-Schlachthof sind in der letzten Bauphase. Ende 2025 soll der Betrieb auf dem fast 3-ha-grossen Gelände aufgenommen werden.

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Bell will neue Massstäbe setzen

Der neue Rinderschlachthof, in den Bell 135 Millionen Franken investiert, setzt neue Standards in Tierwohl, Hygiene und Effizienz, heisst es im Eingangsreferat von Lorenz Wyss, dem ehemaligen CEO der Bell Food Group​. Und da scheinen tatsächlich neue Massstäbe gesetzt worden zu sein. Um unnötigen Stress zu vermeiden, wurden die Buchten und vor allem der Treibweg hin zum Betäubungsraum so angelegt, dass die Tiere möglichst von sich aus vorwärtsgehen.

Das Konzept ist inspiriert von den Prinzipien von Temple Grandin, der US-amerikanischen Spezialistin für den Entwurf von Anlagen für die kommerzielle Viehhaltung. Dazu gehört auch, dass der gesamte Bereich von der Entladestation, Zutrieb, bis hinauf zur Betäubungsbucht spürbar nach oben geneigt ist, weil die Tiere lieber nach oben laufen als nach unten, wie auf dem Rundgang erklärt wurde.

Ein spezieller Treibgang mit Kurven

Auch der Treibweg führt relativ steil nach oben und ist mit zwei Kurven versehen, damit der natürliche Herdentrieb der Tiere genutzt werden kann. Weitere Aspekte sind die Geräuschreduktion, die Lichtverhältnisse sowie der Luftstrom. Dieser ist in Laufrichtung ausgelegt, da die Tiere Gegenwind nicht mögen. «Die Kombination all dieser Standards ist etwas, dass man in keinem anderen Schlachthof auf der Welt antrifft», bekräftigt Lorenz Wyss im Gespräch mit der BauernZeitung.

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Die Schlachtkapazität würde bei der Inbetriebnahme voraussichtlich zwar die gleiche sein, wie dies im jetzigen Schlachthof der Fall ist, der 1971 gebaut wurde, so Bell-CEO Marco Tschanz​. Die Projektverantwortlichen rechnen aber damit, dass mit der Schliessung des Schlachthofs in Zürich eine graduelle Zunahme des geschlachteten Rindviehs in Oensingen zu verzeichnen sein wird. Aktuell geht man von einer Produktivitäts-Steigerung von 60 Tieren pro Stunde auf 120 Tiere pro Stunde aus.

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Insgesamt 680 Millionen investiert

Insgesamt wurden rund 680 Millionen Franken in die vier neuen Betriebe und das Parkhaus investiert. Fokus beim Neubau war auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bezüglich Ergonomie, Licht und Arbeitsfläche, heisst es. Die vollautomatisierte Fördertechnik des neuen Logistik-Centers, in dem jetzt schon Gebinde mit Probegewichten im Testdurchlauf sind, ermögliche kürzere Bestell- und Lieferrhythmen und damit eine schnellere Warenbewirtschaftung.

Dies reduziere wiederum Food Waste bei den nachgelagerten Stufen, so die Bell Food Group. Das neue Tiefkühl-Center, das im vergangenen Jahr in Betrieb ging, würde den Energieverbrauch in diesem Bereich um 50 % senken, zumal die Gebäude über einen Minergie-Standard verfügen, Abwasser rezykliert wird und das Zentrum an einem Wärmeverbund angeschlossen ist.

Vom Ausland gelernt

«Wir wollten von den allerbesten lernen, deshalb besuchten wir jeden Kontinenten», sagte Lorenz Wyss. Angesprochen auf die teils prekären Tierwohl-Begebenheiten im Ausland stellte der ehemalige CEO klar: «Wir liessen uns vor allem in Bezug auf die Hygienestandards von ausländischen Modellen inspirieren, nicht von deren Tierwohl-Standards», so Wyss.