Der Bodenfruchtbarkeitstag am Strickhof vom 19. September ist mit über 100 Teilnehmern auf grosses Interesse gestossen. Als Referenten eingeladen waren die deutschen Fachmänner für Regenerative Landwirtschaft, Friedrich Wenz und Dietmar Näser. Die beiden kommen seit Jahren für Kurse und Vorträge in die Schweiz und haben sich dadurch auch hierzulande einen Namen gemacht. Daher verwundert es nicht, dass die Teilnehmer nicht nur aus den umliegenden Kantonen kamen, sondern auch von weiter weg.

Am Vormittag gaben Wenz und Näser in Lindau einen theoretischen Einblick in die Regenerative Landwirtschaft (siehe Kasten unten stehend). Der Nachmittag dagegen war der Praxis gewidmet und fand bei schönstem Wetter auf einer Biowiese des Strickhof-Partnerbetriebes Stiegenhof im wenige Kilometer entfernten Oberembrach statt.

Was sagt das Handgefühl?

Nach einer Futterweizenernte wurde auf der Versuchswiese am 16. August Wintergrün gesät, eine Mischung aus winterhartem Roggen, Wicken, Klee, Rübsen und Triticale. Es gab unterschiedliche Testanordnungen: Pflug mit und ohne Untersaat, Mulchsaat mit und ohne Bodenbearbeitung sowie das System Flächenrotte mit Untersaat.

Nun sollen Spaten- und Sondenproben zeigen, wie sich die Bodengare unter den verschiedenen Bedingungen entwickelt hat. Friedrich Wenz und Dietmar Näser sind sichtbar in ihrem Element, wenn sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den Teilnehmenden teilen. Sie erzählen und erklären abwechslungsweise als eingespieltes Team. "Regelmässige Gareproben sind wichtig, um dem Landwirt ein Bild zu verschaffen, wie das Bodenleben auf meine Arbeiten reagiert", sagt Näser. "Daher gehören Spaten und Bodensonde zur alltäglichen Ausrüstung." Die Sonde werde dabei lediglich in die oberste Erdschicht von wenigen Zentimetern gestochen. Das Handgefühl beim Einstechen zeigt, ob die Gare zu- oder abnimmt. Das verändert sich bereits innert ein, zwei Wochen. Mit dem Spaten, so Wenz, wird dagegen ein Erdziegel abgestochen und genauer untersucht:

Krümel: Zunächst wird angeschaut, ob die Erde aus lockeren, runden Krümeln besteht – was idealerweise der Fall ist. Gibt es eckige Krümel oder gar grobe Klumpen, haben sich die Bo-denmikroben noch zu wenig Platz verschaffen können.

Gleichmässigkeit: Unregelmässige Erdklumpen weisen darauf hin, dass noch nicht genügend Stoffwechsel stattgefunden hat. Je homogener die Erde, desto aktiver das Bodenleben.

Bodenfarbe: Dazu braucht es immer einen Vergleich mit einer weiteren Probe. Braune Farbtöne deuten auf einen aktiven ­Boden hin, Grau, Schwarz und Weiss hingegen auf wenig Bodenleben. Unterschiedliche Farbtöne weisen darauf hin, dass bestimmte Mineralien in grösseren Mengen ungebunden, also noch nicht verstoffwechselt, vorhanden sind.

Geruch: Degustieren ist ein Muss! Riecht die Erde mineralisch – oder konkreter – nach Karotten oder Wald, ist bereits Humus gebildet worden. Riecht es nach nichts oder noch schlimmer – stinkt es –, hat sich noch kein aktives, humusbildendes Bodenleben etabliert.

Wurzeln: Haben sich bereits längere, feinere Wurzeln gebildet, weist dies auf ein aktives Zusammenspiel zwischen Pflanze und Bodenmikroben hin – also positiv. Knöllchen an den Seitenwurzeln von Leguminosen zeigen eine hohe Stickstoffkonzentration im Boden an.

Bei der Testwiese auf dem Stiegenhof zeigt sich bei keiner der Bodenproben eine deutlich fortgeschrittene Bodengare. Am schlechtesten schneiden die Proben der gepflügten Feldareale ab: Sie sind stark verdichtet, die Saat mit Wintergrün zeigt wenig Wurzelbildung. Etwas besser sieht es bei den Proben mit der Mulchsaat aus. Am besten schneidet das System Flächenrotte ab, bei dem die Untersaat mit einer Fräse geschnitten und gleich anschliessend flach in den Boden eingearbeitet wurde. Das Rezept für künftig bessere Resultate: "Das Feld am besten weiterhin mit begrünt lassen, Pausen zwischen Ernte und Ansaat sollen höchstens zwei Wochen dauern", rät Friedrich Wenz. Um dann die Humusbildung zu steigern, empfiehlt sich laut Wenz und Näser organischer Dünger in Form von fermentierter Gülle. Mit der Fermentation kann der Wert der Gülle erhalten oder sogar gesteigert werden, indem der Eiweisszerfall, was sich als "Stinken" bemerkbar macht, gestoppt wird. Sind die Pflanzen bereits am Wachsen, können sie mit einer Blattdüngung vitalisiert werden. Dazu eignet sich Komposttee, den man selber aufbereiten kann. Wichtig sind zudem regelmässige Bodenproben mit Bodensonde und Spaten, um zu überprüfen, ob die Bodengare auf gutem Weg ist. Mit der Zeit soll sich ein Gespür dafür entwickeln.

Grössere Zusammenhänge

Darüber hinaus empfehlen die Fachmänner von Zeit zu Zeit eine chemische Bodenanalyse. So lassen sich weitere Aussagen auch durch den pH-Wert und die Basensättigung machen. Sind beispielsweise bestimmte Mikronährstoffe in zu hoher Konzentration vorhanden, können andere dadurch bei der Aufnahme ins Wurzelsystem blockiert werden. So kann es etwa bei hohen Eisen- und Manganwerten zu einem Kupfermangel kommen. Zuviel Phosphor reduziert die Zinkverfügbarkeit, was bei der Futterproduktion wichtig ist: "Werden Tiere zu wenig mit Zink versorgt, leiden Hautgesundheit, Klauen und Fruchtbarkeit darunter. Bei Kupfermangel drohen Viruserkrankungen", erklärt Dietmar Näser. "Dies ist ein Beispiel dafür, wie Ungleichgewichte im Boden in grössere Zusammenhänge zu setzen sind. Befindet sich der Boden in einem natürlichen Gleichgewicht, wirkt sich dies positiv auf viele Faktoren aus." Ein gesunder Boden kann gemäss Näser und Wenz auch besser mit klimatischen Schwankungen umgehen, weil er unter anderem ein guter Wasserspeicher ist.

Robuste Pflanzen

Von der Regenerativen Landwirtschaft wird man wohl auch in Zukunft hören: «Um ohne Pflanzenschutzmittel und bei Klimaveränderungen weiterhin gute Qualität und Erträge zu erzielen, braucht es gesunde und robuste Pflanzen», sagt Felix Zingg vom Strickhof. "Dazu müssen wir dem Boden Sorge tragen. Die Regenerative Landwirtschaft ist ein möglicher Weg dahin." Gesponsert wurde der Bodenfruchtbarkeitstag vom Ackerbauring Zürich Schaffhausen. Anno Lutke Schiphold, Mitbegründer des Ackerbaurings, macht auf regelmässige Kurse mit Friedrich Wenz und Dietmar Näser aufmerksam.

Weitere Informationen:www.gruenebruecke.dewwwhumusfarming.de, www.ackerbauring.ch

 

 

Regenerative Landwirtschaft

Die Regenerative Landwirtschaft wurde ursprünglich in den 1970er-Jahren in den USA entwickelt. Dabei geht es darum, das Bodenleben mithilfe von Pflanzen wiederherzustellen. Die Photosynthese der Pflanzen liefert die Energie, die es braucht, um den Austausch mit den Bodenmikroben zu beleben. Im Bereich der Wurzeln siedeln sich Mikroben an, die Wasser, Nährstoffe und Antibiotika liefern und zudem die Bodenstruktur und den Humus bilden. Wichtig ist dabei, den Boden dauerhaft zu begrünen, und zwar möglichst mit verschiedenen Pflanzenfamilien. Während viele Pflanzenarten eher mit nützlichen Bodenbakterien verschiedener Art interagieren, bilden andere – insbesondere Gräser – Gemeinschaften mit Pilzen, die für das Bodenleben ebenfalls unabdingbar sind. Selbst Nährstoffe, die im Boden bereits in Fülle vorhanden sind, werden für Pflanzen erst durch ein aktiviertes Bodenleben leicht und bedarfsgerecht verfügbar. Die aktivierten Bodenmikroben bilden den Humus. Von einer Bodengare spricht man, wenn sich das Wurzel-Krümel-Netz ausbildet. Das geschieht mit den gleichen Massnahmen, die für hohe Erträge notwendig sind.

Fünf Schritte zur Bodengare:

  • Bodenbelebende Düngung
  • Unterbodenlockerung, welche die Gare fördert
  • Vielfältige, weitgehend andauernde Begrünung
  • Flächenrotte mit der Gründüngung vor der Wiederbestellung
  • Vitalisierende Blattspritzungen