«Viele Beobachter hat es überrascht, wie schnell und stark das Schweizer Butterlager im letzten Frühsommer gestiegen ist», erinnert sich Peter Hegglin. Der Präsident der Branchenorganisation Milch (BOM) verdeutlichte an der diesjährigen DV den schmalen Grat zwischen zu viel und zu wenig Milch. Vor allem in der zweiten Jahreshälfte 2024 sei deutlich spürbar gewesen, dass es in ein «Zu viel» gekippt sei, führte BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler aus.
Nicht mehr Milch verkäst
Kohler lieferte Zahlen zur Entwicklung des Milchmarkts im letzten Jahr. So stieg zwar die produzierte Käsemenge um 3,2 Prozent, da es sich dabei aber um weniger Vollfettkäse handelte, blieb die verkäste Milchmenge trotzdem mit plus 0,2 Prozent nahezu konstant. «Die Käselokomotive zieht weniger, als die Statistik vermuten lassen würde», schlussfolgerte er.
Angesichts der Gesamtlage mit steigendem Veredelungsverkehr und hohen Butterlagern hat die BOM «zum ersten Mal seit vielen Jahren» wieder Regulierungsbedarf festgestellt und ihr Fondsreglement an einer ausserordentlichen DV im vergangenen Herbst angepasst (wir berichteten). Die damals beschlossenen Massnahmen hätten rasch Wirkung gezeigt, resümierte Peter Hegglin. «Unter anderem dank dieser Beschlüsse präsentiert sich der Schweizer Milchmarkt wieder um einiges stabiler als vor neun Monaten.»
Unsicherheiten bleiben bestehen
Insgesamt habe die Stabilität zugenommen, stimmte Kohler zu, «sie bleibt aber wacklig». Erfreulicherweise hat sich Toblerone, deren Abkehr von Schweizer Rohstoffen ein Haupttreiber für die Zunahme des Veredelungsverkehrs war, erst kürzlich wieder zur Swissness bekannt.
Es bleiben aber Unsicherheiten bezüglich Tierkrankheiten (Blauzunge und damit einhergehender, möglicher Rückgang der Milchproduktion), Zolldiskussionen (ausgelöst durch US-Präsident Donald Trump) und dem sinkenden US-Dollar-Wechselkurs (verteuert den Käseexport). Mit über 17 Millionen Franken im Fonds Rohstoffverbilligung ist die BOM zumindest derzeit «gut gebettet», wie Stefan Kohler meinte, «aber wahrscheinlich werden wir dieses Geld in den nächsten Jahren brauchen.»
Schlanker Rechner
Die Kommissionsmotion «zur Stärkung der Milchproduktion im Grasland Schweiz» bezeichnete Stefan Kohler als «erfreuliche Geschichte». Martin Hübscher, Nationalrat und Mooh-Präsident, betonte, wie wichtig es sei, diesem Vorstoss auch in der Grossen Kammer zum Durchbruch zu verhelfen. Da die Nachhaltigkeit der Milchproduktion dabei ein grosses Thema in den Diskussionen sei, hält er die Einführung des Klimarechners der BOM, der ab 2026 für die Betriebe auf freiwilliger Basis in Form eines Barto-Bausteins verfügbar sein soll, für wichtig. Es brauche wissenschaftliche Daten und ein Image als Branche, die vorwärtsgeht, um Kritik zu kontern.
«Mit dem Grünen Teppich und dem Klimarechner haben wir gezeigt, dass die Milchbranche nicht nur Wasser predigt und Wein trinkt», stiess Peter Hegglin ins selbe Horn. Dank vieler Schnittstellen, etwa zur TSM und TVD sei der BOM-Klimarechner nicht nur weniger fehleranfällig, sondern auch schlank in der Dateneingabe, so Stefan Kohler. Die Investitionen für das Tool, das u.a. in Zusammenarbeit mit der HAFL entwickelt worden ist, sollen mit 200 000 Franken auf mehrere Jahre verteilt werden. Für 2025 liegen die Kosten höher, weshalb die BOM noch ein Finanzierungsmodell finden muss. «Aber wir schaffen das», ist Kohler überzeugt.
Auch zwei für sie weniger erfreuliche politische Geschäfte beschäftigen die Milchbranche: Die Motion Nicolet und die Initiative für eine sichere Ernährung, an deren Bekämpfung sich die BOM mit 100 000 Franken beteiligt.
Vorschlag mit Bedingung
Bei der Motion Nicolet habe man «nach langem Pickeln» einen Durchbruch erreicht, freut sich Stefan Kohler. Die BOM konnte dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) einen Lösungsvorschlag unterbreiten, wie die aus ihrer Sicht z. T. auf dem Markt unrealistischen Forderungen umzusetzen wären. Dieser Entwurf enthält keine Koppelung der Richtpreise an die Verkäsungszulage und lässt den Sortenorganisationen freie Hand bei der silofreien Milch, setzt aber Mindestrichtpreise für «Käse mit guter Wertschöpfung» bzw. «Käse in preissensiblen Marktsegmenten» (beides ist noch zu definieren) sowie sortenfreien Käse. «Wenn das Parlament aber so strenge Vorgaben macht, müssen sie allgemeinverbindlich sein», hielt Stefan Kohler die Bedingung der BOM fest. Käser und Milchproduzenten sind laut Kohler für diesen Vorschlag entgegengekommen, der nach der Bearbeitung im BLW ins Parlament gehen wird.
Dort ist die BOM nicht nur mit Peter Hegglin im Ständerat und Martin Hübscher im Nationalrat präsent, sondern auch mit Raclettekäse: «Sage und schreibe» 145 Parlamentarier(innen) seien im letzten September der Einladung zum Raclette-Abend im Bundeshaus gefolgt, schilderte Stefan Kohler. «Wir hatten extrem gute Gespräche.»
Um die Anliegen der Milchbranche durchzubringen, brauche es gut informierte Politiker, sagte Hegglin. Daher soll der jährliche parlamentarische Raclette-Abend zur Tradition werden. Der Käse scheint jedenfalls geschmeckt zu haben – 35 Kilo haben die Gäste geschmaust. «Wir mussten noch nachkaufen», bemerkte Kohler.
Gleiche Regeln für alle
Die Erneuerung der Allgemeinverbindlichkeit des Reglements Standardvertrag Segmentierung und Richtpreise bezeichnete Stefan Kohler als das eigentlich wichtigste Geschäft der DV. Die Segmentierung sei die Antwort der Branche, um im teil-liberalisierten Markt bestehen zu können und die Allgemeinverbindlichkeit in der Branche unumstritten. «Klare Regeln für alle schaffen Verbindlichkeit», so Kohler. Der Standardvertrag soll geringfügig geändert werden, nämlich mit der Vorschrift der Einhaltung des Grünen Teppichs auch für Nicht-BOM-Mitglieder. Zu diesen gehört insbesondere die Migros-Tochter Elsa. «Es gibt von Elsa keine Signale, dass sie sich nicht daran halten will», stellte Kohler klar. Aber der Entscheid erhalte durch die Zustimmung des Bundes viel mehr Gewicht, als wenn er nur in der Branche gefallen wäre. Die Delegierten sprachen sich einstimmig ohne Enthaltungen für ein Gesuch an den Bundesrat zur Erneuerung der Allgemeinverbindlichkeit aus.