Seit gut einem Jahr ist Christoph Böbner, Bauernsohn aus dem luzernischen Entlebuch, Leiter am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach BL. Böbner ist nach wie vor ein grosser Anhänger des Schwingsports. So war er einst als Böser selbst im Sägemehl anzutreffen. Gerne hätte er seinerzeit einen eidgenössischen Kranz mit nach Hause geholt – gereicht hat es nicht.

Eigentlich wollte Böbner Schreiner werden. Dank einer Schwester schlug er dann aber eine andere Laufbahn ein. So war er unter anderem Vizedirektor am Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Leiter der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) im Kanton Luzern und Direktor beim Genetikanbieter Swissgenetics.

Die BauernZeitung hat ihn getroffen und wollte wissen, wie er aufgewachsen ist, welche Herausforderungen anzupacken sind und wo den Bäuerinnen und Bauern aktuell der Schuh drückt.

Christoph Böbner, Sie sind auf einem Bauernhof im Entlebuch LU aufgewachsen. Erzählen Sie von Ihrer Jugendzeit.

Christoph Böbner: Meine Eltern hatten einen 14 Hektaren grossen Milchwirtschaftsbetrieb mit braunen Kühen in den Bergzonen I und II. Meine zwölf Geschwister und ich mussten schon früh auf dem Betrieb mit anpacken. Als Zweitjüngster war für mich vor und nach der Schule die Arbeit im Stall angesagt, speziell auch am Mittwoch- oder Samstagnachmittag. Mein Vater konnte nicht gross in den Betrieb investieren, musste immer schauen, dass er die Familie mit 13 Kindern durchbrachte. In der 6. Klasse hat mich dann die zweitälteste Schwester für eine nachträgliche Aufnahmeprüfung an der Kanti, also dem Gymnasium, angemeldet. Obwohl der Anmeldetermin schon vorbei war, konnte ich antraben und wurde aufgenommen. Hätte ich nach der Matura nicht einen akademischen Weg eingeschlagen, hätte ich wahrscheinlich Schreiner gelernt, denn ich habe immer gerne mit Holz gearbeitet. Später habe ich Agronomie an der ETH Zürich studiert und dort auch doktoriert. Meine erste Stelle war dann beim Schweizerischen Braunviehzuchtverband, was damals ein Glücksfall war.

Mit wem zusammen haben Sie an der ETH studiert?

Es waren viele Leute, die heute bekannt sind. Ich war zum Beispiel in der gleichen Klasse wie Stefan Felder und Hansjörg Bigler (beide ehemalige Swissgenetics-Mitarbeiter, anm. d. Red.), auch Peter Spring, Leiter Fachbereich Agronomie an der HAFL in Zollikofen BE, war in unserer Klasse.

Und wie sind sie zum Schwingsport gekommen?

Ich habe in den 1970er-Jahren zwei Jahre an Buebeschwinget mitgemacht und bin dann erst später im Alter von 19 Jahren so richtig zum Schwingsport gekommen. Insgesamt habe ich 18 Kränze geholt, leider blieb mir ein Eidgenössischer Kranz verwehrt, obwohl ich an drei Eidgenössischen Schwing- und Älplerfesten teilnehmen durfte. Ein grosses Highlight war für mich jeweils der Rigi-Schwinget, wo ich zweimal antrat und beide Male den Kranz holen konnte. Ich hätte klar mehr Zeit in die Trainings investieren müssen, damit es zu mehr gereicht hätte. Ich war in dieser Zeit auch nie schwerer als 89 kg.

«Die Berner haben zurzeit eine unglaubliche Macht.»

Mit welchen Schwinger haben Sie damals zusammengegriffen und wer wird dieses Jahr Schwingerkönig?

Der spätere Schwingerkönig Harry Knüsel war damals legendär. Knüsel war für mich unbesiegbar. Thomas Sutter, der auch einmal Schwingerkönig wurde, durfte ich einmal in einem Gang bezwingen. Legendär waren sicher in dieser Zeit auch Leo Betschart, Geni Hasler oder Silvio Rüfenacht. Wer dieses Jahr Schwingerkönig wird, ist schwer zu sagen. Aktuell sind sicher ein Dutzend Schwinger Anwärter auf den König. Relevant ist für mich, wer den Brünigschwinget und/oder das Berner Kantonale gewinnen wird. Die Berner haben zurzeit eine unglaubliche Macht, allen voran mit Fabian Staudenmann, Michael Moser oder Adrian Walther. Da wird es schwer, ihnen den Königstitel dieses Jahr streitig zu machen. Doch auch Samuel Gyger, Armon Orlik, Pirmin Reichmuth oder Joel Wicki gehören für mich zu den Top-Favoriten.

Seit gut einem Jahr sind Sie Leiter am Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung in Sissach BL. Wie wurden Sie aufgenommen und wie haben Sie sich in dieser Zeit eingelebt?

Ich wurde im Baselbiet sehr herzlich aufgenommen. Mein Chef ist Thomi Jourdan, ein junger, dynamischer Regierungsrat, der sich sehr für die Landwirtschaft engagiert. Das Baselbiet und die Leute hier sind mir schon nach kurzer Zeit sehr ans Herz gewachsen. Topografisch und strukturell gibt es einige Parallelen zwischen dem Entlebuch und dem Oberbaselbiet. Die Bäuerinnen und Bauern nehme ich hier fortschrittlich und unternehmerisch wahr. Vielleicht hat dies auch mit der Nähe zur Stadt Basel zu tun. Auch grenzt der Kanton an Deutschland und Frankreich. Die Landwirtschaft muss hier einen engen Kontakt mit dem Konsumentinnen und Konsumenten pflegen, denn schnell ist man hier über der Grenze in Frankreich oder in Deutschland, wo die Lebensmittel billiger sind. Aufgrund dieser geografischen Lage und wegen der agronomischen Rahmenbedingungen ist die Basler Landwirtschaft sehr vielseitig und unternehmerisch unterwegs.

Was sind aus ihrer Sicht die grössten Herausforderungen der Landwirtschaft in den Kantonen Basel-Landschaft und Basel-Stadt?

Ein sehr wichtiges Thema in der Nordwestschweiz ist sicher der Umgang mit den schadstiftenden Organismen und teilweise auch neuen, invasiven Schädlingen. Die Blauzungenkrankheit hat im Jurabogen enorme Schäden auf den Tierhaltungsbetrieben verursacht. Zudem kommt die Afrikanische Schweinepest ASP immer näher. Da wir im Kanton eine hohe Dichte an Wildscheinen haben, macht uns die ASP grosse Sorgen. Auch der Japankäfer macht sich langsam breit in der Nordwestschweiz. Schliesslich ist in der Nordwestschweiz der Umgang mit extremen Wettersituationen –Trockenperioden, Starkniederschläge – herausfordernd, weil die Kalkböden rasch abtrocknen. Im Weiteren müssen wir auch mit knappen Kantons-Finanzen zurechtkommen.

Von 2004 bis 2009 waren Sie Vizedirektor des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Ich war fünf Jahre lang beim BLW und durfte dort den Direktionsbereich «Direktzahlungen und der Ländlichen Entwicklung» (Strukturverbesserungsmassnahmen) mit einem rund 50-köpfigen Team leiten. Es war eine spannende Zeit mit grossartigen Mitarbeitenden. Was viele nicht wissen, ist, dass viele Leute, die beim BLW arbeiten, aus der Landwirtschaft kommen oder direkt Bauernsöhne oder Bauerntöchter sind. Denn uns wurde oft vorgeworfen, dass wir nur Theoretiker seien und weit weg von der Praxis argumentieren würden. In meiner BLW-Zeit wurde zum Beispiel die Abschaffung der Milchkontingentierung vollzogen und auch der Markt wurde liberalisiert. Was damals viele Landwirte sicher nicht verstanden haben. Man muss aber eines sehen: Im Jahr 1951 wurde das Landwirtschaftsgesetz durch das Parlament geschaffen. Mit dem Gesetz wurde den Bauern Danke gesagt. Danke, dass sie während des Zweiten Weltkrieges die Ernährung für die Bevölkerung sicherstellten. Der Bundesrat sagte den Bauern damals: Produziert, wir schauen schon, dass wir eure Produkte verkaufen können.

«Wegen des Grenzschutzes ging ein Raunen durch die Branche.»

Und was passierte danach?

Den Bauern musste man das nicht zweimal sagen. Sie produzierten auf Teufel komm raus drauflos. Dies war auch mit ein Grund, warum man in den Jahren 1977/78 die Milchkontingentierung einführte. Denn die Milchrechnung knackte damals zum ersten Mal die Milliarden-Grenze. Für jedes exportierte Kilogramm Käse musste der Bund mit 10 Franken den Export unterstützen. Als Folge dieser Überproduktion wurden auch die ersten ökologischen Schäden sichtbar.

Wie haben dann die Bauern reagiert?

Als im Jahr 1986 die WTO-Verhandlungen kamen und ab 1993 der Grenzschutz schrittweise abgebaut werden musste, ging ein Raunen durch die Branche. Auch damals waren die Bauern nicht einverstanden damit. Zu Recht, denn 1991 realisierten sie einen durch den Bundesrat festgelegten Milchpreis von Fr. 1.07. Man ging schon nach der Öffnung der Grenze davon aus, dass dieser auf 30 %, auf 70 Rappen herunterfallen könnte. Damit man den Einkommensrückgang auffangen konnte, wurden Direktzahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen eingeführt. Mit der AP 2014/17 wurden die Direktzahlungen an die Bundesverfassung (Art. 104) angehängt. Für die Landwirtschaft ist es heute schwer nachvollziehbar, dass Versorgungssicherheitsbeiträge, Biodiversitätsbeiträge oder Tierwohlbeiträge mehr abgegolten werden als die Preise am Markt. Eines darf man aber nicht vergessen: Dank der Koppelung der Direktzahlungen an den Art. 104 der BV hat die Landwirtschaft fast jede Sparrunde des Bundes einigermassen gut überstanden.

Wie ging es dann nach der BLW-Zeit weiter?

Nach fünf Jahren beim BLW habe ich mich dann entschieden, dem Ruf der Luzerner Regierung zu folgen und die Leitung der Dienststelle Landwirtschaft und Wald Lawa im Kanton Luzern zu übernehmen. Mitverursacht hat diesen Wechsel auch die familiäre Situation mit drei kleinen Töchtern und dem langen Arbeitsweg nach Bern.

Sie waren danach bei Swissgenetics tätig. Ihr Arbeitsverhältnis endete dort abrupt. Was ist passiert?

Vor sieben Jahren habe ich die Leitung von Swissgenetics übernommen und mit dem vormaligen Präsident Dominique Savary eine gute, aber während Corona auch anspruchsvolle Zeit erlebt. Swissgenetics ist und bleibt ein toller Arbeitgeber mit sehr motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wegen unterschiedlicher Auffassung über die Führung des Unternehmens habe mich danach entschieden, mich neu zu orientieren.

Vizedirektor beim BLW, Chef beim Lawa und Direktor bei Swissgenetics. Wie können Sie als Ebenrain-Leiter davon profitieren?

Ich kann von meinen Erfahrungen beim Bund, aber auch von den Netzwerken, die ich in meiner vorherigen Aufgabe beim Kanton Luzern aufgebaut habe, heute sehr stark profitieren. Denn das Landwirtschaftsrecht ist ein enges Miteinander von Bund und Kanton. Das Landwirtschaftsgesetz ist grossmehrheitlich ein Bundesgesetz, der Vollzug des Gesetzes obliegt dann aber den Kantonen.

Neben all den genannten Herausforderungen: Mit welchen Fragen muss sich die Landwirtschaft in Zukunft weiter auseinandersetzen?

Es wird künftig zusehend eine Herausforderung werden, gutes Fachpersonal zu rekrutieren. Denn in den kommenden Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge 1960 bis 1965 aus dem Berufsleben ausscheiden. Die Nachfolgeplanungen gilt es daher frühzeitig anzugehen. Diese Situation müssen wir sicher weiter im Auge behalten.