Seit Mitte März ist der Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus als neuer Präsident des Zuchtverbandes CH-Sportpferde (ZVCH) im Amt. Im Interview erklärt er, wie er die erste Zeit in seinem neuen Amt erlebte und warum die Warmblutzucht vor einer grossen Herausforderung steht.

Herr Neuhaus, wie haben Sie den Start in Ihr Amt erlebt?

Christoph Neuhaus: Starten durfte ich mit einem motivierten, kompetenten Vorstand, einer gut eingespielten Geschäftsstelle und unzähligen interessanten Begegnungen. Ich lerne laufend spannende neue Züchtende kennen, auch bei anderen Rassen. Aber ich begann in einer schwierigen Zeit und es bleibt viel zu lernen und zu tun.

Wieso war es eine schwierige Zeit?

Politiker sprechen oft von schwierigen Zeiten. Hier jedoch stimmt es. Würde ich dramatisieren, müsste ich rufen: Die Schweizerische Warmblutzucht steht am Scheideweg – vor der grössten Herausforderung ihrer Geschichte. Doch statt zu jammern, wollen und werden wir vom ZVCH den Finger auf wunde Punkte legen, anpacken und uns der Gretchenfrage stellen.

Wo liegen aktuell die Herausforderungen?

Entscheidend und wegweisend zurzeit ist die Frage, ob der Bund – präziser das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) – uns den jährlichen Unterstützungsbeitrag wirklich streichen will. Das Agrarpaket 2025 sieht das vor und steht kurz vor der Inkraftsetzung. Als einzige Tiergattung sollen die Warmblüter von der Liste gestrichen werden. Das geht überhaupt nicht. Will das BLW doch dafür im Gegenzug beispielsweise die Alpakas viel stärker unterstützen.

Wieso finden Sie das schlecht?

Es ist gefährlich, die eine gegen die andere Tiergattung auszuspielen. Neuweltkameliden wie Alpakas und Lamas liebe ich auch, habe sogar den notwendigen Halterkurs gemacht. Aber zu behaupten, Alpakas würden im Gegensatz zu Pferden zur künftigen Ernährungssicherheit beitragen, finde ich übertrieben oder zumindest mutig. Immerhin sind beide Tiergattungen Raufutterverzehrer und bereichern die heimische Landwirtschaft. Es tut mir auch leid, das Ganze so anprangern zu müssen.

Wenn es Ihnen leidtut, weshalb beharren Sie dann stur auf die bisherige Unterstützung durch den Bund?

Rund 60 Prozent der hiesigen Pferde werden heute importiert, belastet mit einem vergleichsweise symbolischen Mehrwertsteuersatz von 2,6 Prozent. Vergangenes Jahr betrugen die Importe 94 Millionen Franken; die davon abgeschöpfte Mehrwertsteuer von fast 2,5 Millionen Franken versickerte im allgemeinen Bundeshaushalt. Ausgegeben für Soziales, Armee, Asyl und anderes mehr. Gleichzeitig will das BLW uns die 240 000 Franken streichen. Mit den Importen haben wir nun starke Konkurrenz aus Ländern mit viel tieferen Entstehungs-, Haltungs-, und Ausbildungskosten. Wir beanspruchen aber weiterhin nur einen Zehntel der Summe, die der Bund mit den Pferdeimporten einstreichen kann. Eine vergleichsweise geringe Kompensation für die zusätzliche Konkurrenz aufgrund der Grenzöffnung, so mein persönliches Empfinden. In den letzten Monaten bekam ich aber das Gefühl, wir werden als ‘quantité négligable’, also als ‘vernachlässigbar’ betrachtet – das tut weh. Werden uns die Gelder gestrichen, bricht uns das halbe Budget weg und wir werden Verbandsaktivitäten massiv einschränken müssen, verlieren an Attraktivität und müssen wiederum Leistungen streichen. Ein Teufelskreis droht. Dagegen wehren wir uns.

Scheuen Sie die Konkurrenz?

Im Gegenteil, Konkurrenz belebt normalerweise das Geschäft. Aber nur faire Konkurrenz, gemessen mit gleich langen Spiessen, ist akzeptabel. Sonst wird sie zum Totengräber unserer jahrtausendealten Pferdetradition. Kein Wunder schrumpft die hiesige Fohlenzahl jährlich. Die Eidgenossenschaft leistet hier unwissentlich, aber willentlich Vorschub. Ich bin nicht abergläubisch, aber in den vergangenen 13 Jahren haben sich die Fohlengeburten fast halbiert, dafür hat sich der Frankenbetrag bei den Importen nahezu verdoppelt. Ich schätze nur noch gut ein Drittel der hiesigen Equiden werden aktuell hierzulande geboren, tendenziell weiter abnehmend.

Warum sollte der Bund den ZVCH auch weiterhin finanziell unterstützen?

Pferdehaltung und -zucht ist jahrhunderte-, ja jahrtausendealtes gelebtes Kulturgut. 75 Prozent der rund 42 000 Warmblutpferde werden hierzulande bei Landwirten gehalten. Das gibt bei durchschnittlich 800 Franken monatlicher Pension über 300 Millionen Umsatz. Land- und volkswirtschaftlich mit der vor- und nachgelagerten Wertschöpfung sehr wichtig. Wir sind eine Pferdenation, Reitende verschiedenster Kategorien tragen weltweit zum positiven Image der Schweiz bei. Die Werte und die Erfahrungen, die Jugendliche im Umgang mit Equiden verinnerlichen und machen, können nicht hoch genug geschätzt werden. Vor kurzem zierte ein einstiges Fohlen von Züchter Christian Bürki einen deutschen Hengstkatalog. Ein in der Schweiz gezogenes Fohlen brillierte in der deutschen Landesmeisterschaft. Die hiesige Zucht ist also international kompetitiv. Diese Liste lässt sich ziemlich verlängern. Einzig bei den Entstehungskosten sind wir deutlich höher und damit wettbewerbsmässig benachteiligt.

Einleitend sagten Sie, Sie seien am Lernen. Inwiefern?

Das Zurechtfinden in der helvetischen Pferdelandschaft ist eine wahre Herausforderung. Es hat unzählige Menschen, Institutionen und Organisationen, die sich für unsere Equiden engagieren. Ich arbeite daran, einen Überblick zu bekommen. Zudem muss es gelingen, dass Pferdehalterinnen und -halter geeint auftreten. Wir wollen vom ZVCH aus auf den Freibergerverband und Cheval Suisse zugehen, in der Hoffnung, in Zukunft enger zusammenarbeiten zu können. Zum Vorteil unserer Pferde.

Was beschäftigt Sie abschliessend?

«Lerne zu klagen, ohne zu leiden». Diesen Eindruck bekomme ich beinahe, wenn ich auf meine vorgängigen Antworten zurückblicke. Aber ich schaue positiv vorwärts und freue mich täglich an unserem diesjährigen Hengstfohlen – seine Lebensfreude und Zutraulichkeit macht mir Freude. Das gibt Kraft für die Zukunft.