«Jetzt reichts den Bauern!», schreibt der Verein Faire Märkte Schweiz (FMS) in einer Medienmitteilung. Die Produzenten schlügen Alarm, weil Coop mit einer neuen Konditionenvereinbarung die Regeln für seine Lieferanten einseitig neu geschrieben habe: «Wer Früchte, Gemüse oder Beeren liefert, muss künftig einen Teil seines Umsatzes an Coop zurückzahlen.»

Erst ein, danach dann drei Prozent

In der Verteilregion Bern habe das neue System bereits ab Mai mit 1 % des Umsatzes gegriffen, schildert FMS weiter. «Ab Januar 2026 dann in der ganzen Schweiz sogar mit 3 %.» Der Verein führt diesen Schachzug seitens Coop auf den Preiskampf zurück, der im Schweizer Detailhandel tobt. Einige Bauern hätten mangels Alternativen zähneknirschend unterschrieben. Andere wollten sich wehren, «es geht um Millionen».

Gemäss FMS haben sich mehrere Produzenten bei der Meldestelle des Vereins gemeldet; es läuft eine rechtliche Untersuchung. Der Verdacht lautet auf Missbrauch der Marktmacht durch Coop. FMS hat nach eigenen Angaben eine Anzeige bei der Wettbewerbskommission (Weko) eingereicht und empfiehlt den Produzenten, die Konditionenvereinbarung nicht zu unterschreiben. Stattdessen solle man die Antwort der Weko abwarten.

Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) beobachte den Preiskampf mit Besorgnis, sagt Direktor Matija Nuic auf Anfrage. «Mehrere Produzenten haben in diesem Zusammenhang Handelspraktiken gemeldet, die der VSGP genauer betrachtet und abgeklärt hat.»

«Nächste Schritte offen»

Bisher habe es der VSGP als nationaler Verband abgelehnt, gegen einen einzelnen Abnehmer vorzugehen, fährt Matija Nuic fort. Die nächsten Schritte seien noch offen.

Man sei aber von der Seeländer Sektion über das Vorgehen in Sachen Coop in Kenntnis gesetzt worden. «Der VSGP wird die weiteren Geschehnisse bezüglich der angekündigten Anzeige mit grossem Interesse verfolgen.» Nuic hält weiter fest, der Verband könne diese Rückvergütung oder Gewinnbeteiligung nicht nachvollziehen und stelle sie infrage.

«Es ist wichtig, dass Tiefpreisstrategien – egal, von welchem Detailhändler – nicht zulasten der Produzent(innen) gehen», betont Chantale Meyer vom Schweizer Obstverband (SOV). Man habe zu diesem Fall zwar Informationen, aber keine konkreten Beschwerden von Obstproduzenten – wahrscheinlich, weil Obst oft über den Zwischenhandel vermarktet wird. Inoverde versichert auf Anfrage, sich in jedem Fall für kostendeckende Preise für alle Akteure einzusetzen. Aber: «Preisverhandlungen mit unseren Abnehmern kommentieren wir nicht.»

Vorteile für beide Seiten

Coop begründet die neue Konditionenvereinbarung mit einem zeitlich früheren Bestellsystem, das einen «deutlichen Mehrwert» biete. In einem äusserst kompetitiven Umfeld sei der Detailhändler stets darauf bedacht, Prozesse zu optimieren und anzupassen. Dies mit dem Ziel, Effizienz- und Kostenvorteile sowohl für die Lieferanten als auch für Coop selbst zu realisieren. «Mit unserer neuen bedarfsgerechten Bestellung erhalten die Produzenten die definitiven Bestellungen früher», erklärt Coop-Mediensprecher Caspar Frey.

Weniger Zwischenlager nötig

Das gebe ihnen mehr Planungssicherheit und einen Effizienzgewinn, was auch mit Kostenvorteilen verbunden sei. Zum Beispiel verlängere sich so das Zeitfenster für die Belieferung der Coop-Verteilzentrale, und es seien weniger Zwischenlagerungen notwendig. Der Warentransport könne an verkehrsgünstigen Zeiten ausgerichtet werden. Die Beteiligung von Coop an realisierten Effizienz- und Kostenvorteilen sei ein branchenübliches Vorgehen, sagt Caspar Frey zu der heftigen Kritik seitens des Vereins Faire Märkte Schweiz (FMS). «Wir stehen in direktem Kontakt mit den Produzenten und führen konstruktive bilaterale Gespräche, bei denen individuelle Lieferantenpositionen berücksichtigt werden», sagt Frey auf die Frage, ob er die Aussagen von FMS zur Höhe der Zahlungen an Coop bestätigen könne. «Die grundsätzliche Berechnung erfolgte unter Beizug einer unabhängigen Stelle und bezieht sich primär auf die Prozesse im Betrieb.»

Wird das Kartellrecht geschwächt?

Der Fall bringt der Debatte im Parlament eine neue Aktualität, denn die Räte diskutieren derzeit eine Änderung des Kartellgesetzes. Dabei gab es zuletzt in der grossen Kammer lange Diskussionen darüber, ob ein neuer Gesetzesartikel die bestehende Rechtspraxis verdeutliche oder aber die Regeln zur relativen Marktmacht aushebeln würde.

Für FMS ist der Fall klar: Die abschliessende Entscheidung des Nationalrats von letzter Woche schwäche das Kartellrecht massiv. Es drohten ungehinderter Machtmissbrauch und weiterer Preisdruck, weshalb der Ständerat den Kurs dringend korrigieren müsse.

Was faire Bedingungen und Mitsprache für die Landwirte angeht, heisst es bei Coop, man erfülle die gemeinsam definierten Produktions- und Lieferbedingungen. «Coop hält sich grundsätzlich an die festgelegten Richtpreise», fährt Caspar Frey fort. Die gemeinsame Anbau- und Mengenplanung sorge für Planungssicherheit bei den Produzenten. «Darin eingeschlossen ist die Aktionsplanung, wobei Coop die vereinbarten Mengen zuverlässig bezieht und damit für Stabilität sorgt.» Schliesslich biete man auch bei kurzfristigen Übermengen oder knapper Verfügbarkeit im Tagesgeschäft grundsätzlich Hand für gemeinsame Lösungen.

Coop zeigt sich «jederzeit gesprächsbereit»

«Coop pflegt partnerschaftliche Beziehungen und ist jederzeit gesprächsbereit», kommentiert Frey die Frage, ob angesichts der Kritik die neue Vereinbarung zur Umsatzbeteiligung wieder aufgehoben werden könnte.

Man zahle faire und marktkonforme Preise. «Im Rahmen der regelmässigen Verhandlungen innerhalb der Branche zeigt sich Coop stets dialogbereit.»

Das sind die Rappenspalter
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Kommentar von Daniela Clemenz

Wenn von Rappenspaltern die Rede ist, sind meistens die Konsument(innen) gemeint. Aber kann man es ihnen verübeln, wenn sie auf Tiefstpreise, Dauertiefpreise oder Aktionen fliegen? Wo sich doch viele von ihnen finanziell nach der Decke strecken müssen? Nichtsdestotrotz gilt Rappenspalterei bei den Konsument(innen) als «Geiz-ist-Geil-Mentalität».

Ganz anders im Detailhandel. Dort wird Rappenspalterei zur Tugend erhoben. Nur wenige Rappen mehr pro Produkt generieren aufgrund der grossen Menge eine gute Marge. Der Kampf der Detailhändler, auf allen Ebenen Gewinne zu erzielen, hat sich verschärft, und schlägt sich auch auf einer anderen Ebene durch: nämlich bei den Lieferkonditionen. Jüngstes Beispiel ist die neueste Konditionenvereinbarung des Detailhändlers Coop. Künftig sollen 3 % der in Rechnung gestellten Summe als «Bonus» an den Detailhändler zurückfliessen. Also kein Bonus für die Produzenten und Lieferanten, kein Bonus für einwandfreie Qualität und für umweltgerechte Produktion.

Da gibt es nur eines seitens der Produzenten- und Branchenverbände: Nicht nur beobachten und abwarten, sondern reagieren. Es nicht bei den Bonmots und Beteuerungen belassen, dass man grundsätzlich die Richtpreise einhalte (Coop), dass man sich für kostendeckende Preise für alle Akteure der Wertschöpfungskette einsetze (Fenaco Inoverde) oder dass Tiefstpreisstrategien nicht zu Lasten der Produzenten gehen dürfen (Schweizer Obstverband).

Hauen Sie auf den Tisch, legen Sie die Fakten dar, informieren Sie transparent und setzen Sie sich wahrhaft für die Bauernschaft und die Schweizer Landwirtschaft ein. d.clemenz@bauernzeitung.ch