Seit Jahresbeginn ist Kaspar Grünig Direktor des Inforamas. Mit ihm kam nach mehreren Versuchen – ein neuer Besen möge besser wischen, ein langjähriger Inforama-Mitarbeiter zum Zug. Grünig ist seit 2009 in verschiedenen Funktionen am Berner Bildungs- und Beratungsstandort tätig und kennt das Inforama daher aus dem «Effeff». Wir haben ihn zu einem Austausch getroffen.
Wie haben Sie den Einstieg in Ihre neue Aufgabe am Inforama erlebt?
Kaspar Grünig: Einerseits habe ich bereits einige Themen gut gekannt, da ich sie seit zwei Jahren als Stv. Direktor betreut habe. Darunter fallen insbesondere die agronomischen Projekte, wie die Zusammenarbeit mit Agroscope an den Versuchsstationen, wie auch die Berner Bio-Offensive 2025. Andererseits war der Einstieg turbulent, da wir zuerst zwei Vakanzen in der Geschäftsleitung hatten. Zudem haben wir die Anstellungsbedingungen der Mitarbeitenden per 2023 den anderen Berufsfachschulen angeglichen. Und natürlich kamen viele Besprechungen zur Nutzerstrategie des Inforamas hinzu. Es ist mir ein Anliegen, möglichst breit mit der Landwirtschaft und den Partnern in den Austausch zu kommen. Das machte den Einstieg in die breite Tätigkeit äusserst anspruchsvoll.
Was hat das Inforama im letzten Jahr intern am allermeisten beschäftigt?
Fachlich haben wir uns intensiv mit der Revision der beruflichen Grundbildung beschäftigt und uns für ein ziel- und praxisorientiertes Bildungssystem stark gemacht. Jeder fünfte Betrieb der Schweiz ist ein Berner Betrieb, deshalb ist die Sicht der Berner wichtig, und es ist mir ein Anliegen, dass wir uns breit einbringen. Auch in der höheren Berufsbildung gibt es Revisionen, so stehen wir etwa auch in einer Neuanerkennung der Höheren Fachschule Agrotechniker/in. Weiter spüren wir gewisse Schwankungen in den Klassenzahlen, insbesondere ein Rückgang in der gesundheitlich-sozialen Berufsmaturität, die wir als Nachwirkungen der Coronakrise einstufen. In der Beratung sind wir enorm gefordert durch die Herausforderungen der Agrarpolitik und deren Auswirkungen auf die Praxis. Die betriebswirtschaftliche Einzelberatung hatte zudem eine sehr hohe Nachfrage.
Das scheint umfangreich. Ist das so einfach zu meistern mit den Leuten am Inforama?
Wir sind als Abteilung des Amts für Landwirtschaft und Natur in der Wirtschafts-, Energie- und Umweltdirektion eingebettet und funktionieren faktisch wie eine Vollzugsabteilung. Eigentlich funktionieren wir aber im grossen Teil unserer Tätigkeit wie eine andere Berufsfachschule oder eine private Beratungsunternehmung. Wir haben Schwankungen der Klassenzahl, Projekte, die kommen und gehen, und müssen oft rasch auf Entwicklungen reagieren können. Das ist mit einem starren Stellenplan des Kantons schwierig. Auch in der Informatik oder in den Finanzen zeigen sich ähnliche Schwierigkeiten. So gibt es nun zum Beispiel unterschiedliche Digitalisierungsstrategien vonseiten der Verwaltung und der Bildungsdirektion – wir müssen beide erfüllen. Diese ganze Einbettung des Inforamas prüfen wir daher derzeit kritisch und suchen dann nach Lösungen.
Die Hiobsbotschaft von der geplanten Schliessung der Standorte hat sicherlich auch interne Auswirkungen zur Folge, welche?
Ich spreche ungern von Hiobsbotschaft. Grundsätzlich will der Kanton weit über 200 Mio Franken investieren in die landwirtschaftliche Bildung und Beratung, das ist deutlich besser als ein Sparprogramm. Es sollen Kompetenzzentren entstehen mit nationaler Ausstrahlung. Da ist auch ein grosser Investitionsschritt in die bäuerliche Hauswirtschaft vorgesehen, die zusammengelegt und mit neuer, moderner Infrastruktur deutlich gewinnen kann. In den Regionen, insbesondere im Oberaargau und im Emmental, werden keine Angebote abgebaut, die Beratung soll dezentral bleiben, ebenso die Klassen 1. und 2. Lehrjahr und verschiedene Weiterbildungsangebote. Wenn wir damit längerfristig die Kosten senken können bei gleichbleibendem Angebot, sehe ich nur historische und emotionale Gründe, die gegen die Schliessung von Gebäuden sprechen. Natürlich tut es auch mir weh, wenn das Inforama die schönen Gebäude am Waldhof oder Oeschberg verlässt, aber wenn wir damit künftigen Sparprogrammen aus dem Weg gehen können und endlich dringend notwendige Investitionen und Entwicklungsschritte gemacht werden, ist das richtig.
Davon sind immer Mitarbeitende betroffen, wie geht man damit um?
Intern heisst das für Mitarbeitende, dass sie in 10 bis 15 Jahren ihren Arbeitsort wechseln müssen. Gemäss heutigem Stand der Mitarbeitenden wären das abgesehen von Pensionierungen bis zur Umsetzung 5 bis 10 Personen, die den Standort wechseln müssten. Hinzu kommen rund 10 bis 12 Personen der Beratung Emmental und Oberaargau, die allenfalls innerhalb ihrer Region an einem anderen Standort tätig sein würden. Wenige Teilfunktionen würden ganz wegfallen, was aber intern aufgefangen werden kann. Zur Einordnung – das Inforama hat knapp 250 Mitarbeitende.
Wie geht es mit der Bio-Schule weiter?
Der Entscheid zur Nutzerstrategie sieht vor, dass der Unterricht der Bioklassen künftig auf der Rütti stattfinden wird. Dabei muss man beachten, dass bis zu einer Umsetzung ab 2034 das neue System mit den Fachrichtungen etabliert sein wird und sich die Ausgangslage ändert. Es wird gemäss heutigem Stand eine Fachrichtung Bio-Ackerbau geben, die Bio-Grundkompetenzen sollen alle erlernen. Das ist für die Entwicklung der Berner Landwirtschaft und vor allem des Biolandbaus wichtig. Da hilft eine Durchmischung der Lernenden am Campus und in den Klassen, sie werden voneinander lernen. Wir werden sicher alle Spezialisierungen im Biolandbau anbieten und vorantreiben und wollen weiterhin eine führende Rolle in der Biobildung haben.
Am Standort Schwand war mit dem Betrieb Siegenthaler auch der unmittelbare Praxisbezug gesichert, das ist auf der Rütti nicht mehr möglich.
Am Inforama Rütti wird kein Biobetrieb direkt auf dem Gelände sein. Zusammen mit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften haben wir ein Konzept erstellt, mit dem in einer Unterpacht ein Teil des Betriebes zu einem Biobetrieb gehen könnte, der dort in den geschlossenen Kreislauf integriert und entsprechend bewirtschaftet würde. Das würde für Bildung und Beratung ein offenes Nebeneinander der Bewirtschaftung im Feld zeigen.
Gehen wir etwas aus dem Kanton Bern hinaus. Wie erleben Sie das Konkurrenzdenken unter den Bildungsstandorten, wie beispielsweise dem Strickhof?
Das wird wohl von aussen aufgrund verschiedener Bautätigkeiten bei Stall- und Schulgebäuden so wahrgenommen. Da sind die Kantone durchaus sehr unterschiedlich unterwegs. In der Zusammenarbeit aber nehme ich vielmehr ein gegenseitig sehr unterstützendes Klima wahr, sei es auf Stufe der Leitung oder auch bei den Lehr- und Beratungspersonen.
Welche Herausforderungen sehen Sie im Bildungsbereich?
In der höheren Berufsbildung zeigt sich die Breite der Erwartungen ans Inforama besonders gut. Wir müssen fast alle Module und Varianten der Bildung anbieten. Das ist anspruchsvoll und auch nicht ganz kostengünstig. Aber diesen Erwartungen möchten wir entsprechen. In der Weiterbildung ist es ähnlich, nur dass wir da schon etwas einfacher selbst Schwerpunkte legen können. Inhaltlich jeweils nah an den Entwicklungen zu sein und doch den täglichen Bedürfnissen der Betriebe zu entsprechen, ist anspruchsvoll. Und wir möchten Entwicklungen begleiten. Wir stellen fest, dass die Weiterbildung generell an Stellenwert gewinnt und vielerorts ein lebenslanges Lernen gefordert wird.
Wie sieht es in der Beratung aus?
In der Beratung habe ich dank dem Präsidium des Beratungsforums Schweiz einen guten Überblick über die kantonalen Beratungen der Schweiz. Wir sind vergleichsweise stark in der betriebswirtschaftlichen Einzelberatung, setzen jedoch wenig Ressourcen ein in Entwicklungsprojekten. Die Entwicklungen, beispielsweise im Bereich Klima, laufen aber dort. Da müssen wir uns stärken. Das ist nicht einfach, weil wir ja wie bereits beschrieben für neue Aufgaben eben keine zusätzlichen Ressourcen lösen können. Verzichten tun wir ungern und wir sind auch der Meinung, dass wir den gesetzlichen Auftrag nicht einfach vernachlässigen dürfen. Also braucht es auch hier griffige Lösungen.
Wo möchten Sie mit dem Inforama hin?
Das Inforama soll in enger Zusammenarbeit mit der Praxis höchste Qualität in Bildung und Beratung für eine nachhaltige wirtschaftende Berner Landwirtschaft bringen. Wir möchten die Betriebe insbesondere auch in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen. In vielen Bereichen wollen wir eine nationale Vorreiterrolle und entsprechende Ausstrahlung haben. Dazu brauchen wir eine moderne, angepasste Infrastruktur, die eine praxisnahe Aus- und Weiterbildung sowie Beratung ermöglicht. Und wir brauchen ein Netzwerk an Partnern, die mit uns zusammen diese Ziele verfolgen. Der Kanton Bern ist in der Landwirtschaft die Schweiz in etwas kleinerem Format. Es sind bei uns fast alle Betriebsausrichtungen vorhanden, entsprechend wird auch erwartet, dass wir die ganze Breite an Modulen und Weiterbildungsangeboten bieten. Dass dies unter den im Kanton Bern gegebenen wirtschaftlichen Vorgaben nur mit einer überregionalen bis nationalen Ausstrahlung und entsprechender Positionierung geht, versteht sich von selbst.