«Dass Zürich der bedeutendste Wirtschaftskanton ist, stellt für die ansässige Landwirtschaft eine besondere Herausforderung dar», sagte Martin Haab. Näher darauf ein ging der Nationalrat und Präsident des Zürcher Bauernverbands (ZBV) in seinem Gastreferat an der traditionellen Wintertagung des Zürcher Rechts- und Steuerbüros Zumstein, die am 20. Februar 2023 in Niederglatt stattfand. Er nannte ein aktuelles Beispiel: So sei es durchaus notwendig, den Flughafen auszubauen und den Gegebenheiten anzupassen, wie etwa die Pisten zu verlängern. Doch sei der ZBV dagegen, dass so viel Kulturland wie geplant dazu eingesetzt werden müsse. «Es gilt nun, andere Lösungen zu finden, um möglichst wenig produktives Land zu verbrauchen», so Haab. Problemstellungen wie diese seien in den letzten Jahren immer häufiger geworden.
Zürich ist der viertgrösste Agrarkanton
[IMG 2]Der ZBV-Präsident erläuterte zunächst die Ausgangslage: Der Kanton Zürich verfügt über eine landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) von rund 72 000 Hektaren, was einen Anteil von 42 Prozent an seiner Gesamtfläche ausmacht. Gemessen am Wert der Produktion ist er der viertgrösste Agrarkanton. «Zudem weist er eine hohe Bodenfruchtbarkeit auf», so Martin Haab. «60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche sind ackerfähig.» Nicht zuletzt deshalb würden sich verschiedenerlei Chancen ergeben, wie er aufzeigte:
Direktvermarktung: Die 1,5 Mio Einwohner(innen) des Kantons geben jährlich 4,6 Mia für Nahrungsmittel aus. Davon entfallen 2,7 Mia Franken auf Erzeugnisse schweizerischen Ursprungs. Was die Direktvermarktung betrifft, macht diese heute nur gerade 3 Prozent des Umsatzes aus. Könnte der Anteil auf 10 Prozent erhöht werden, liesse sich für Produkte ab Hof ein Umsatz von 270 Mio Franken erwirtschaften. Pro Person und Monat würde dies einen Betrag von 15 Franken ausmachen.
«Die Direktvermarktung hat gerade im Kanton Zürich Potenzial», so Haab. «Dabei darf jedoch nicht vergessen, dass sie mit grossem Aufwand verbunden ist und der Erfolg zudem standortabhängig ist.» Die Chance, einen Hofladen lukrativ zu betreiben, bestünde nicht zuletzt dank der Digitalisierung und der Bezahlmöglichkeit Twint. Haab erinnerte aber auch daran, dass es an den Konsument(innen) liegt, Hofladenangebote zu nutzen. «Während der Coronazeit war die Nachfrage bei der Direktvermarktung sprunghaft angestiegen. Nun sind die Umsätze fast wieder auf dem Niveau wie vor der Pandemie.»
Trend zu Spezialkulturen: Im interkantonalen Vergleich liegt Zürich beim Gemüseanbau an zweiter Stelle. Beim Biogemüse ist er mit einem Drittel der schweizweiten Anbaufläche sogar Spitzenreiter.
Trend zu tierextensiver Landwirtschaft: Der Kanton Zürich weist eine Grossvieheinheit (GVE) pro Hektare auf. Damit liegt er unter dem landesweiten Durchschnitt von 1,2 GVE/ha.
Es gibt Grund zur Sorge
Haab wies ausserdem auf die Gefahren hin, denen sich die Zürcher Landwirtschaft aktuell zu stellen hat.
Zersiedelung: Jährlich werden rund 200 Hektaren LN verbaut, das macht pro Minute 3,8 m2.
Einkaufstourismus: Zwei Drittel der Zürcher wohnen maximal 25 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Schweizer Einkaufstouristen kaufen jährlich für schätzungsweise 1,5 Mia Franken Nahrungsmittel im Ausland ein.
Fehlender Bezug: In den letzten 20 Jahren ist die Anzahl der Zürcher Landwirtschaftsbetriebe um einen Drittel geschrumpft. Währenddessen ist die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft um mehr als einen Viertel zurückgegangen, die Abnahme ist etwas grösser als im schweizweiten Durchschnitt. Dass die Bevölkerung immer weniger direkten Bezug zur Landwirtschaft hat, sei Grund zur Sorge, so der Referent.
«Die Situation wird sich in Zukunft verschärften, wenn die verschiedenen Faktoren zusammenkommen», hielt Haab abschliessend fest.