Der Kontrolleur kann beim Betriebsbesuch auf dem Bauernhof nicht glauben, dass aufgrund des sauberen Laufhofes die Tiere regelmässig ins Freie gelassen werden, obwohl dies im Auslaufjournal vermerkt ist. Er bemängelt dies und dem Bauern werden Sanktionen auferlegt und eine Kürzung von Beiträgen angedroht. Ein typischer Fall für eine Rechtsschutzversicherung?
Wenig Gerichtsfälle
Wenn es zu einem Strafverfahren kommt, dann ja, sagt Michael Riboni, Fachverantwortlicher Rechtsschutz bei Agriexpert des Schweizer Bauernverbands (SBV). Häufig könnten solche Fälle aber erledigt werden, bevor diese zu teuren Gerichtsverfahren mit Rechtsbeistand führen.
Rechtsfälle wegen gekürzter Direktzahlungen seien selten. Jährlich schweizweit maximal einige Dutzend, die Agriexpert zu behandeln habe, schätzt Riboni.
«Wir empfehlen den Bauern, bei Streitfällen die Rechtsberatung zu nutzen.»
Mathias Grünig weist auf die kostenlose Dienstleistung des Berner Bauernverbandes hin.
Viele Bagatellen
Dass bei Kontrollen Mängel auf den Betrieben festgestellt werden, komme immer wieder vor, erklärt Annatina Bühler, Fachbereichsleiterin Direktzahlungen bei der Luzerner Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa). Im vergangenen Jahr wurden beispielsweise im Kanton Luzern bei 395 Kontrollen Mängel festgestellt. Deswegen kam es zu Beitragskürzungen von rund einer halben Million Franken, dies entspricht rund 0,3 Prozent der Direktzahlungssumme, welche den Bewirtschaftenden im Kanton Luzern ausbezahlt wird. «Meist waren dies kleine Kürzungen, wegen Bagatellen», betont Bühler.
Sie erläutert das Verfahren: Die vom Bewirtschaftenden beauftragte Kontrollstelle meldet die Mängel dem Lawa, dieses vermerkt den Abzug von Beiträgen auf der jährlichen Abrechnung. Jährlich seien es 60 bis 100 Fälle bei über 4100 Direktzahlungsberechtigten, wo Einsprachen gemacht und Korrekturen verlangt würden. Oft könnten solche gutgeheissen werden, weil beispielsweise vergessene Dokumente nachgereicht werden.
Wenn Einsprachen abgelehnt werden müssen, bestehe die Möglichkeit, beim Lawa einen kostenpflichtigen beschwerdefähigen Entscheid zu verlangen. Der kann dann ans Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen weitergezogen werden. «Über die vergangenen 20 Jahre ist dies weniger als ein Fall pro Jahr», erklärt Bühler.
«Meist geht es nur um Bagatellen.»
Annatina Bühler begründet die meist geringen Kürzungen von Direktzahlungen.
Rechtsbeistand beiziehen
Für solche Rechtsfälle sei ein Rechtsbeistand empfehlenswert, dies könne durch eine Rechtsschutzversicherung abgedeckt werden, sagt Michael Riboni von Agriexpert. Die Agrisano bietet als Zusatzversicherung Agri-Protect für den Rechtsschutz an. Rechtsträger der Versicherung ist die Orion Rechtsschutz-Versicherung AG. Die Schadenbearbeitung erfolgt grösstenteils durch Agriexpert. So auch bei Sanktionen bezüglich Kürzung oder Verweigerung von Direktzahlungen.
Die Kosten für komplexe Rechtsberatungen, beispielsweise wegen Streitigkeiten mit privaten Labelorganisationen, seien durch diese Versicherung in den meisten Kantonen allerdings nicht abgedeckt, betont Riboni. Aus Kulanzgründen würden aber gleichwohl von Agriexpert zeitlich limitierte Beratungsauskünfte erteilt.
Kostenlose Rechtsberatung
In den Kantonen Bern, Jura, Neuenburg und Freiburg gelten andere Leistungen von Agri-Protect als in den übrigen Kantonen, weil eine andere Versicherungsgesellschaft Partner und Rechtsträger ist. Von dieser seien eben weitere Dienstleistungen eingekauft, wie Mathias Grünig,Bereichsleiter Versicherungen beim Berner Bauernverband (BBV), erklärt. So wird für Mitglieder eine zeitlich limitierte kostenlose Rechtsberatung angeboten. Die sei sehr gefragt und der BBV fördere diese auch. «Wir empfehlen den Bauern, bei Streitigkeiten die Rechtsberatung zu nutzen, damit sie zu ihrem Recht kommen.» Der BBV beschäftigt dafür vier Rechtsberater. Agri-Protect deckt deshalb in diesen Kantonen auch die Prüfung der Rechtslage und die Auskunft und Beratung beim Auftreten von Rechtsfragen ab. Ebenso die Bearbeitung der Rechtsfragen und bei Bedarf Interventionen durch Juristen.
Kostenlose Rechtsberatung gibt es für Mitglieder von Bauernverbänden auch in anderen Kantonen wie Luzern, diese ist allerdings nicht Inhalt der Rechtsschutzversicherung. Ebenso bietet Agriexpert ein kostenloses Auskunftstelefon und erteilt kostenlose Kurzauskünfte.
Explizit aufgelistet
Ansonsten sind die versicherten und nicht versicherten Rechtsfälle in den allgemeinen Versicherungsbedingungen von Agri-Protect explizit gelistet. So sei beispielsweise durch den Rechtsschutz abgedeckt, wenn Strafbefehle vorliegen wegen Tierschutz-, Gewässerschutz- oder Umweltvergehen, allenfalls basierend auf Kontrollen kantonaler Amtsstellen, betont Michael Riboni.
250 Rechtsfälle jährlich
Rund 250 Rechtsfälle bearbeiten die Agri-Protect-Expert(innen) jährlich. Meist gehe es um Vertragsstreitigkeiten, gefolgt von Strafrechtsverfahren und Fragen zum Grundeigentum, sagt Michael Riboni vom SBV.
Die häufigsten Anfragen für rechtlichen Beistand gibt es zum Bauen, konkret wegen Einsprachen oder verwehrter Baubewilligung. Auch bei Enteignungen wegen Werken wird rechtliche Unterstützung verlangt und zunehmend seien Pachtstreitigkeiten.
Grundsätzlich seien Rechtsschutzversicherungen von der Gesellschaft gefragt und immer mehr im Trend, weiss Riboni. Innerhalb der Landwirtschaft sei Agri-Protect weit verbreitet, weil diese mit lediglich 7,6 Franken Monatsprämie günstig und auf die Bedürfnisse der Bauernfamilien zugeschnitten sei.