100 Jahre ist es her, seit die landwirtschaftliche Winterschule in Langenthal eingeweiht wurde. Unter dem Namen «Waldhof» begann die Erfolgsgeschichte des land- und hauswirtschaftlichen Bildungszentrums im Oberaargau. Mit dem Burgerfest auf dem Gutsbetrieb fällt auch der Startschuss ins Jubiläumsjahr.

Mitbewegen und anpassen

Vor dem Bau der Landwirtschaftsschule gehörte das Areal der Burgergemeinde Langenthal.

«Der Waldhof ist ein geschichtsträchtiger Ort»

Christina Thaler, Verwalterin der Burgergemeinde Langenthal.

So erinnern schwarz-weisse Illustrationen an die vergangenen Zeiten und gewähren einen Einblick in die Landwirtschaft des letzten Jahrhunderts. Auf gros­sen Postern wird über die Praxisversuche informiert, an welchen sich der Gutsbetrieb Waldhof beteiligt.

«Dabei haben wir die Eignung von verschiedenen Milchvieh­rassen für die Haltung in Vollweidesystemen untersucht», erklärt Hansjürg Fuhrimann das Projekt. Zusammen mit seiner Frau Verena führt er den Betrieb seit 23 Jahren. Durch eine Leistungsvereinbarung steht dieser dem Inforama für Versuche und Weiterbildungen zur Verfügung.

Abo Berufsbildungsstätte Vier Inforama-Standorte sollen geschlossen werden Thursday, 11. May 2023 Dadurch kennt die Familie Fuhrimann auch die Herausforderungen, welche sich aus der Arbeit an der Schnittstelle zwischen Bildung, Forschung und Praxis ergeben. «Es ist wichtig, sich dem neuen Berufsbild anzupassen. Wir können nicht zu einem Museum verkommen, sondern müssen uns mitbewegen», meint der Betriebsleiter. Eine Anpassung sei auch jetzt nötig, wo die landwirtschaftliche Bildung auf drei Standorte konzentriert werden soll.

Wie vor 25 Jahren

Der Entscheid, den Inforama-Standort in Langenthal mittelfristig aufzugeben, erinnert an eine Szene aus dem Waldhoffilm, der zum 100-Jahr-Jubiläum erstellt wurde. Nebst den Fortschritten in der Landtechnik und der Tierzucht dokumentiert dieser auch die Bestrebungen der Regierung, den Waldhof in den 1990er-Jahren aufzulösen.

Abo Analyse Der Kanton brüskiert mit den Inforama-Schliessungen die Berner Bauernfamilien Monday, 22. May 2023 «Emotional ist diese Szene sehr mit der jetzigen Situation vergleichbar», meint Hansjürg Fuhrimann. Zusammen mit Elisabeth Kurth ist er Teil des Organisationskomitees der 100-Jahr-Feierlichkeiten auf dem Waldhof. Trotz der Ansage, den Standort aufzugeben, zeigen sie sich optimistisch: «Wir sind überzeugt, dass es den Waldhof auch noch in 100 Jahren gibt. Wenn auch dann mit einer anderen Funk­tion.»

Nachgefragt beim OK

Elisabeth Kurth und Hansjürg Fuhrimann, wie überraschend kam für Sie der Beschluss, vier der sieben Inforama-Standorte aufzugeben?

Elisabeth Kurth: Man wusste, dass sich die Regierung strategische Überlegungen macht und dass die Entwicklung auf eine Zentralisierung herausläuft. Aber ich denke, wir sind professionell genug, um mit Veränderungen umzugehen, damit wir trotzdem feiern können.

Hansjürg Fuhrimann: Ein wichtiger Anhaltspunkt war, dass unsere Pläne für die Jubiläumsfeier bei der Geschäftsleitung des Inforamas nicht gut ankamen. Man spürte, dass dieses Fest nicht willkommen war. 

Wie stehen Sie zur neuen Nutzerstrategie des ­Inforamas?

Elisabeth Kurth: Jetzt, wo die Strategie auf dem Tisch ist, werden wir sie kritisch würdigen. Nun müssen wir uns zusammen mit der Region und den Verbänden aktiv einbringen. Diese neue Ausrichtung ist auch eine Chance, um sich Gedanken über die Bildungsreform zu machen. Was mich aber stört, ist die fehlende Kommunikation. Die Strategie wurde entwickelt, ohne die Basis miteinzubeziehen. Schlussendlich sind es doch die Menschen, die tagtäglich ein und aus gehen und ihr Bestes geben, welche dem Standort ein klares Profil verleihen. Zudem haben für mich die Argumente der Regierung zu wenig Fleisch am Knochen.

Hansjürg Fuhrimann: So wurden die Gebäude am Waldhof in den letzten Jahren saniert. Sie sind in einem sehr guten Zustand.

Nach welchen Grundsätzen werden Sie jetzt handeln?

Elisabeth Kurth: Das oberste Ziel ist es, uns für die Land- und Hauswirtschaft in der Region einzusetzen. Unser Auftrag ist es, der nächsten Generation die besten Voraussetzungen zu bieten und den Wissenstransfer aufrechtzuerhalten. Dafür wollen wir das duale Bildungssystem, welches Praxis und Theorie verbindet, unbedingt weiterführen. Das geht nur mit einer starken Verankerung in den Regionen. 

Hansjürg Fuhrimann: Den Leistungsauftrag werden wir weiterhin erfüllen, auch wenn wir diesen anpassen müssen. Bezieht man die Basis mit ein, verschliessen wir uns dem Neuen nicht. So werden wir dem Berufsfeld auch in Zukunft in irgendeiner Form dienen.