Für einmal wurde nicht gehandelt, nicht gerichtet und nicht gearbeitet: Die Aargauer Fleckviehzüchterfamilien feierten das Jubiläum ihres Verbands auf dem Betrieb von Verwaltungsmitglied Ueli Vogt in Lupfig mit einem Brunch.
Mehrere Jubiläen in diesem Jahr
2023 ist ein Jubeljahr der Aargauer Tierzucht: Swissherdbook Aargau wird 125-jährig und führt die 50. Auktion, die 20. Eliteschau und den 30. Tierzuchtabend durch.
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«Viehzucht ist Leidenschaft», sagte Stefan Kuhn, Präsident von Swissherdbook Aargau, an der Jubiläumsfeier. Aber nicht Begeisterung brachte die Aargauer Fleckviehzüchter vor 125 Jahren zusammen, sondern Not. Schwere Zeiten erlebten die Schweizer Bauernfamilien – besonders im Grenzkanton Aargau – Ende des 19. Jahrhunderts. Neue Verkehrsmittel brachten Importe ins Land und drückten die Preise der inländischen Produkte. Die genossenschaftliche Selbsthilfe war das Mittel, mit dem sich die Landwirtschaft zu helfen wusste.
Die gleichen Ziele, nur anders formuliert
1898 wurde der Verband Aargauischer Fleckviehzuchtgenossenschaften gegründet. Das Gründungsprotokoll nennt die Ziele: Förderung der Viehzucht im Aargau, Gründung von Weidegenossenschaften behufs Sömmerung des Jungviehs, Vermittlung von Kaufs- und Verkaufsgelegenheiten, Belehrung und Meinungsaustausch über züchterische Erfahrungen, Stellungnahme zur einschlägigen Gesetzgebung in Kanton und Bund. «In den heutigen Statuten steht im Grunde immer noch dasselbe, einfach anders formuliert», sagte Stefan Kuhn an der Jubiläumsfeier.
Vor 125 Jahren war die Aargauer Fleckviehkuh eine kräftige Simmental mit rund 2000 Kilo Jahresmilch, die zudem ordentlich Fleisch brachte und für Feldarbeiten eingespannt wurde. Ab den 1960er-Jahren veränderten Einkreuzungen die Milchviehlandschaft dauerhaft.
Heute ist die Milchleistung auf Aargauer Swissherdbook-Betrieben im Durchschnitt viermal höher und es haben sich viele schwarze Kühe unter die roten gemischt. Fast 3000 Tiere zählt die Holstein-Sektion von Swissherdbook.
Swissherdbook Aargau in Zahlen
8341 weibliche Herdebuchtiere
8 männliche HB-Tiere
250 Mitgliederbetriebe
11 Viehzuchtvereine und -genossenschaften
8405 kg durchschnittliche Milchleistung
547'404 Franken Verbandsvermögen
Dem Verband treu
Trotz dieser Durchmischung bleiben die Aargauer Fleckviehzüchter ihrem Verband treu: Swissherdbook ist mit 8341 Herdebuchtieren noch immer der grösste Milchviehzuchtverband im Aargau, gefolgt von Holstein mit 3802 Tieren und Braunvieh mit 3658 Tieren. Im Jahr 1886 hatte eine Viehzählung im Kanton folgende Verteilung ergeben: 66 Prozent Simmentaler, 27 Prozent Braunvieh, 0 Prozent Holstein, 7 Prozent andere.
Der Verband erlebte Hochs und Tiefs, musste Tierseuchen wie Bang und Tuberkulose ausmerzen, er steckte zeitweise auch tief in den Schulden. Ein lohnender Entscheid war 1917 der Kauf der Liegenschaft Sennenberg. Diese diente jahrzehntelang als Jungviehweide, vor zwanzig Jahren wurde sie verkauft und brachte dem Verband ein dickes Polster in die Kasse.
Milch, solange Gras wächst
Stefan Kuhn würdigte in Lupfig die weitsichtigen Persönlichkeiten in der Verbandsführung, dank denen das 125-jährige Bestehen überhaupt gefeiert werden könne. «Ob es unseren Verband in 125 Jahren noch gibt, weiss ich nicht. Aber solange Gras wächst, wird es Milchkühe geben», schloss der Präsident.
«Das Exterieur funktioniert, Fitnessmerkmale werden wichtiger»
Das Fleckvieh hat eine enorme Entwicklung durchgemacht. Wie geht es weiter?
Stefan Kuhn: Der Zuchtfortschritt wird optisch weniger sichtbar, dank der Genomtypisierung aber extrem schnell weitergehen. Die heutigen Stiere haben im Exterieur keine grossen Fehler mehr, in diesem Bereich funktionieren unsere Kühe. Wichtiger werden Fitnessmerkmale, wie effizient die Kuh das Futter verwertet, wie fruchtbar sie ist, dass sie möglichst ohne Medikament auskommt und so weiter. Ein neues Thema ist, wie sie mit dem veränderten Klima zurechtkommt. Dabei müssen die Züchterinnen und Züchter nicht nur auf den Stier achten, sondern auch mit den weiblichen Tieren in ihrer Herde konsequent sein.
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Wie wird Swissherdbook den unterschiedlichen Zuchtrichtungen innerhalb des Verbands gerecht?
Bei den Hauptrassen Red Holstein und Holstein sind die Zieldefinitionen relativ einfach, dort bleibt das Ziel wohl die Hochleistungskuh. Bei den Zweinutzungsrassen ist es schwieriger, weil die Betriebe sehr unterschiedlich sind. Darum muss der Verband auch unterschiedliche Produkte anbieten.
Wozu braucht es den Kantonalverband heute?
Grundsätzlich muss unser Verband den Züchterinnen und Züchtern einen Mehrwert bringen. Einerseits bieten wir ihnen Anlässe wie Eliteschau und Auktion, Weiterbildungen und die Züchterreise an. Andererseits vergünstigt unser Verband die Milchleistungsprüfung und die lineare Beschreibung für die Tiere der Mitglieder.
Wo drückt der Schuh heute in der Milchwirtschaft am stärksten?
Die Arbeitsbelastung durch Professionalisierung und steigende Betriebsgrössen ist eine grosse Herausforderung. Wer einen Betrieb führt, muss immer mehr leisten.
Was erwarten Sie vom Dachverband?
Im Aargau arbeiten die Milchviehzuchtverbände eng zusammen, denn das bringt Vorteile. Das erwarte ich vermehrt auch auf nationaler Ebene.