Für Jürg Iseli war es die erste Mitgliederversammlung, die er als Präsident des Berner Bauernverbands durchführen durfte. 112 Stimmberechtigte versammelten sich am Dienstagabend, 26. März 2024, in der Alten Reithalle in Thun. Durch den ganzen Abend begleiteten die Bauernproteste und die Wahlen die Versammlung. «Die Produzentenpreise müssen rauf, die Politik und die Marktakteure sind gefordert», so Iseli.
Noch friedliche Proteste
Schwung für seine Forderungen geben ihm die aktuellen Kundgebungen, die aus der Basis entstanden sind: «Diesen Schwung nehmen wir mit, und wir werden unsere Produzentenvertreter bei den Preisverhandlungen unterstützen», verspricht der Berner Bauernpräsident. Die Politik müsse spüren, dass die Landwirtschaft «noch» mit friedlichen Protesten auf sich aufmerksam mache. Wie es dann im Herbst aussehen werde, komme ganz darauf an, wie sich die Preisverhandlungen gestalten würden. Nicht nur die tiefen Produzentenpreise, sondern auch die steigenden Anforderungen von Politik und Gesellschaft – die Biodiversitäts-Initiative und Digiflux lassen grüssen – fordern den Verband mehr denn je.[IMG 2]
Alle an die Urne
«Bei der Biodiversitäts-Initiative haben wir mit der Energiewirtschaft, dem Tourismus oder mit Wald Schweiz eine breite Allianz, die mit uns gegen diese Initiative ist», freut sich Jürg Iseli. Würde die Biodiversitäts-Initiative vom Volk am 22. September an der Urne angenommen, hiesse das, dass 30 Prozent der Landesfläche für die Biodiversität ausgeschieden werden müssten. «Diese Initiative müssen wir bodigen. Damit dies gelingt, muss auch der Hinterste und Letzte an die Urne gehen», so Iseli. Auch punkto Digiflux müssten noch grosse Anpassungen vorgenommen werden, denn die Webanwendung sei in diesem Zustand «unbrauchbar» für die Landwirtschaft.
Auch kantonal steht der Berner Bauernverband vor grossen Herausforderungen: Erstens würden nur 75 Prozent der Berner Landwirtinnen und Landwirte den Mitgliederbeitrag beim Verband einbezahlen, und zweitens sei man mit der Inforama-Strategie nicht einverstanden. So habe letzten Herbst das Kantonsparlament die Pläne für die Konzentration der Inforama-Standorte an den Regierungsrat zurückgewiesen. «Wir sind im Gespräch, es läuft und es kommt gut», verspricht Iseli, der noch keine weiteren Details preisgeben will.
Neue Köpfe im Vorstand
Nicht nur politisch wurde an der Mitgliederversammlung diskutiert. In den statutarischen Geschäften standen vor allem die Wahlen im Mittelpunkt: Nach 16 Jahren musste man Abschied nehmen vom Vorstandsmitglied und Vizepräsidenten Heinz Kämpfer. Auch das Vorstandsmitglied Daniel Weber verlässt nach neun Jahren den Vorstand. Neu nehmen Beat Gerber, Bärau, und Fabienne Wyder, Büren a. A., Einsitz. Zum neuen Vizepräsidenten wurde mit Applaus Markus Lüscher, Schalunen, gewählt. Obwohl nicht anwesend, wurde auch die ehemalige Geschäftsführerin Karin Oesch, welche den Verband wegen Unstimmigkeiten verlassen hatte, verdankt.
«Wir haben gemerkt, es brodelt in der Bauernschaft»
An der Mitgliederversammlung des Bernischen Bauernverbands gibt es vorneweg immer eine Medienorientierung: Dabei waren dieses Mal Urs Haslebacher aus Lohnstorf und Felix Neuenschwander aus Signau. Die zwei Landwirte sind Hauptorganisatoren der Bauernproteste im Kanton Bern.
Positive Rückmeldungen
Im Februar starteten sie mit über 1000 Traktoren in Kerzers, Schüpbach, Bleienbach und Rüeggisberg mit einer ruhigen Mahnwache ohne jegliche Behinderung. Der Weckruf der Bauern richtete sich an die Verwaltung, die Politik und die Marktakteure. Die Versammelten forderten mehr Stabilität und Planungssicherheit, weniger Bürokratie, faire Preise und mehr Wertschätzung für die Arbeit und Produkte der Landwirtschaft. Letzte Woche gingen die Bauernproteste unter dem Motto Dialog statt Konfrontation weiter. «Wir haben gemerkt, es brodelt in der Bauernschaft», sagt Felix Neuenschwander. Deshalb habe man etwas unternehmen müssen, um auch im Kanton Bern eine «Bewegung» starten zu können. «Die Resonanz war bisher überwältigend», doppelt Urs Haslebacher nach. Vor allem auch in den nichtlandwirtschaftlichen Medien seien die Forderungen der Landwirtschaft endlich auch aufgenommen worden. «Dort konnte ich unsere Standpunkte und Problematik sachlich erklären», so Haslebacher. Für ihn bleibe es unverständlich, dass für vieles immer nur die Landwirtschaft verantwortlich gemacht werde, an dem eigentlich die ganze Gesellschaft daran schuld sei. Für beide Landwirte ist es wichtig, dass die Bewegung von der Basis aus gekommen ist, und jetzt liege es an den Verbänden und Akteuren, die Preisverhandlungen mit den Verarbeitern und Detailhändlern zu führen.
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Grosser Zusammenhalt
Aber nicht nur das: Unter den Bauern habe der «Weckruf» und die Kundgebungen einen grossen Zusammenhalt gebracht. Viele fühlten sich mit ihren Problemen plötzlich nicht mehr alleine gelassen. «Viele Teilnehmer sagten mir, dass sie an diesen Anlässen richtige Hühnerhaut bekommen haben», weiss Urs Haslebacher noch. Auch vonseiten der Polizei und der Konsumenten habe man nur positive Rückmeldungen erhalten. «Nach der Kundgebung in Schüpbach kam am Abend noch die Polizei auf den Platz und sie bestätigte uns, dass sie kein einziges Telefonat von Personen erhalten habe, die sich durch den Anlass gestört fühlten», bestätigt Neuenschwander. Ein gutes Zeugnis stellen die beiden auch den Landwirtinnen und Landwirten aus, die an den Kundgebungen teilgenommen haben. «Alles lief friedlich, ohne Zwischenfälle, und die Plätze wurden immer sauber und ohne Abfallberge verlassen», so Neuenschwander und Haslebacher.
Den Druck erhöhen
«Nun liegt es an uns, den Druck aus der Basis weiter nach oben zu den Verarbeitern zu erhöhen», zeigt sich der Berner Bauernpräsident Jürg Iseli kämpferisch. Bei den Preisverhandlungen werde der Berner Bauernverband die Produzentenvertreter unterstützen. «Die Produzentenpreise müssen um fünf bis zehn Prozent steigen, sonst werden wir im Herbst mit weiteren Aktionen und Kundgebungen auf uns aufmerksam machen», verspricht Iseli. pf