Um den Bauernverband beider Basel (BVBB) ist es ruhiger geworden. Noch im Frühling 2024 sah das anders aus. Grosse Geldnöte zwangen den Verband dazu, sich vom Geschäftsführer Peter Saner zu trennen. Die Bauern wurden darüber im März an der Generalversammlung informiert. Wie aber kann es funktionieren, einen Verband ohne Geschäftsleitung zu führen? Die BauernZeitung blickt mit BVBB-Präsident Marc Brodbeck zurück, aber auch nach vorne.
Herr Brodbeck, wie ging es Ihnen an der besagten Generalversammlung?
Marc Brodbeck: Gut, da wir transparent waren und nichts zu verbergen hatten. Entscheidend war auch, dass niemand Geld veruntreut hatte. Aufgeben oder den Verband zu begraben war für kein Vorstandsmitglied, inklusive Geschäftsführer, ein Thema.
Die Stimmung damals während der gesamten Versammlung blieb ruhig, hatten Sie damit im Vorfeld gerechnet?
Nein. Während meiner Zeit als Gemeindepräsident habe ich einige Versammlungen geführt. Aber wenn man mit so roten Zahlen an eine Generalversammlung antreten muss, ist man natürlich angespannt. In solchen Situationen sind die Versammlungsteilnehmer sehr direkt und kritisch. Dass unsere Mitglieder dem Vorstand wohlgesonnen waren, und sie den weiteren finanziellen Weg mit den Beiträgen mitgestalten konnten, hat mir sehr geholfen.
Wie geht es Ihnen heute und womit sind Sie als Präsident am meisten beschäftigt?
Ich schaue nach vorne. Das Wichtigste ist, dass ich jeden Tag meine Pendenzen abarbeiten kann. Strategien entwickeln, das Personal führen und die Termine einhalten, sind im Moment die Hauptaufgaben.
Bringt das Drei-Säulen-Prinzip mit Erhöhung Mitgliederbeiträgen, Erhöhung Deckungsbeitrag Versicherungen sowie der Personalkostenreduktion den gewünschten Effekt?
Grundsätzlich ja. Bereits an der Generalversammlung hatten wir aber darauf hingewiesen, dass die dunklen Wolken am Finanzhimmel nicht so schnell verschwinden werden. Die Situation bleibt insbesondere im Bereich Deckungsbeitrag Versicherungen sehr anspruchsvoll. Dies hat auch mit der Tatsache zu tun, dass die Prämien der Agrisano für die obligatorische Krankenpflege in der Prämienregion 1 (Agglomerationsgemeinden in der Nähe von Basel) aktuell nicht interessant sind und die Zahl der Versicherten zurückgeht.
«Wir unterstützen uns gegenseitig.»
Marc Brodbeck zur Aufgabenbewältigung im Vorstand.
Stand eine Fusion mit einem anderen Verband nie zur Diskussion?
In unserer Situation werden alle möglichen Szenarien diskutiert. Selbstverständlich gehören dazu auch Fusionsüberlegungen. Wir sind im Vorstand aber klar der Meinung, dass eine Standesvertretung nördlich des Juras für unsere Mitglieder wichtig ist und geschätzt wird. Abgesehen davon wären wir in der aktuellen finanziellen Situation jetzt auch nicht unbedingt die attraktivste Braut …
Vielfach steht und fällt ein Verband mit der Geschäftsführung. Der BVBB hat jedoch keine mehr. Wie sieht die Führung derzeit aus, wer übernimmt die Arbeiten, die normalerweise die Geschäftsführung erledigt?
Seit dem Weggang des Geschäftsführers ist das Personal direkt mir unterstellt. Auf dem Verbandsbüro arbeitet seit über neun Jahren unsere Angestellte. Sie hat klar mehr Verantwortung übernehmen müssen. Sie macht auch die Triage der Geschäfte, die hereinkommen und verteilt sie auf die zuständigen Vorstandsmitglieder und deren Ressorts. Das Unvorhergesehene landet meistens auch noch bei mir. Die Arbeit wird also auf verschiedene Schultern verteilt.
Funktioniert das immer reibungslos?
Im Grossen und Ganzen, ja.
Und auf die auftauchenden Probleme waren Sie und der Vorstand gefasst?
Nein. Aber ich darf sagen, dass meine Vorstandskolleginnen und Kollegen ihre Arbeit gut machen und wir uns gegenseitig unterstützen.
Haben Sie das Gefühl, merkt die Basis draussen, dass der BVBB keine Geschäftsführung hat?
Ich denke schon. Priorität haben im Moment die Tagesgeschäfte und die Termine. Das Verfassen unseres Mitteilungsblattes sowie die Kontaktpflege mit den Amtsstellen oder Organisationen ist auf ein Minimum reduziert.
«Priorität hat die Sicherung der Liquidität.»
Die sei die grösste Herausforderung für das neue Jahr, erklärt der Präsident.
Sind Engagements, etwa bei der Biodiversitäts-Initiative kleiner gewesen, oder bleiben einige ganz liegen, die sonst die Geschäftsführung übernommen hätte?
Abstimmungskampagnen strapazieren die Kräfte jedes Verbandes zusätzlich. Sei dies materiell, finanziell und auch personell. Liegen bleibt da aber nichts. Da können wir auch auf die professionelle Unterstützung des Schweizer Bauernverbandes (SBV) zählen, was ich sehr schätze.
Blicken wir nach vorne: Welche Herausforderungen hat der BVBB im neuen Jahr zu meistern?
Priorität hat die Konsolidierung der finanziellen Situation, insbesondere die Sicherung der Liquidität, denn ein Verband ohne finanzielles Rückgrat ist nur bedingt handlungsfähig. Daneben warten mit der sogenannten «Vegi-Initiative» (Ernährungs-Initiative) und der «Steinzeit-Initiative» (Umweltverantwortungs-Initiative) bereits die nächsten Agrar-Initiativen, die es mit aller Kraft zu bekämpfen gilt.
Was haben Sie das Gefühl, wie sieht der Strukturwandel im Baselbiet künftig aus?
Ich denke, dass sich der Strukturwandel im Baselbiet nicht markant von jenem in der übrigen Schweiz unterscheidet. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist Tatsache und bis zu einem gewissen Punkt zur Effizienzsteigerung auch notwendig. Problematisch wird es aus meiner Sicht aber spätestens dann, wenn Betriebe aus finanziellen Gründen vorzeitig zur Aufgabe gezwungen werden.
Noch im September zeigte sich der BVBB «kritisch bis ablehnend» gegenüber dem Naturpark Baselbiet. Hat sich an dieser Meinung seither etwas geändert?
Nein, der BVBB hat sich intensiv mit der Thematik befasst und ist zum Schluss gekommen, dass der Park für die Landwirtschaft deutlich mehr Risiken als Chancen bietet. Dies haben wir frühzeitig und unmissverständlich so kommuniziert. Wenn man jetzt sieht, wie zahlreich die Landwirte an die Gemeindeversammlungen strömen und sich gegen einen Beitritt zum Trägerverein Naturpark aussprechen, ist unsere Botschaft zweifellos an der Basis angekommen und verstanden worden (mehr dazu im Kasten).
Im Jahr 2019 bei Ihrem Antritt als BVBB-Präsident sagten Sie einmal: «Das Amt flösst mir einen gewissen Respekt ein.» Wie sieht es heute aus, denken Sie bereits an ein mögliches Ende, oder ist das kein Thema?
Ich denke vorwärts und nicht an das Ende. Die grösste Herausforderung ist, dass ich Familie, Beruf und Verband weiterhin unter einen Hut bringe. Das Wichtigste dafür ist die Gesundheit.
Kürzlich wurden Sie in den Vorstand des Schweizer Bauernverbands gewählt. Flösst Ihnen dieses Amt auch Respekt ein?
Ja, natürlich. Nach einer langen Bedenkzeit habe ich mich auch dafür entschieden.
Wie möchten Sie sich beim SBV einbringen, welche Themen brennen Ihnen unter den Nägeln?
Im Baselbieterlied heisst es «Mir wei luege». In einer ersten Phase bin ich gespannt, was da so alles für Pflichten auf mich zukommen und was für Wege ich gehen kann. Mein Herz schlägt für die Produktion und deren Erlöse an den Märkten, damit die Bauernfamilien ihre Rechnungen bezahlen und investieren können.
Unterschiedliche Ansichten zum Naturpark
Der BVBB steht einem Naturpark Baselbiet weiterhin kritisch gegenüber. Im Newsletter von Ende November bezweifelt der Vorstand, «dass der Naturpark für eine Mehrheit der Landwirtschaft einen Mehrwert und eine Wertschöpfung bringt». Gesehen werde die Gefahr, «dass die Landwirtschaft einmal mehr in ihrer Entwicklung eingeschränkt wird».
Anderer Meinung ist der Verein Naturpark Baselbiet. Er schreibt auf seiner Website: «Ein Naturpark bringt keine zusätzlichen Einschränkungen oder Verbote. Zudem werden keine Landwirt(innen) gezwungen, beim Naturpark mitzumachen. Es gibt keinerlei Zwang, die Produktion anzupassen und beispielsweise zukünftig nur noch ‹bio› zu produzieren.» Vielmehr biete der Naturpark die Gelegenheit, die Region ökologisch, wirtschaftlich und kulturell nachhaltig weiterzuentwickeln und zu stärken.
Die Zwischenbilanz Anfang Dezember, nach rund der Hälfte der Gemeindeversammlungen, fällt für den Naturpark-Verein gemischt aus. Die Fläche von 40 der angestrebten 100 zusammenhängenden Quadratkilometer sei erreicht, jedoch seien diese momentan nicht durchgehend verbunden.
Gleichzeitig würden Stimmen und Diskussionen über mögliche Referenden aus Gemeinden wahrgenommen, die den Naturpark abgelehnt hätten. Sollte, nachdem alle Gemeinden abgestimmt haben, die Mindestfläche von zusammenhängenden 100 Quadratkilometern erreicht worden sein, stelle der Kanton noch im Jahr 2025 ein Gesuch ans Bundesamt für Umwelt (Bafu) um Errichtung eines Naturparks. Das Bafu werde dieses bis im Herbst 2025 beantworten.