«In den Bergen ist es besonders herausfordernd, eine Zukunftsvision der Landwirtschaft zu entwickeln. So braucht es nicht nur den Einbezug der Alpwirtschaft, sondern auch die Möglichkeiten der Wertschöpfung und entsprechende Infrastruktur», sagte der Glarner Bauern­präsident Fritz Waldvogel am 20. April 2023 in Elm. 

Der Prozess ist im Gang

Anlass dazu war eine Medienkonferenz, an welcher das Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) seine neue Wegleitung «Entwicklungsprozess ländlicher Raum» (ELR) vorstellte. Glarus ist einer der ersten Kantone, welche diese zur Orientierung nutzen, um Grundlagen für eine standortangepasste Landwirtschaft zu erarbeiten. Dazu wurde das Koordinationsforum «Glarnerlandwirtschaft» gegründet, welches sich aus Vertreter(innen) unterschiedlicher Interessengruppen des Kantons zusammensetzt.

Daran beteiligen sich hauptsächlich die Landwirtschaft, Umweltverbände, Tourismus, Gemeinden sowie Genossenschaften. Während die Projektleitung unter anderem in den Händen von Regierungsrätin Marianne Lienhard liegt, ist das Amt für Landwirtschaft zuständig für die Prozessbegleitung. Je nach Themengebiet werden zudem entsprechende Fachleute miteinbezogen. 

Zukunftsbilder für alle Regionen

Seit Herbst 2021 hielt das Forum acht Treffen ab. Nach einer Analyse wurden für die vier Teilräume des Glarnerlands (Nord, Süd, Berggebiet, Alpgebiet) Zukunftsbilder erarbeitet. Beispiele, welche dabei genannt werden: 

Kreislaufwirtschaft: Verarbeitung und Vermarktung regionaler Rohstoffe in der Region

Klimaschutz: Kurze Transportwege und Massnahmen zur Reduktion der Klimagasemissionen

Gebäude: Bei Sanierungen Installation von thermischen Anlagen und Photovoltaik

Flexibilität: Unterschiedliche Tierrassen für standortangepasste Nutzung

Tourismus: Freizeitaktivitäten in dafür vorgesehenen Bereichen, Sensibilisierung der Bevölkerung für Littering

An den Treffen wurden zudem Ziele formuliert, so etwa die Steigerung der Lebensqualität, die Stärkung der Wertschöpfung aus Lebensmitteln und eine klimaverträgliche Landwirtschaft. Derzeit ist das Forum daran, konkrete Massnahmen auszuarbeiten.

Verschiedene Interessen auf dem Tisch

Dass bei der Zusammenarbeit unterschiedliche Ansichten und Interessenkonflikte zum Vorschein kamen, liegt wohl in der Natur der Sache. Anita Wyss, Geschäftsführerin von WWF Glarus, wies etwa drauf hin, dass der Kanton Glarus besonders hohe Treibhausgasemissionen aufweist. Sie plädierte dafür, nicht nur hauptsächlich auf die Viehwirtschaft zu setzen, sondern vermehrt auch auf den Anbau von Kartoffeln oder Dinkel. 

Demgegenüber betonte Regierungsrätin Marianne Lienhard: «Bei uns überwiegt das Grasland, unsere Landwirtschaft ist auf Milch und Fleisch ausgerichtet, eine Diversifizierung ist nur beschränkt möglich.»

Um gemeinsame Lösungen zu finden, brauche es den Dialog, hielt BLW-Direktor Christian Hofer fest. «Dabei ist es wichtig, Verständnis zu schaffen und dazu alle Interessengruppen einzubeziehen.» In diesem Sinn sei der Kanton Glarus ein Vorbild für andere Regionen.

Fokus auf dem Miteinander
Beim Entwicklungsprozess ländlicher Raum (ELR) handelt es sich um ein Instrument, bei dem alle Beteiligten Entwicklungsstrategien mit Zielen und Massnahmen erarbeiten. In den Prozess integriert werden vielfältige und zum Teil auch gegensätzliche Interessen. Das Ziel ist ein Miteinander bei der Zusammenarbeit zwischen Siedlungs- und Landwirtschaftsgebiet. Dahinter steht die Erfahrung, dass von verschiedenen Sektoren gemeinsam erarbeitete Lösungen langfristige Wirkungen zeigen. Der ELR wurde vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) in Zusammenarbeit mit der ETH und kantonalen Landwirtschaftsämtern entwickelt. Das Instrument war in seiner früheren Version unter dem Namen «Landwirtschaftliche Planung» bekannt.