Knut Schmidtke, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), wählte an der 16. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau klare Worte: «Wir brauchen auch eine disruptive Entwicklung im Biolandbau», sagte er. Das heisst: in Teilbereichen auch einen Bruch mit der bisherigen Herangehensweise.
Die Bio-Landwirtschaft müsse sich bereit machen für ein neues Paradigma, so Schmidtkes Botschaft. Demnach geht es heute nicht nur mehr darum, das eigene Land möglichst umweltschonend und im Einklang mit den natürlichen Kreisläufen zu bewirtschaften. Der biologische Landbau müsse in Zukunft auch Antworten liefern auf die drängenden Fragen der Zeit. mahnte Schmidtke.
Dazu gehöre zum einen die Ernährungssicherheit und zum anderen der ökologische Umbau der globalen Nahrungsmittelproduktion. Damit verbunden stelle auch der Trend zu einer vermehrt veganen Ernährung eine Herausforderung dar.
Eiweiss: Biotechnologie statt Fleisch von glücklichen Tieren
Bis in zwanzig Jahren lebten voraussichtlich 40 Prozent der Bevölkerung in Zentraleuropa vegan, prognostizierte Schmidtke – und stellte die Frage in den Raum: «Was können wir denen bieten?» Hier sei es nötig, die Bewirtschaftung von Grünland zu überdenken: «Rethinking Grassland» nannte er das auf Englisch. Das Ziel neben der Erzeugung tierischer Produkte: auch vegane Produkte von der Wiese. Ein Beispiel: Nüsse aus Agroforst.
Aufs Tapet brachte Schmidtke aber auch biotechnologische Verfahren, mit denen aus Gras Eiweiss für den menschlichen Verbrauch gewonnen werden könnte. «Ist das etwas für Bio? Schliessen wir uns dem an?», fragte Schmidtke an der Tagung. Und deutete die Antwort schon mal an: «Wir können auch im biologischen Landbau nicht mehr so weitermachen wie bisher.» So stelle sich auch der Bio-Landwirtschaft die Frage: «Wie viele Tiere sind langfristig für Umwelt und zur Ernährungs- und Einkommenssicherung tragfähig?»
Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft passen schlecht zusammen
Es gebe vonseiten des Grosshandels zusehends Druck, CO2-neutral zu produzieren, so Schmidtke. Aber: «Klimaneutralität ist innerhalb der Biolandbaus nur schwer möglich.» Auch Kompensation, etwa durch die Erzeugung von Solarstrom auf Landwirtschaftsland, sei wegen des grossen Flächenverbrauchs nicht immer einfach.
Im Fokus stehen muss laut Schmidtke neben der Reduktion der CO2-Äquivalente zugleich die Erhöhung der Erträge bei Einhaltung planetarer Grenzen. Dass diese je nach Kultur bis zu 50 Prozent geringer ausfallen als jene aus konventionellem Anbau sei ein Problem, so Schmidtke: «Es muss der Anspruch des biologischen Landbaus sein, auch zur Ernährungssicherheit beizutragen.» Schmidtkes Lösung heisst «ökologische Intensivierung». Um Bio zu bleiben, brauche diese aber einen klar definierten Rahmen, der sich an den planetaren Grenzen orientiere.
An der Basis regt sich Kritik an der Technologisierung
Abkehr von der Viehaltung, Intensivierung, Biotechnologie – für viele Biobauern alter Schule sind das Reizworte. Markus Lanfranchi von der Vereinigung Bio Etico sagt: «Bio hat irgendwann eine fatale Abzweigung genommen.» Sein Eindruck: «Man ist sehr hochmütig geworden, vertraut nur noch Studien und hochkomplexen Technologien.»
Bereits heute sei der Biolandbau stark industrialisiert und intensiviert, gibt Lanfranchi zu bedenken. Dies habe auch Konsequenzen für den Bauern: «Es braucht mehr Maschinen, Investitionen und danach höhere Profite, um die Kredite zu bedienen.» Mit Bio Etico will er deshalb zurück zu den Wurzeln: weniger Technologie, mehr Handarbeit, lokale Produktion und Vermarktung.
In Grünlandgebieten wie den Alpen gehöre dazu auch die Tierhaltung, sagt Lanfranchi mit Blick auf Veganismus und CO2-Neutralität. Dem Druck der Grossverteiler müsse sich der einzelne Betrieb nicht beugen: Für die Bauern von Bio Etico liege die Zukunft ohnehin in der regionalen Direktvermarktung.
Abkehr vom Grosshandel als letzter Ausweg
Ueli Künzle, selbst Biobauer erster Stunde, verweist auf die technologische Euphorie der 1960er-Jahre und erinnert an die ursprüngliche Bio-Philosophie, mit möglichst wenig Eingriffen natürliche Lebensmittel zu produzieren. Dies sei bei importierten veganen Produkten oder Bio-Convenience nicht mehr immer der Fall. Bio-Suisse-Sprecher David Herrmann stellt die Frage: «Muss denn alles, was ökologisch ist, auch Bio sein?»
Der Vorteil an Bio sei heute, dass sowohl Politik als auch Einkäufer genau wissen, was sie erhalten, so Herrmann: «Ein Rundum-sorglos-Paket.» Dem bisherigen Weg treu bleiben will man bei Demeter: Verena Wahl vom Schweizerischen Demeter-Verband sagt: «Eine klassische Intensivierung mit hohem externem Input und hohen externen Kosten wird nicht angestrebt.»