«Eine verordnete Reduktion des Rindviehbestandes ist verantwortungslos. Es führt kein Weg an der Kuh vorbei», sagt Reto Grünenfelder. Er begrüsste zur 26. Delegiertenversammlung der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter ASR in Zollikofen BE.

In seiner Ansprache orientierte er sich am Wort Amerika. «Hinter dem Wort Amerika stehen teilweise sehr grosse Herausforderungen», so der ASR- Präsident, der auch Präsident von Braunvieh Schweiz ist.

A – M – E – R – I – K – A

A wie Agrarpolitik: In der Agrarpolitik sei die Landwirtschaft mit immer mehr Entscheidungsträgern konfrontiert, denen Stallgeruch und Bodenhaftung wenig bekannt seien. Die klare Ablehnung der Massentierhaltungsinitiative habe das Bild leider nicht korrigieren können. Die Vorschriften würden stets anforderungsreicher und komplexer. Kaum jemand habe noch den Durchblick, ist Reto Grünenfelder sicher.

M wie Markt: «Die Preise sind sehr entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Betriebe sowie die Motivation und Zuversicht der Familien», sagt Reto Grünenfelder. Er spricht von guten Preisen, doch die Kosten hätten die Mehrerlöse weggefressen. Der Arbeitsverdienst sei daher auf vielen Milchwirtschaftsbetrieben ungenügend. Ein Hauptgrund für ihn, dass der Rückgang der Milchbetriebe ungebrochen sei.

E wie Ernährungssicherheit: Kriege, Bevölkerungswachstum und der fortlaufende Kulturlandschutz würden für die Ernährungssicherheit grosse Einbussen mit sich bringen, so Reto Grünenfelder. Umso unverständlicher sei für ihn daher das politische Getöse, mit dem die Inlandversorgung weiterhin geschwächt werde. Der Kuh komme im Grasland Schweiz auch weiterhin eine Schlüsselrolle zu.

RI zur Regulierung des Wolfsbestandes: Der Wolf gefährde nicht nur die Weidehaltung sondern auch die Rinderhaltung. Das Raubtier kenne seine Grenzen nicht mehr, zumal es ein Hochleistungssportler sei und die Herdenschutzmassnahmen nicht genügten. Die nächste Stufe, Angriffe auf Menschen, sei zu erwarten.

K wie Kuh und Klima: Noch vor wenigen Jahren habe man gesagt, die ganze Schweiz identifiziert sich mit der Kuh. Die Klimadiskussion habe die Kuh zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückt, ist Reto Grünenfelder überzeugt. Der Methanausstoss der Kühe werde bedauerlicherweise zu Unrecht mit jenem aus der Nutzung fossiler Brennstoffe gleichgesetzt.

A wie ASR: «Effiziente und produktivere Tiere haben eine klar tiefere Umweltwirkung», leitet Reto Grünenfelder in den letzten Buchstaben des Worts Amerika über. Hier würden die Rinderzuchtorganisationen schon seit vielen Jahren ihre Hausaufgaben ausführen.

Roboterdaten noch nicht gelöst

Matthias Schelling, Direktor Swissherdbook, spricht ebenfalls von Herausforderungen. Zum einen erwähnt er den Datenfluss, der noch gewisse Aufwände nötig habe. Denn obschon die Datenerfassung auf Roboterbetrieben zwar vollzogen werde, würden die Daten nicht einfach so in die Datenbank der Zuchtverbände fliessen. Erschwerend sei, dass die Schweiz hier aufgrund ihrer Grösse kein entscheidendes Gewicht habe. Weiter sei «Rot und Blau und all die anderen Farben» wenig an einem Austausch interessiert.

Schwarze Schafe schaffen Arbeit

Auch die Kommission Ausstellungskontrolle hält die ASR auf Trab. «Für 5 Prozent schwarze Schafe braucht es 95 % der Arbeit», sagt Matthias Schelling. Das ASR-Ausstellungsreglement habe Lücken, welche gerne genutzt würden. Eine Sanktion habe heute meist eine Reaktion eines Anwalts zur Folge, was für die ASR mit viel Aufwand verbunden sei. In diesem Bereich habe man in die Ausbildung der Vorringkontrolle und in die Anpassung des Reglements investiert. Zudem stehe die ASR in stetem Austausch mit dem zuständigen Bundesamt. «Das Tierwohl muss stets gewährleistet sein, dass müssen sich die Organisatoren von Ausstellungen bewusst sein», präzisiert Reto Grünenfelder.

Michel Geinoz, Direktor Holstein Switzerland, konnte zudem ein positives Resultat aus der ASR-Rechnung präsentieren.

Casanova wird Ehrenmitglied

Die 26. ordentliche Delegiertenversammlung stand auch im Zeichen des Abschieds von Lucas Casanova. Der langjährige Direktor von Braunvieh Schweiz geht schon bald in Pension. Sein Engagement in verschiedenen Gremien der Viehzucht, unter vielen anderen in der ASR, wurde an der Versammlung gebührend verdankt. Martin Rust wird im August seine Aufgabe bei Braunvieh Schweiz übernehmen. Er wurde an der ASR-DV daher auch als Nachfolger von Casanova in den Vorstand der ASR gewählt.

Die Liste der Erfolge, die Reto Grünenfelder seinem Noch-Direktor zuschreibt, ist lang. Grünenfelder konnte Casanova daher auch die ASR-Ehrenmitgliedschaft überreichen.

Referat: Kulturlandschaft Schweiz heisst nicht nur Wolf, Bär und Biber

Eigentlich wollte der Biologe Marcel Züger, der im Kanton Aargau ein Ökobüro führt, mit Wölfen nichts zu tun haben, sondern sich um die Landschaftspflege kümmern. Wer aber die Kulturlandschaft schützen wolle, komme am Wolf nicht vorbei, erklärte der Biologe in seinem Referat im Anschluss an die ASR-DV.

Die Kulturlandschaft in der Schweiz sei massgeblich durch die Weidehaltung geprägt. Züger nennt die Weidetiere deshalb gelebte Nachhaltigkeit.

Ein Fladen für eine ganze Familie

Als Beispiel verweist der Biologe auf den Kot von weidenden Tieren. Ein Kuhfladen sei «Turbo-Boost für Insekten». Von einem Kuhfladen könnten sich so viele Insekten ernähren, dass diese einen ganzen Jahresbedarf einer Meisenfamilie deckten, ergänzt er.


Keine Ko-Existenz

Auf Weiden lebe eine Vielfalt und nicht einfach Wolf, Bär und Biber. Seit gut 500 Jahren sei der Wolf weitgehend ausgerottet. Diese Weide- und Alpwirtschaft, wie wir sie heute kennen würden, sei erst danach möglich geworden. «Es gab nie eine Ko-Existenz von geregelter Weidewirtschaft und Grossraubtieren», sagt der Biologe. 

Er ist anpassungsfähig

Die ganze Nordhalbkugel ist besiedelt. Der Wolf hat wenig Ansprüche an seinen Lebensraum. Das ist auch der Grund, weshalb er sehr erfolgreich ist. «Die brauchen keinen Wald oder keine Berge, die brauchen einfach Fleisch», so Züger. In der Schweiz verdoppeln sich die Bestände alle zwei Jahre. Mit Bildern von gerissenen Rindern erklärt Züger, dass es so weitergehen werde. Und wenn die Wölfe erst einmal lernen würden – und das täten sie rasch – dann seien grosse Weidetiere die Norm auf dem Speisezettel.

Strom bringt Leid

«Wenn ein Wolf springt, hat er keinen Bodenkontakt. Dann hilft auch Strom nicht. Die springen über 1.70 m», sagt Züger, der Bilder aus Brandenburg DE zeigt, wo Zäune in enormer Höhe aufgestellt werden. Genau diese würden aber, wie auch bereits tiefere Zäune, ein Wanderhindernis darstellen. Die stets stärkeren Stromschläge führten zu grossen Kollateralschäden. «In meinen Augen müsste jeder Naturschützer und Biologe hier wach werden.» Züger bemängelt, dass der Schutz des Wolfes über alles gestellt werde und der Tod anderer Nutz- und Wildtiere, wie Igel, die in Zäunen zu Tode gestromert werden, einfach hingenommen werde.

Wolf gewöhnt sich an den Herdenschutz

Zum Herdenschutz sagt Züger, dass die Wölfe sich auch an die Hunde gewöhnen würden. Auch sie seien schliesslich nur Fleisch. Mit Bildern von türkischen Herdenschutzhunden zeigt der Biologe effiziente Rassen. Auf den Bildern wird klar, dass diese Hunde nie mit dem Tourismus in der Schweiz vereinbar sein dürften.

Die Risse im Kanton Graubünden haben sich von 2021 auf 2022 mehr als verdoppelt (517) Während noch 2020 nur etwa 15 % der gerissenen Tiere hinter korrektem Herdenschutz waren, waren es 2022 bereits 70 %. «Der Wolf ist nicht blöd», fasst der Biologe die Anpassungsfähigkeit des Grossraubtieres zusammen. Er hofft, wie wohl andere auch, auf Bundesrat Albert Rösti und darauf, dass ein vernünftiges Management mit dem Wolf vorangetrieben werde.