Der Nationalrat hat am Freitag drei Vorstösse angenommen, um den Einkaufstourismus zu bremsen. Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) schlägt vor, die Wertfreigrenze für den Einkauf im Ausland zu senken. Sind Sie zuversichtlich, dass ein politischer Entscheid zustande kommt?
Markus Waber: Wir begrüssen es, dass der Nationalrat den Handlungsbedarf erkannt hat. Wir sind vorsichtig optimistisch, dass diese Vorstösse inzwischen auch im Ständerat mehrheitsfähig sind.
Welche Erwartungen hat der VSGP an die Politik in Sachen Einkaufstourismus?
Mit unserem Vorschlag, die wertmässige Freigrenze im Reiseverkehr für Lebensmittel auf zum Beispiel fünfzig Franken pro Person und Tag zu reduzieren, möchten wir, dass der Wocheneinkauf in der Schweiz attraktiv bleibt und dadurch die Schweizer Gemüseproduktion gestärkt wird und dass die Politik sich auch hier klar zur einheimischen Produktion bekennt.
De VSGP hat zusammen mit anderen landwirtschaftlichen Verbänden eine Studie zu den Folgen einer möglichen Agrarliberalisierung in Auftrag gegeben. Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse bezüglich Schweizer Gemüsebau?
Die Studie hat ergeben, dass weder die Struktur- noch die Arbeitskosten auf das Preisniveau im grenznahen Ausland gesenkt werden können und sie würden selbst bei einem Agrarfreihandelsabkommen nicht sinken. Es ist also unmöglich, dass Schweizer Produzenten und Grosshändler die Kosten bei zentralen Produktionsfaktoren entscheidend senken können. Die Unterschiede der Produzentenpreise zwischen der Schweiz und wichtigen Konkurrenzländern in der EU sind erheblich. Darum ist das aktuelle System im Gemüsebau, bei welchem der Grenzschutz zentral ist und die Direktzahlungen eine untergeordnete Rolle spielen, gerechtfertigt und muss unbedingt gewahrt werden.
Wie war das Jahr 2020 für die Gemüseproduzenten?
Wie für so viele Branchen wird dieses Jahr in die Geschichtsbücher eingehen. Die Gemüsegärtnerinnen und Gemüsegärtner leisteten in diesem Jahr sehr viel. Das Gemüse war während des Lockdowns im Detailhandel und in den Hofläden sehr gefragt. Der Gastrokanal wurde zeitweise praktisch eingestellt. Einige Gemüse konnten umgeleitet werden. Das Zusammenspiel von Produktion und Handel funktionierte sehr gut und die Versorgung der Bevölkerung mit frischem Schweizer Gemüse konnte jederzeit gewährleistet werden. Normalerweise werden viele Schweizer Spargeln über den Gastrokanal abgesetzt. Dieser Ausfall konnte aber durch die grosse Nachfrage über die Direktvermarktung und den Detailhandel kompensiert werden. Die Arbeitskräfte konnten auch mit einem zusätzlichen Effort in die Schweiz einreisen, aber auch auf das inländische Personal wurde kurzfristig gesetzt – die Solidaritätswelle in der Schweizer Bevölkerung hat uns überwältigt. Viele, die einmal im Gemüsebau arbeiten wollten, konnten diese Erfahrung machen und stellten teilweise sehr schnell fest, dass sie dieser körperlich anstrengenden Arbeit nicht gewachsen sind. Die Einhaltung und Umsetzung der Schutzkonzepte sorgte auch für einen Mehraufwand. Trotz aller Herausforderungen konnten die Betriebe viele neue Erfahrungen sammeln und können generell auf eine gute Saison zurückblicken.
Was beschäftigt den VSGP nächstes Jahr am meisten?
Auf politischer Ebene werden uns die anstehenden Pflanzenschutzmittel-Initiativen beschäftigen. Die Gemüsegärtner(innen) arbeiten mit der Natur und mit Menschen. Sie sind darauf angewiesen, dass sie sich in ihrem Beruf entfalten, innovativ sein und ihren Betrieb optimieren können. Sie gehen viele Risiken ein und haben hohe Investitionskosten. Demgegenüber stehen sehr viele Anforderungen von Politik, Handel und von den Konsumenten. Es wird zunehmend eine Heraus-forderung, die gesellschaftlichen Forderungen mit der Marktrealität in Einklang zu bringen.
Das Interview wurde schriftlich geführt.