Seit Inkrafttreten des Gentechnikgesetzes im Jahr 2004 hat sich die Biotechnologie rasant weiterentwickelt. Zuvor war es nur möglich, vollständige Gene in einen anderen Organismus zu transferieren. Mit neuen gentechnischen Verfahren wie Crispr-Cas können Eingriffe im Erbgut eines Organismus nun gezielter erfolgen. In technischer und rechtlicher Hinsicht sind diese Verfahren als gentechnische Verfahren einzuordnen.
Es herrscht Funkstille
Es ist aber unklar, ob die hergestellten Produkte der heutigen Gesetzgebung als gentechnisch veränderte Organismen gelten oder nicht. Aus diesem Grund hat der Bundesrat Ende November 2018 eine Anpassung des Gentechnikgesetzes an die neuen technischen Entwicklungen in Aussicht gestellt. Die zuständigen Bundesstellen haben den Auftrag erhalten, abzuklären, wie sich die neuen gentechnischen Verfahren und die damit hergestellten Produkte entsprechend den Risiken für Menschen, Tiere und Umwelt kategorisieren lassen.
Im Frühsommer 2020 hätte sich der Bundesrat laut Auskunft des Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) zu einer entsprechenden Anpassung des Gentechnikgesetzes äussern sollen (wir berichteten). Seither wurde vom Bundesrat zu diesem Thema nichts mehr kommuniziert. Die BauernZeitung hat beim BLW nachgehakt.
Bundesrat: Kein natürlicher Eingriff
Gemäss dem BLW ist die letzte Stellungnahme vom Bundesrat zu diesem Thema knapp ein Jahr her. Damals lehnte dieser die Motion 19.4050 von Christian Wasserfallen (FDP-Liberale Fraktion) ab. Wasserfallen forderte, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ohne artfremdes Erbgut regelt und klarstellt.
Der Bundesrat begründete damals seinen Entscheid damit, dass die neuen Verfahren in das genetische Material des Zielorganismus eingreifen und ihn so verändern, wie es unter natürlichen Bedingungen nicht vorkommt. Sie würden daher in «technischer und rechtlicher Hinsicht als gentechnische Verfahren» eingeordnet.
Ausgenommen von der Einordnung sei die Mutagenese, mit welcher durch Bestrahlung oder Verwendung chemischer Mittel eine Mutation im Erbgut von Lebewesen hervorgerufen werden kann. Dieses Verfahren zählt zu den herkömmlichen gentechnischen Verfahren. Für Mutagenese bestehe bereits eine lange und sichere Praxis, für die «Genomeditierung» – dazu zählt auch Crispr-Cas – hingegen fehlten Informationen über Umwelteffekte. Zudem könne nicht belegt werden, dass mit genomeditierten Pflanzen der Pflanzenschutzmitteleinsatz reduziert werden könne.
Stellungnahme vom Bundesrat noch ausstehend
Eine Stellungnahme vom Bundesrat zur angekündigten Anpassung des Gentechnikgesetztes ist scheinbar noch pendent. Dies geht auch aus einer kürzlich eingereichten Interpellation (20.4150) der FDP-Liberalen Fraktion hervor. Sie wünschen sich vom Bundesrat eine differenzierte Regulation von Organismen, die durch Genomeditierung verändert wurden und keine artfremde DNA enthalten. So erzeugte Organismen entsprechen nicht der klassischen Definition eines «gentechnisch veränderten Organismus» und werden vom bestehenden Gentechnikgesetz nur unzureichend erfasst, argumentieren sie. Eine rechtliche Einstufung sei zentral, um das Potenzial der gentechnischen Verfahren für nachhaltige Lösungen einsetzen zu können.
Die eingereichte Interpellation wurde bisher vom Nationalrat noch nicht behandelt.
Nächste Abstimmung des Gentechnik-Moratoriums 2021
Das aktuelle Gentech-Moratorium, das den Anbau von genetisch veränderten Organismen in der Schweiz verbietet, ist bis Ende 2021 befristet. Bisher haben gemäss der BauernZeitung vom 9. April bereits gewichtige Vertreter aller grossen Parteien eine Forderung nach einer weiteren Verlängerung des Moratoriums unterschrieben. Darunter auch der Schweizer Bauernverband.
Ausgenommen vom Moratorium ist die Forschung. Seit 2014 werden Freilandversuche durch Agroscope am Standort Reckenholz ZH mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchgeführt. Einerseits sollen Fragen geklärt werden, wie sich diese Pflanzen in der Umwelt verhalten, andererseits sollen neue genetisch veränderte Pflanzen für die Landwirtschaft hinsichtlich Nutzen und Risiken untersucht
werden.