[IMG 2]«Die Nachfrage ist gross, wir kommen mit der Produktion fast nicht hinterher. Wir könnten drei Mal so viele Glocken verkaufen, wenn wir die nötigen Mitarbeiter dazu hätten», sagt Roger Kern, Geschäftsleiter der Glockengiesserei Berger GmbH in Bärau BE.
Neben den Schweizern stürzen sich auch die Amerikaner, Kanadier oder die Deutschen regelrecht auf das Geläut aus dem Emmental, produziert in dem traditionellen Familienbetrieb der Glockengiesserei Berger. So ist es nicht verwunderlich, dass die Wartefrist für eine Glocke bis zu acht Wochen dauern kann. Daher mache es auch keinen Sinn, gross Werbung zu machen. «Wir finden einfach keine guten Leute, welche uns in der Glockengiesserei unterstützen möchten», bedauert der Geschäftsleiter. Mindestens ein Jahr dauere es, bis man das Handwerk des Glockengiessers einigermassen verstehen würde.
Wie in einem Bienenhaus
Es ist ein gewöhnlicher Dienstagnachmittag. Im Verkaufsladen der Glockengiesserei Berger summt es wie in einem Bienenhaus. Ist ein Kunde gegangen, kommt schon der nächste: «Kannst du mir an dieser Glocke einen neuen Riemen montieren?», fragt ein Landwirt aus der Region. Zeitgleich wartet ein schön gekleidetes Ehepaar auf ihre bestellte Glocke. Roger Kern und seine Frau Kerstin Milde haben alle Hände voll zu tun. Keine Spur, dass die Familie Berger-Kern auf ihren Glocken sitzen bleiben würden, keine Spur, dass das Geschäft nicht laufen würde. Im Gegenteil: «Natürlich machen wir weiter», sagt Kern bestimmt und dementiert das Gerücht, dass die Glockengiesserei Berger bald ihre Tore schliessen will.[IMG 3]
Im Verkaufsladen – oder besser gesagt im Schauraum – gibt es alles, was das Herz begehrt. Vom kleinsten Glöckchen bis hin zur grössten Treichel – die Palette ist gross bei Bergers. «Die Glocken produzieren wir selbst, die Treicheln lassen wir anfertigen. So auch die verschiedenen Riemen – schlicht schwarz oder geschnitzt: Diese werden in der eigenen Sattlerei und in Zusammenarbeit mit einem Künstler aus Sumiswald BE hergestellt. Jede einzelne Glocke ist ein Einzelstück und ein Kunstwerk zugleich.
In der fünften Generation
[IMG 4]Roger Kern, der in der fünften Generation das Familienunternehmen führt, kommt eigentlich aus der IT-Branche. Durch Umwege hat er ins Familiengeschäft gefunden. Durch Einheirat einer Generation wurde der Name Berger durch Kern abgelöst. Der jetzige Betriebsleiter Kern hat die Website der Glockengiesserei Berger ins Leben gerufen, spricht perfekt Englisch und ist weltweit vernetzt. «Heute verkaufen wir sehr viele Glocken und Treicheln über das Internet», sagt er. Dabei wickeln sie für ihre Kunden auch die Zollformalitäten ab, so dass für die ausländischen Käufer kein zusätzlicher Aufwand besteht.
«Dank dieser Dienstleistung und meinem Englisch konnten wir den amerikanischen Markt erobern», ist Kern überzeugt. Dabei sei den Amerikanern der Preis einer Glocke zweitrangig, Hauptsache, sie haben ein originelles Geschenk oder ein Andenken aus der Schweiz. Immer wieder kommen auch Amische ins Emmental – eine täuferisch-protestantische Glaubensgemeinschaft, die überwiegend in den USA lebt –, um ihre Vorfahren, die Täufer, oder besser gesagt deren alte, noch vorhandene Verstecke im Trub BE zu besichtigen. «Auf ihrer Rückreise kommen sie dann in unser Geschäft und wollen ein schönes Souvenir mit nach Hause nehmen», sagt Kern erfreut.
Das Herzstück
Gleich neben dem Verkaufsladen ist die Glockengiesserei – das Herzstück der Firma – angegliedert. Es zischt, dampft und hämmert in der Werkstatt. Vater René Kern, 76-jährig, ist daran, eine neue Glocke zu formen. Der Giessermeister versteht sein Handwerk wie kein Zweiter. Er weiss, vorauf es ankommt, damit die Glocke am Schluss ihren hellen Klang bekommt. Je dicker die Glocke, desto höher der Ton, je dünner, desto tiefer. Die Basis jeder Glocke ist eine sogenannte Mutterglocke. Kerns besitzen rund fünfzig Modelle davon. «Zum Teil sind diese Mutter-glocken über 100-jährig», sagt der Betriebsleiter. Vater Kern legt einen Formkasten über das Modell und füllt mit geübten und schwungvollen Bewegungen den eisernen Formkasten mit quarzhaltigen Natursand. Von der vielfachen Wiederverwendung ist das Material braun und gut verformbar.[IMG 5]
Ideale Geschenke
Mittlerweile kommen längst nicht nur Kühe und Geissen in den Genuss, mit Glocken verziert zu werden. Heutzutage sind die bronzenen Perlen beliebte Hochzeits- oder Geburtstagsgeschenke, Schwingfestpreise oder andere Ehrengaben. Normalerweise geht rund die Hälfte der Produktion in das landwirtschaftliche Gewerbe. Die andere Hälfte machen Geschenke für private Anlässe aus, rechnet Roger Kern vor.
Jetzt klopft Vater Kern die Formhälften auseinander und entfernt das Modell vorsichtig aus seinem sandigen Mantel. Elegant bepudert er die Kernform mit dem mehlartigen Talg. Dieser dient dazu, dass sich das eingegossene Kupfer später gut vom Modell löst. Jeden Abend giesst das Team rund zwölf Glocken in diversen Grössen und Formen. Jede Glocke hat die vom Kunden gewünschte Beschriftung, Siegel oder Stempel. Als Ausgangsmaterial dient eine Legierung aus Kupfer und Zinn. «Das genaue Rezept verraten wir nicht», so Kern, das sei ein streng behütetes Familiengeheimnis.
Keine Ausbildung
In der Schweiz gibt es mittlerweile nur noch rund sechs Glockengiessereien. Eine offizielle Ausbildung als Glockengiesser(in) existiert bisweilen nicht mehr. Am Ende des Rundgangs zeigt Roger Kern noch ein paar frisch produzierte Glocken, welche für die kommenden Schwingfeste reserviert sind. An diesem heimeligen Ton dürfen sich nicht nur die Schwinger freuen, sondern auch die, welche eine Berger-Glocke als Geschenk mit nach Hause nehmen dürfen.[IMG 6]