Der Thurgauer Regierungsrat hat Hermine Hascher als Delegierte für die Mitwirkung beim Hochwasserschutzkonzept Thur3 eingesetzt. Die 64-jährige Thurgauerin ist mit dem Kanton bestens vertraut: Von 2000 bis 2011 war sie Geschäftsführerin des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL), zudem sass sie von 2004 bis 2011 im Kantonsrat. In den letzten Jahren arbeitete die promovierte Agronomin für verschiedene nationale Organisationen, unter anderem für die Agridea.
Rolle als unabhängiges Bindeglied
«Das ist eine optimale Mischung aus Nähe und Distanz», sagte Regierungsrat Dominik Diezi vor einer Woche an einer Medienorientierung zum Start der Projektorganisation Thur3 in Müllheim. Als Delegierte sei Hermine Hascher ein unabhängiges Bindeglied zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen der Thur-Konferenz, welche die Mitwirkung auf regionaler Ebene regelt.
[IMG 2]
Die jahrelange Konzeptphase soll nun ein Ende haben: Nachdem der Thurgauer Regierungsrat grünes Licht gegeben hat, ist das Hochwasserschutzprojekt Thur3 nun in die Phase der Umsetzung getreten. Die Umsetzung erfolgt etappenweise während der nächsten rund 30 Jahre. Die Kosten belaufen sich auf geschätzte 360 Mio. Franken. «Handeln ist dringend angezeigt», sagte Regierungspräsident Walter Schönholzer an der Medienorientierung. Die Frage laute nicht, ob ein grösseres Ereignis eintreffen werde, sondern wann.
Die Gewässersohle sinkt immer mehr ab
Walter Schönholzer erinnerte an das Hochwasser, welches erst kürzlich Teile des Kanton Wallis heimgesucht hatte. Bei einem grösseren Unwetter müsse mit weitreichenden Schäden gerechnet werden, an Siedlungen, Landwirtschaft sowie Industrie- und Gewerbezonen – somit dürften auch die wirtschaftlichen Folgen nicht unterschätzt werden. «Gerade im dicht besiedelten Thurtal ist ein entsprechender Hochwasserschutz ernst zu nehmen», so der Regierungspräsident.
Dringendes Handeln sei notwendig, weil das Thurbauwerk in die Jahre gekommen sei, hielt Dominik Diezi, Vorsteher des Departements für Bau und Umwelt, fest. Er nannte unter anderem das Problem der Gewässererosion: «Die Gewässersohle sinkt stetig tiefer ab, wodurch Uferverbauungen unterspült werden und Brückenfundamente gefährdet werden.»
Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche
Besonders heikel ist laut Diezi, dass durch die Absenkung das Grundwasser direkt in die Thur fliesst und damit verloren geht. Im Rahmen von Thur3 sollen die Dämme erneuert werden und den Fluss innerhalb der Dämme zu revitalisieren. Für die Landwirtschaft bedeutet dies, dass rund 212 Hektaren Kulturland verloren gehen. «Das tut weh», räumte Walter Schönholzer ein. Man sei darum bemüht, den Verlust von landwirtschaftlicher Nutzfläche möglichst gering zu halten.
Die Landwirtschaft könne jedoch auch profitieren, in dem mit den Hochwasserschutzmassnahmen rund 3750 Hektaren Kulturland vor Überflutungen geschützt würden.
Unterschiedliche Interessen prallen aufeinander
«Um Zielkonflikte kommen wir nicht herum», so Schönholzer. «Dabei gilt es, verschiedene Interessen gegeneinander abzuwägen.» Da die Interessen von der Landwirtschaft, den Umweltverbänden und den Gemeinden sehr unterschiedlich vertreten werden, setzt der Thurgau auf eine breit abgestützte Mitwirkung.
«Wir werden uns alle anhören», sagte die zur Begleitung der Mitwirkung neu eingesetzte Hermine Hascher. Sie werde für Transparenz, Offenheit und Allparteilichkeit einstehen, wie sie betonte. Maja Grunder, Präsidentin des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL) begrüsste es, dass Hascher mit der Landwirtschaft vertraut sei. Grunder sagte, die Ängste und Sorgen der Bauernfamilien, die mit dem Verlust von Kulturland konfrontiert würden, seien ernst zu nehmen. «Zudem ist nach dem 22. September klar geworden, dass die Bevölkerung keinen extremen Ausbau der Biodiversität will». Daher solle es bei Thur3 nicht um diese gehen, sondern primär um den notwendigen Hochwasserschutz.
Er sei grundsätzlich einverstanden mit Thur3, sagte Toni Kappeler, Präsident von Pro Natura Thurgau und Vertreter der IG Lebendige Thur. Doch kritisierte er unter anderem, dass die vom Kanton ermittelte Sohlenbreite von 80 bis 100 Meter zu gering sei. Entsprechend resultiere daraus ein zu geringer Gewässerraum. Er erinnerte daran, dass die Sohlenbreite ursprünglich bis zu rund 220 Meter betrage.
