Die Puure-Hilf ist ein Angebot der Zürcher Landfrauen-Vereinigung und des Zürcher Bauernverbands (ZBV). Sie wurde im September 2018 gegründet, indem die früheren Dienstleistungen «Offeni Tür» und das «Sorgentelefon» zusammengeschlossen wurden. Die BauernZeitung im Gespräch mit dem Agronom Pablo Nett, welcher die Notfallnummer der Puure-Hilfe betreut:
Die Puure-Hilf Zürich gibt es nun seit fast vier Jahren. Wie häufig wird sie genutzt?
Pablo Nett: Wir nehmen um die 50 Anrufe pro Jahr entgegen. Diese Zahl ist in etwa konstant, auch während der Coronazeit hat sich daran wenig geändert. Offenbar konnten unsere Bauern gut mit der Pandemie umgehen.
Über die Notfallnummer sind Sie rund um die Uhr erreichbar. Gibt es auch Anrufe, die spätabends oder am Wochenende kommen?
Die meisten Anrufe erhalten wir zwischen 8 und 19 Uhr. Ausserhalb dieser Zeiten kommt es selten vor. Dass uns am Wochenende ein Notfall erreicht, geschieht etwa alle zwei bis drei Monate.
Um welche Probleme handelt es sich bei den Notfällen?
Häufig sind es persönliche Probleme, beispielsweise aufgrund einer Überbelastung, auch bekannt als Burn-out, obwohl die Betroffenen es selten so direkt benennen. Immer wieder werden uns zudem finanzielle Probleme gemeldet, etwa, wenn sich jemand verschuldet hat. Ausserdem erreichen uns Paar- und Generationenkonflikte. Und natürlich Notfälle, wie beispielsweise ein Todesfall in der Familie.
Sind es eher Frauen, die sich melden?
Das ist unterschiedlich. Aber es ist schon so, dass Männer eher Überwindung brauchen, sich Hilfe zu holen. Der Leidensdruck muss schon sehr hoch sein. Frauen merken es früher. Nicht selten meldet sich die Ehefrau, auch wenn der Partner der Direktbetroffene ist. Sie realisiert etwa, dass er überlastet ist und dringend Hilfe benötigt. Wir können jedoch nur helfen, wenn der Betroffene selbst auf uns zukommt. Für die Ehefrau kann es dann viel Mühe kosten, ihren Mann zu überzeugen, Unterstützung zu beanspruchen. Einmal musste eine Anruferin zuerst selbst ein Coaching beginnen, bis ihr Partner schliesslich ebenfalls in ein Hilfsangebot einwilligte.
Wie gehen Sie vor, wenn das Notfalltelefon klingelt?
Zunächst versuchen wir, eine Auslegeordnung zu machen und herausfinden, wie es zum Problem gekommen ist. Das Wichtigste ist, Vertrauen zu schaffen und der betroffenen Person zu zeigen, dass sie sich selbst helfen kann. Im besten Fall reicht dieser erste Kontakt bereits, um genau dies zu erreichen. Manchmal braucht es mehrere Gespräche. Dann legen wir mit der Person das weitere Vorgehen fest, so vermitteln wir zum Beispiel eine Fachperson. Es geht auch darum, herauszufinden, welche Werte jemand hat. So kann es bei religiösen Menschen unterstützend sein, einen Pfarrer beizuziehen.
Was vermitteln Sie den Hilfesuchenden?
Im Zentrum steht der Mensch. Jeder stolpert mal, aber jeder hat ein Rucksäckli, um sich selbst zu helfen. Wir wollen die Leute stärken, im Sinne von: aufstehen, Krone richten, weiterlaufen. Ziel ist es weiter, die Ursache des Problems nachhaltig zu lösen, damit es nicht hinter der nächsten Ecke wieder auftaucht.
Wie gehen Sie vor, wenn mehrere Beteiligte involviert sind?
Bei einem Generationenkonflikt etwa trifft man sich mit allen Beteiligten für eine «Chropfleerete» auf dem Betrieb. Wenn aber die Situation total verkracht ist, macht es Sinn, das Treffen auf neutralem Boden bei uns in Dübendorf abzuhalten. Hier gibt es die Möglichkeit, ein Gespräch am runden Tisch, im Sinn einer Mediation, abzuhalten.
Bei manchen Notfällen wird verschiedenerlei Hilfe notwendig. Können Sie ein Beispiel für eine organisierte Zusammenarbeit nennen?
Einmal konnten wir einen Landwirt, der kurz vor dem Tierhalteverbot stand, unterstützen. Innerhalb von 24 Stunden wurde das Vieh durch Fachleute des ZBV versorgt und mit dem betroffenen Bauern suchten wir Lösungen, um aus seiner schwierigen Lebenssituation herauszukommen. Es zeigte sich, dass er die Tiere vernachlässigt hatte, weil es ihm persönlich sehr schlecht ging und ihm dabei die Energie für alles fehlte.
Erhalten Sie Rückmeldungen, nachdem die Beratung abgeschlossen ist?
Selten. Aber dass dies nicht der Fall ist, liegt in der Natur der Sache. Sich an eine zurückliegende Notsituation zu erinnern, ist für viele mit unangenehmen Gefühlen verbunden. Es kommt vor, dass uns jemand aufgrund der Empfehlung eines ehemaligen Betroffenen kontaktiert. Das freut mich besonders. Ansonsten gehen wir davon aus, dass «no news» «good news» sind.
Vielfältiges Beratungsteam
Die Puure-Hilf richtet sich an Bauern und Bäuerinnen und ihre Familien bei persönlichen, familiären, rechtlichen, finanziellen oder betrieblichen Problemen, in Notlagen oder Krisensituationen. Erst-Ansprechpersonen sind Pablo Nett und Charlotte Keller vom ZBV. Bei Bedarf erfolgt eine Zusammenarbeit mit dem ZBV-Beratungsteam sowie Fachpersonen aus den Bereichen hauswirtschaftliche und landwirtschaftliche Beratung, Finanzfragen, Medizin, Psychologie, Recht sowie Seelsorge. Es gilt die Schweigepflicht. Der erste Kontakt ist für die Hilfesuchenden kostenlos. Die Kostendeckung für weitergehende Schritte wird individuell besprochen. Die Puure-Hilf ist rund um die Uhr erreichbar. Die Notfallnummer lautet 079 150 32 32.