Mit speziellen Anlässen wie Speed-Datings sollen künftig Landwirtschaftsbetriebe, Restaurants, Hotels und andere Gastro-Unternehmen zusammengeführt werden: Das will das neue Projekt «Land Gast Wirt» von Schweizer Bauernverband (SBV), Gastro-suisse und Hotelleriesuisse. Vor der Lancierung haben wir Hotelleriesuisse-Präsident Andreas Züllig und SBV-Präsident Markus Ritter zum Gespräch getroffen.
Herr Züllig, warum sollte ein Wirt bei einem Bauer einkaufen statt auf Standardprodukte des Grosshandels zu setzen?
Andreas Züllig: Weil der Gast heute immer mehr sensibilisiert ist und in Sachen Ernährung klare Qualitätsvorstellungen hat. Indem wir zum Beispiel bei uns im «Schweizerhof» nur Regionalprodukte servieren und die Geschichte dahinter erzählen, sowie in der Deklaration Name und Hof des Landwirts erwähnen, schaffen wir eine Bindung vom Gast zum Erzeuger. Das wird sehr geschätzt, und der Kunde ist bereit, dafür einen höheren Preis zu zahlen.
Seit wann setzen Sie konsequent auf heimische Produkte?
Züllig: Beim Frühstücksbuffet bereits seit 25 Jahren. Vor vier Jahren haben wir den Terroir-Gedanken auch in unserem mit 15 Gault-Millau-Punkten ausgezeichneten Gourmet-Restaurant Scalottas umgesetzt. Das ist dann deutlich aufwendiger. Allein für das 25-plätzige Restaurant zählen wir 40 Einzellieferanten, holen die Ware grösstenteils auch selber ab. Daraus ergeben sich immer spannende Gespräche, die neue Ideen zur Folge haben. So entwickeln wir uns stetig gemeinsam weiter. Dennoch ist das eher eine Nische und kann sich nicht jeder Gastronom leisten.
Lohnt es sich denn auch wirtschaftlich?
Züllig: Durchaus, wenn man zwei Punkte beachtet, nämlich Saisonalität und die Verwertung des ganzen Tieres, was automatisch weniger Food Waste zur Folge hat. Dies alles zeigt sich sehr wohl in der Rendite wie auch bei den Warenkosten. Letztere sind bei uns trotz eher teureren Produkten relativ tief.
Herr Ritter, und was bringt dem Bauer diese enge Zusammenarbeit mit Gastronomen?
Markus Ritter: Viel, wie wir am Beispiel von Andreas Züllig sehen. Die Menschen sehnen sich derzeit nach Natur, nach gesunden regionalen Lebensmitteln. Das ist ein Marktpotenzial, das von immer mehr Köchen und Gastgebern gut genutzt und umgesetzt wird – auch wir Bauern müssen dies künftig noch mehr nutzen. Heute hat nur gute Marktchancen, wer sich differenzieren, sich abheben kann und wer die Geschichten hinter seinen Produkten erzählen kann. Diese Emotionen gilt es, greifbar zu machen.
Dennoch ist die Umsetzung kompliziert und komplex. Was empfehlen Sie jungen Köchen, wie sollen sie vorgehen?
Züllig: Wir haben Landwirte in unserer Umgebung einfach angefragt, ob sie beispielsweise Alpschweine züchten wollten. So entwickelten sich über die Jahre verschiedene Zusammenarbeiten. Aber es ist aufwendig. Man muss die Landwirte zum Teil motivieren, Neues zu wagen. Die Landwirtschaft, so mein Eindruck, hat sich lange in einer Komfortzone bewegt, und viele Betriebe verharrten in einem industrialisierten Prozess. Die Produktion war klar, die Preise waren fix, die Direktzahlungen flossen. Sie mussten sich unternehmerisch wenig anstrengen. Da muss man sie als Gastronom zuweilen etwas aufrütteln.
«Die Landwirtschaft bewegte sich lange Zeit in einer Komfortzone.»
Andreas Züllig, Präsident Hotelleriesuisse und Gastgeber Hotel Schweizerhof, Lenzerheide
Ritter: Hierbei gilt es zu beachten, dass die Hälfte der Lebensmittel heute in der Schweiz ausser Haus konsumiert werden. Beim Inhouse-Konsum haben wir dank guten Labels und der Unterstützung der Grossverteiler mittlerweile einen beachtlichen Grad an Spezialisierung erreicht. Markt- und Wachstumspotenzial liegen derzeit speziell im Gastro- und im Hotelbereich, wo bislang der Preis immer ein grosser Diskussionspunkt war. Glücklicherweise ist sich auch dies am ändern. Wenn wir es schaffen, noch mehr Bauern und Gastronomen zusammen- und ein paar Leuchttürme mehr hervorzubringen, birgt dies auf mehreren Ebenen eine riesige Chance ...
Züllig: … eine Chance vor allem für Berg- und Randregionen, um auf sich und ihre vielfältigen Produkte aufmerksam zu machen. Selbstverständlich schätzt es ein städtischer Gast, wenn er einheimische Produkte vorgesetzt bekommt.
Herr Züllig ist aber der Meinung, dass die Bauern mehr ökonomischen Druck brauchen, um das Potenzial zu erkennen. Wie sehen Sie das, Herr Ritter?
Ritter: Da ist auch in unserer Branche viel in Bewegung gekommen in letzter Zeit. Tatsache aber ist, dass es für den Bauern einfacher ist, wenn ein Gastronom mit konkreten Ideen und Vorstellungen an ihn herantritt, als wenn er selber einfach aufs Geratewohl etwas produziert, von dem er nicht weiss, ob er letztlich auch Abnehmer findet.
Noch dann erwartet den Bauer viel Kleinarbeit, dazu kommt der Austausch mit neuen Auftraggebern, allenfalls mit Gästen. Lässt sich das einfach so nebenbei bewerkstelligen?
Ritter: Das ist nicht für alle gleich einfach, dem ist so. Wir beobachten aber auch, dass der Austausch mit neuen Interessenten für ihre Produkte für Landwirte sehr bereichernd sein kann, gerade weil sie in ihrem Alltag wenig vom Hof und ihrer Arbeit wegkommen.
Züllig: Aus diesem Grund laden wir beispielsweise unsere Produzenten regelmässig zusammen mit ihren Familien zum Essen ein und servieren ihnen Gerichte, die wir aus ihren Produkten zubereitet haben. Wir führen ihnen buchstäblich vor Augen, was dank ihren Erzeugnissen überhaupt erst möglich ist. Natürlich sind wir nicht nur Gutmenschen. Dass wir uns regional positionieren hat auch ganz viel mit Marketing zu tun, letztlich sind wir Unternehmer und wollen Geld verdienen. Dennoch erfüllt es uns mit viel mehr Freude, wenn die Zusammenarbeit auch auf emotionaler Ebene spielt.
Ist die landwirtschaftliche Ausbildung gut abgestimmt auf heutige Bedürfnisse?
Ritter: Die Grundbildung bietet wie bis anhin die fachliche Grundlage, das Handwerk. Wichtig aber ist, dass danach die Betriebsleiterschule absolviert wird. Das ist die nächste Stufe, die das Gelernte vertieft, die aber auch wichtige Themen wie Innovation, Management, Verkauf und Auftreten am Markt aufgreift. Das ist insbesondere für Landwirte in Berggebieten wichtig, wo die Kosten per se höher sind. Wer im alpinen Raum nicht eine gewisse Wertschöpfung erzielen kann, hat heute kaum noch eine Chance. Die Landwirtschaft muss sich unternehmerisch bewähren.
«Die Landwirtschaft muss sich unternehmerisch bewähren.»
Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands und CVP-Nationalrat
Plattformen wie vomhof.ch oder diversitas.ch wollen die Zusammenarbeit von Wirten und Bauern fördern und den Vertrieb vereinfachen. Hilft das?
Züllig: Unterschiedlich. Eine grosse Herausforderung ist die Logistik. Diese ist enorm aufwendig. Ganz sicher aber können digitalisierte Lösungen beim Vermarkten, Sensibilisieren und Zusammenführen beider Branchen helfen.
Ritter: Für den Bauern bleibt die Knacknuss, dass er üblicherweise auf Bestellung produziert. Er muss sich ja darauf verlassen können, dass er seine Produkte im richtigen Moment auch verkaufen kann. Daher ist für ihn eine persönliche, direkte Zusammenarbeit von grossem Vorteil. So entstehen nicht zuletzt auch Kundenbeziehungen, die eine langfristige Planung ermöglichen.
Müssten die Bauern vermehrt auf Gastronomen zuzugehen?
Ritter: Es gibt bereits gute Ansätze. Im Kanton St. Gallen beispielsweise gibt es eine Zusammenarbeit mit der Hotelfachschule Luzern. Da kamen Studierende zu uns auf die Höfe, um verschiedene Arbeiten und die Abläufe kennenzulernen. Im Gegenzug besuchten die Bauern die Hotel-fachschule.
Braucht es eine Struktur, die diese Zusammenarbeit institutionalisieren würde?
Züllig: Da wäre ich vorsichtig. Man darf den Markt nicht zwingen, wie man auch nicht alle Konsumenten zwingen darf, Bioprodukte zu kaufen. Aber ich erachte es als unsere Pflicht, diesbezüglich mit gutem Beispiel voranzugehen.
Ritter: Das sehe ich genauso. Es braucht die freie Wahl, zumal eine enge Zusammenarbeit nicht für alle geeignet ist. Diese aber birgt Chancen, die wir als Verband vermehrt nutzen wollen. Dass der Zeitpunkt optimal ist, zeigen uns auch die derzeit so heiss diskutierten Themen wie Nachhaltigkeit und Klima.
Interview Franziska Egli (htr Hotel Revue), Adrian Krebs