Vor gut einem Jahr startete Christophe Eggenschwiler als neuer Geschäftsführer von IP-Suisse. Sein Vorgänger Fritz Rothen war eine Ikone, sein Erbe entsprechend schwierig anzutreten. Wir haben mit dem Jurassier über sein erstes Jahr bei der Marktorganisation und über den Ablösungsprozess von seinem Vorgänger, der jüngst noch als Agrostar gefeiert wurde, gesprochen.

Christophe Eggenschwiler, erzählen Sie uns bitte von Ihrem Alltag als Geschäftsführer der IP-Suisse.

Christophe Eggenschwiler: Es braucht grosse Flexibilität in diesem Job. Hier passiert vieles sehr spontan, was manchmal vielleicht etwas einem Wildwuchs gleicht. Genau das ist aber auch ein entscheidendes Stück dieser Firma, nämlich, dass ihre eigene Biodiversität sehr hoch ist.

Biodiversität?

Sie müssen sich das so vorstellen: Da sind unzählige Ideen in den Reihen der IP-Suisse. Nicht selten kommen sie von unseren Mitgliedern. Wir müssen oder sollten sie zumindest möglichst alle aufnehmen und schauen, was davon umsetzbar ist und was weniger. Die Felder, welche die IP-Suisse bewirtschaftet, sind vielfältig und teils nur bedingt überschaubar, weil immer Neues dazukommt. Und genau hier sehe ich auch gleich eine meiner Hauptaufgaben. Wir müssen auf diesen einzelnen Feldern das optimale Gleichgewicht zwischen Tiefe und Breite suchen.

Sie sprechen von Wildwuchs. Das tönt nach Ordnungsbedarf. Ist das Schaffen von Ordnung eine Ihrer persönlichen Stärken?

Ich bin zwar nicht chaotisch, aber wohl auch nicht grundsätzlich überstrukturiert. Ein Wildwuchs muss im Optimalfall der Umgebung angepasst sein. Meine Stärke sehe ich weniger in der Ordnung als vielmehr im Schaffen von Vertrauen und Innovationsgeist. Und genau das ist wichtig in meiner Funktion. Ich kann den Leuten gut zuhören und ruhig bleiben, wenn es brennt. IP-Suisse ist mit unglaublich viel Pioniergeist erschaffen worden und enorm gewachsen. Wir müssen nun herausfinden, wo die Schmerzgrenze ist und wie vielem von all dem, was wir machen und andenken zu machen, wir schliesslich auch gerecht werden, so wie IP-Suisse aufgestellt ist.

Und wie stehen Sie zur Biodiversität? Schliesslich stand diese in Ihrer letzten Funktion im Milchmarkt wohl kaum an oberster Stelle, bei IP-Suisse aber schon.

Ich erzähle Ihnen dazu eine kurze Geschichte. Vor rund 20 Jahren habe ich neben meinem Elternhaus, in dem ich mit meiner Familie auch heute noch wohne, eine Lorbeerhecke gepflanzt. Das Ziel war klar, sie sollte gegen die Strasse, die an unserem Haus vorbeiführt, etwas zumachen. Lange dachte ich, sie ist grün und sie erfüllt ihren Zweck – alles gut. Während eines Workshops bei IP-Suisse, an dem ich teilnahm, lernte ich: Wenn ich eine Lorbeer- oder Thujahecke pflanze, dann erfüllt sie genau diesen Zweck der grünen Mauer – mehr nicht. Null Biodiversität. Mit so einer Hecke fördere ich eigentlich nichts. Sie schliesst nur, sonst kann sie nichts. Genau das hat mich schliesslich wachgerüttelt. Ein solcher Nutzen muss uns zu wenig sein, wenn wir sehen, vor welchen Herausforderungen wir stehen.

Dann kommen wir gleich zum nächsten Thema – Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit ist kompliziert. Der Begriff ist auf der einen Seite schwer zu fassen und auf der anderen Seite schwer zu definieren. Je nach Priorität kann Nachhaltigkeit mit einem einzigen Element ganz prominent kommuniziert werden. Worüber sprechen wir, wenn wir von Nachhaltigkeit reden? Nachhaltigkeit enthält bei IP-Suisse eine Palette von Aspekten und bedarf ständig der Kommunikation. Wir wollen diesen Begriff kommunikativ vereinfachen und überzeugender machen.

Nach aussen scheint IP-Suisse gut zu kommunizieren. Schliesslich ist der Käfer bekannt und konnte schon vielerorts landen. Aber wie sieht es denn nach innen aus, in den Reihen der Bauern? Wird da genug kommuniziert?

Man kann immer mehr. Auch nach aussen. Wir hätten so viel zu erzählen, übrigens auch ganz sympathische Dinge. Auch hier ist es eine Frage der Kapazitäten und der Schwerpunkte. Da bin ich aber sehr zuversichtlich; wir werden das packen. Als Verein wollen wir klar näher an unsere Mitglieder – nämlich die Produzenten – kommen. Dabei müssen wir mit gegebenen Ressourcen manchmal einen Kompromiss machen zwischen was gemacht werden muss oder müsste und was gemacht werden kann. Ich erwarte da auch eine permanente Optimierung der Zusammenarbeit mit dem Detailhandel, konkret von Migros und Coop.

Und zwar?

Coop setzt seit vielen Jahren auf Bio. Das ist ihre Geschichte und das ist auch gut so. Bio hat den Vorteil, dass man den Brand per se einfach mit etwas Gutem verbindet. Auch international. Das nutzen die Detailhändler zu Recht. IP-Suisse ist aber Schweiz – nur Schweiz und immer Schweiz. So auf eine Art regional. Das gilt es zu bewerben. Und da würde ich mir konkret etwas mehr Aufmerksamkeit wünschen für unsere Produzenten, die auch in der Werbung der Detailhändler sichtbar würde.

Und wie sieht jetzt die Kommunikation nach innen aus – mit den Bauern?

Kommunikation ist eine spannende und gleichzeitig komplexe Aufgabe. Viele Unternehmen investieren enorm im Bereich Kommunikation und Marketing Mitteln, die wir gar nicht haben. IP-Suisse-Produkte werden dank unseren guten Partnerschaften mit den Grossverteilern im Wert von ungefähr 1,5 Milliarde für die Bauern am Markt umgesetzt. Wir können uns die Frage stellen, was wäre, wenn es IP-Suisse nicht geben würde oder nie gegeben hätte. Ich bin sicher, dass diese verrückte Idee der Pioniere vor etwas mehr als 30 Jahren die Schweizer Landwirtschaft massgebend geprägt hat. Ich kann das jeden Tag irgendwo erwähnen. Mir ist aber etwas anderes wichtiger. Ich will, dass Bauer ein Beruf bleibt und nicht, dass er ein besserer oder schlechterer Gärtner wird. Er muss die Welt ernähren, aber das muss er zusammen mit der Natur tun. Wir wüssten eigentlich, dass es so, wie es bisher gelaufen ist, nicht einfach weitergeht. Das wird uns übrigens auch fast täglich vor Augen geführt.

Kommunikation ist nicht die einzige Herausforderung. Was sagen Sie zur Digitalisierung? Hier scheint IP-Suisse einen eigenen Weg gehen zu wollen. Warum setzen Sie nicht einfach auf Barto?

Uff. (Pause) Ich sage es mal so. Es ist gut, dass in der Landwirtschaft der Wunsch nach digitaler Unabhängigkeit und Eigenständigkeit da ist. Wenn ein Label kreiert wird, dann verfolgt man damit stets das Ziel, dass es nicht zum Mainstream wird. Bei der Digitalisierung ist das ähnlich. Wenn wir mehr Risiken als Chancen sehen, dann müssen wir die Freiheit haben, unsere eigenen Lösungen umzusetzen. Es braucht eine Selbstständigkeit. Niemand kann und darf unsere Produzenten besser kennen als wir. Als Verein sind wir motiviert, aus wenigen Mitteln effiziente Werkzeuge auf die Beine zu stellen. Das schliesst aber eine intelligente Zusammenarbeit mit niemandem aus.

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