Wieder keine normalen Jahreszeiten», sagte Christophe Eggenschwiler, Geschäftsführer von IP-Suisse, anlässlich der 36. Delegiertenversammlung in Langnau i. E. BE. Für ihn ist klar, dass dies nicht die einzigen Herausforderungen sind, die das innert Kürze verflossene Jahr mit sich brachte. Die Bauerndemos im Frühjahr würden einen Änderungswillen aufzeigen, während auf der Konsumentenseite widersprüchliche Bedürfnisse zu beobachten seien. Daneben bewege sich der Markt mit Reformen bei wichtigen Partnern – siehe Migros – und politisch würden die Initiativen und auch die AP 30+ auf Trab halten.

Natur hat ein Preisschild

Eben diese Initiativenflut nahm auch Präsident Andreas Stalder auf. «Das zeigt, wie gespalten wir in der Gesellschaft sind.» Zum einen würde erkannt, dass es zugunsten der Natur eine Veränderung brauche, zum anderen werde aber zugefahren wie bis anhin. Er ist sicher, dass nicht die Politik das Geschehen ändern kann, sondern nur die Gesellschaft selbst. «Und schliesslich eben das Leiden der Gesellschaft», so Stalder. «Auch die Natur hat ein Preisschild – und das zeigt nicht nach unten», ist er sicher.

Markt ist auf Kurs

Trotz der vielen Herausforderungen will Christophe Eggenschwiler auf Brücken bauen. Diese sieht er besonders zwischen den Regionen. So verglich der Jurassier «seinen» Kanton mit dem Emmental, das Tinu Heiniger eingangs der Versammlung besang.[IMG 2]

Seine Ausführungen zum Markt zeigen denn auch ein zumindest zum Teil erfreuliches Bild. Obschon man ackerbautechnisch von einem katastrophalen Jahr sprechen kann, und trotz historisch tiefer Mengen, kann Eggenschwiler im Bereich des IPS-Getreides auf einer Fläche von 26'000 Hektaren von einer guten Qualität sprechen. «2025 sollten unsere Kunden ohne Notmassnahmen beliefert werden», sagt er.

Schwieriger sieht es erwartungsgemäss bei den Sonnenblumen und bei den Kartoffeln aus. Im Kartoffelanbau will man daher noch stärker als bisher auf Fäule-resistente Sorten setzen.

Wiederum erfreulicher ist die Entwicklung im Bereich des Gemüses und der Früchte (siehe Grafik). Die Zusammenarbeit mit Coop habe es ermöglicht, weit über 100 neue Produzenten zu berücksichtigen, so der Geschäftsführer.

Im Tierbereich sieht es ebenfalls gut aus. Das, obschon die Vorzeichen bei den Schweinen vor einem Jahr noch anders waren. «Die Kürzungen bei Migros konnten wir auffangen und kompensieren», so Eggenschwiler. So befinde sich auch das Vorzeigeprojekt Swiss Black Angus mit 500 Produzenten auf Erfolgskurs. Gesucht seien Eierproduzenten und weitere Kanäle für Wiesenmilch sowie griffige Lösungen für den Kälbermarkt. «Da sind wir dran», erklärte der Geschäftsführer.


Nachgefragt bei Andreas Stalder: «Genau das verschafft Billiganbietern wie den Chinesen einen Vorteil»

Herr Stalder, wie geht es IP-Suisse?

[IMG 3]Andreas Stalder: IP-Suisse geht es gut. Wir haben schon vor 36 Jahren auf Biodiversität und Nachhaltigkeit gesetzt und die Zeichen der Zeit früh erkannt. Dass es uns heute gut geht, liegt auch daran, dass wir von Anfang an auf diese Themen gesetzt haben.

Hätten Sie sich nicht mehr Fortschritte gewünscht, oder anders gefragt: Warum ist IP-Suisse nicht weiter?

Wir könnten uns höchstens fragen, warum nicht noch mehr Leute diesen Kurs eingeschlagen haben. Vielleicht war das Tempo für manche zu schnell. Die Idee war jedenfalls immer richtig, und unsere Ziele für die Zukunft stehen fest. Wir wissen, dass wir in die richtige Richtung arbeiten.

Was bedeutet das konkret?

Es ist eine Tatsache, dass Biodiversität verloren geht, das Klima sich verändert und die Fruchtbarkeit der Böden abnimmt. Menschen neigen jedoch dazu, sich erst zu ändern, wenn sie dazu gezwungen sind – das gilt auch für uns Bauern. Wir sind ein Abbild der Gesellschaft, und es ist uns bisher nicht gelungen, die Dringlichkeit dieser Themen ausreichend zu vermitteln. Wenn extreme Wetterereignisse bei uns oder in Spanien auftreten, sagen einige, das habe es immer schon gegeben. Aber heute kommen sie eben häufiger vor – und bestimmt auch in einer anderen Intensität.

Leider reagieren viele erst, wenn sie persönlich betroffen sind. Das tut mir leid, vor allem für die jungen Menschen. Sie werden die Folgen tragen müssen.

Man muss nicht in die Welt hinaus schauen, ein Blick in die Supermärkte, beispielsweise bei der Migros, reicht. Hier entsteht doch der Eindruck, die Realität sähe anders aus.

Das stimmt, es gibt viele Ausreden dafür, warum man sich nicht um das Klima kümmern muss. Oft reagiert der Detailhandel nur auf Konsumbedürfnisse, ohne sich zu fragen, ob wirklich alles so günstig sein muss. Genau das verschafft Billiganbietern wie den Chinesen einen Vorteil. Aber die Detailhändler hätten auch eine andere Aufgabe: Sie könnten statt nur über den Preis auch über die Inhalte der Produkte aufklären.

Also liegt zu viel Fokus auf dem Preis?

Ja. Man muss sich fragen, ob der Preis wirklich das Wichtigste ist. Der heutige Preis für viele Produkte reicht oft nicht aus, wenn man gleichzeitig hohe Umweltstandards einhalten möchte.

Es gibt Unzufriedenheit und Unsicherheit unter den Bauern, teilweise auch gegenüber IP-Suisse. Wie gehen Sie damit um?

Ich denke, die Wertschätzung für die Bauern ist eigentlich gestiegen. Die Proteste vom Frühling zeigen jedoch ein anderes Bild, was auch mit Vergleichen zusammenhängt. Wenn wir uns ständig mit denen vergleichen, die mehr haben als wir selbst, werden wir nie zufrieden sein. Die neuen Anbautechniken und Haltungsformen, die wir mit IP-Suisse entwickelt haben, bringen uns zusätzliche Prämien, aber das allein reicht nicht. Unser Weg war immer, die Bauern zu überzeugen und nicht, uns über konventionelle Betriebe zu stellen. So bleibt die Motivation, selbst zu bestimmen und nicht von anderen getrieben zu werden.

Und welche Rolle spielt dabei der Detailhandel?

Die Detailhändler investieren viel in unser System – Migros kauft jährlich etwa 80 000 bis 100 000 Tonnen IPS-Getreide. Dass es dabei auch Fragen rund um den Preis gibt, ist klar, besonders bei einem Führungswechsel. Es gibt immer eine gewisse Spannung zwischen den Detailhändlern, die auf den Preis achten, und uns, die wir auf Nachhaltigkeit setzen. Dieser Prozess braucht täglich Begleitung durch die Bauern. Diesen Dialog können wir nicht einfach dem Marketing überlassen und auch nicht einfach auf höhere Preise pochen. Stattdessen müssen wir gegenseitiges Verständnis aufbauen und deutlich machen, warum wir so arbeiten, wie wir es tun und welchen Wert das hat.

Was sind die Themen der nahen Zukunft?

Wir müssen darauf vorbereitet sein, dass es auch Rückschritte geben könnte. Solche Phasen gab es schon immer, in denen man sich neu orientieren und die Richtung überdenken musste.

Was bedeutet das konkret für IP-Suisse?

Wir müssen unser Profil weiter schärfen und sicherstellen, dass die Bauern hinter uns stehen. Unser Ziel ist es, das Vertrauen zu stärken, damit unsere Standards in den Augen der Produzentinnen und Produzenten nicht nur als Pflicht gesehen werden, sondern als etwas, das man aus Überzeugung tun möchte. Dafür setzen wir uns ein.

Interview Simone Barth