Trifft die Mountainbikerin auf den Landwirt, prallen nicht selten Welten aufeinander. «Die Natur gehört allen», ruft die eine aus. «Privat ist privat und ich picknicke auch nicht in Ihrem Garten», grummelt der andere. Juristisch gesehen haben beide nicht ganz unrecht – aber wie so oft ist alles etwas komplizierter. Tatsächlich gibt es in der Schweiz eine Art «Jedermannsrecht» – es erlaubt unter Umständen sogar das Übernachten im Freien, wie der Schweizer Alpen-Club (SAC) in einer Broschüre zum Thema festhält. Andererseits hält das Gesetz auch fest, dass dem Landbesitzer keine Schäden entstehen dürfen und er auf seinem Land nicht alles tolerieren muss. Was gilt wann und wo?
Was gilt als «Wald und Weide»?
Raphael Kottmann von der Rechtsberatung des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands (LBV) hat sich kundig gemacht. Entscheidend sei Artikel 699 im Zivilgesetzbuch (ZGB), sagt er. Dort steht: «Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wild wachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.» Doch wann gilt ein Stück Land als Wald oder als Weide? Während der Wald in der Schweiz klar definiert sei, gebe es bei der «Weide» Interpretationsspielraum, sagt Kottmann.
Mit dem Begriff seien grundsätzlich «in den Bergen oder Vorsassen gelegene, ausschliesslich durch Weidenlassen des Viehs genutzte Grundstücke» gemeint – also nicht jedes Grundstück, auf dem zufällig einmal Vieh geweidet werde. «Nicht als Weide gilt Land, das je nach Fruchtfolgeperiode für den Anbau oder die Viehhaltung oder nur zwischen zwei Anbauzyklen als Weideland verwendet wird», stellt Kottmann klar. Ebenso wenig gelte das Zutrittsrecht für jedermann auf «Wiesen, die lediglich der Gras- oder Heugewinnung dienen.» Wald und Weide gleichgestellt seien allerdings frisch gemähte Wiesen, abgeerntete Felder oder Ackerland mit tiefgefrorenem oder verschneitem Boden.
Hohes Gras bleibt für Spaziergänger tabu
«Wiesen mit nachwachsendem oder schon hochstehendem Gras sind für Spaziergänger tabu», stellt Raphael Kottmann klar. In solchen Fällen könne Schadenersatz verlangt werden – allerdings sei das selten erfolgversprechend. Er empfiehlt, zuerst auf aktive Kommunikation zu setzen: «Es lohnt sich häufig, das Gespräch zu suchen und sachlich zu erklären, dass Kulturen durch das Betreten geschädigt werden können oder das Betreten von Weiden mit Risiken verbunden ist.»