Wenn die Gemüseproduzentenvereinigung der Kantone Bern und Freiburg (GVBF) ihre Generalversammlung abhält, brauchen die Mitglieder meist Sitzleder. Auch die diesjährige Versammlung vom Freitag, 5. April, am Inforama Seeland im bernischen Ins, war sehr themenreich. Davon bewegten zwei Themen die Gemüter der Versammlumgsteilnehmer besonders. Einerseits war es das Thema Digitialisierung, einmal in gewünschter und einmal in unerwünschter Form, andererseits der Wechsel an der Verbandsspitze.
Rücktritt schweren Herzens
Nach 11 Jahren als Präsidentin gab Nadja Umbricht Pieren ihr Amt ab. Dies «schweren Herzens», wie sie betonte. Grund sei der Zeitaufwand, den das GVBF-Präsidium mit sich bringe. Umbricht Pieren ist nicht nur Nationalrätin und berufstätig, sondern auch Mutter. Momentan erwartet sie ihr zweites Kind. «Was ich mache, will ich gut machen», betonte sie. Das sei jedoch nicht mehr möglich, weshalb sie das Präsidentenamt abgibt.
Katja Riem übernimmt
Als Nachfolgerin konnte der Verband Katja Riem, Winzerin, Landwirtin und Agronomin aus Noflen gewinnen. Beide Frauen eint, dass sie das GVBF-Präsidium als junge, frisch gebackene Nationalrätin übernommen haben und nicht aus der Gemüsebranche stammen. Katja Riem gesteht, dass sie zwar keine Führungserfahrung mitbringe, dafür aber enorm viel Herzblut und ein stets offenes Ohr für die Anliegen der Mitglieder. Zudem kennt sie als Winzerin das Gefühl, mit einer Pflanzenschutzspritze unterwegs zu sein. Die Versammlung wählte Katja Riem mit einem ebenso tosenden Applaus, wie sie Nadja Umbricht Pieren verabschiedete. Die Abschiedsworte ehemaliger Vorstandskollegen liessen die sonst redegewandte Nadja Umbricht Pieren verlegen und sprachlos werden. Ihr wurde die Ehrenmitgliedschaft verliehen.
Der Gmüespfad wird erneuert
Das behandelte Thema der Digitalisierung in gewünschter Form, betraf die neue Marketingstrategie der GVBF. So soll der in die Jahre gekommene Gmüespfad aufgefrischt und digitalisiert werden. Dieser wurde einst von der GVBF ins Leben gerufen, der Lead später aber an den die Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP)abgegeben. Der GVBF will nun die Federführung des Gmüespfads wieder zurückholen. Die Überarbeitung des Pfads soll die nächsten zwei Jahre andauern. Für 2026 ist dann ein Eröffnungsfest geplant. Dieses findet anstelle des Gmüesfestes statt. Nach einem Workshop mit den Profis von Murten Tourismus wurde klar, das das Gmüesfest mit jeweils anderen Standorten und auch Jahreszeiten bei der Durchführung, nicht nur die Besuchenden überfordern, sondern auch viel Aufwand für die Organisatoren bedeuten. Die Marketingstrategie sieht nun vor, mittels des Gmüespfades in den Köpfen der Konsumentinnen zu verankern, dass der grösste Teil an hiesigem Gemüse aus dem Seeland stammt. Peter Herren, Geschäftsfüher der GVBF, sagte zu den Plänen: «Wir müssen die Leute dort abholen, wo sie sich bewegen. Sie radeln, wandern und sind am Handy.»[IMG 3]
Digiflux bewegt weiter
Der Punkt der Digitalisierung, wo sie unerwünscht ist, betrifft, nicht überraschend, die neue Aufzeichnungspflicht mittels Digiflux. Nicht nur Peter Herren sondern auch der VSGP-Präsident Werner Salzmann, legten die Nachteile der Umsetzung, wie sie geplant ist, dar. Zusammenfassend gesagt kann werden: «Der gläserne Produzent ist nicht erwünscht.» Vielerorts würden Düngerstrategien bewusst immer noch auf Papier festgehalten. «Sie sind quasi geistiges Eigentum», nannte es Peter Herren. Und weiter: «Köche und die Lebensmittelindustrie geben ihre Rezepte ja auch nicht preis.»
Das BLW verteidigt sich
Kein einfacher Abend dürfte es für Bernard Belk, Vizedirektor des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) gewesen sein. Er wagte sich in die Höhle des Löwen, respektive der Gemüseproduzenten. Belk erläuterte das Zustandekommen der Umsetzung der Gesetzvorgabe mittels Digiflux. Er betonte, dass er die Anliegen der Produzenten «sehr ernst nehme», dass das BLW dennoch bei der Umsetzung der Aufzeichnungspflicht die vom Parlament ausgearbeitete Gesetzgebung beachten müsse. Auch seine Beteuerungen, dass er sich für eine möglichst einfache Umsetzung einsetzen werde und die Einführung von Digflux betreffend Datenschutz minutiös geplant, vonstatten gehen soll, überzeugte die Versammlung nicht. Zwar wurde die Einführung von Digiflux bekanntlich verschoben, dass das Thema dennoch weiterhin stark bewegt, wurde durch mehre Fragen und Voten aus dem Plenum deutlich. So betonte etwa Bruno Christen von Seeland Bio: «Ich gebe meine Daten dem Bund so nicht ab.» Auf dem Betrieb würde er die Aufzeichnungen zeigen, diese aber niemals ins Netz stellen. «Da gehe ich lieber Konkurs», unterstrich er seinen Standpunkt.
Ein Spritzschaden und seine Folgen
Ein weiteres Thema an der Versammlung war die Agroscope-Versuchsstation Gemüse in Ins. Nebst Agroscope sind bei dieser Station die beiden Kantone Bern und Freiburg sowie der GVBF als Partner tätig. «Wir Produzenten können da voll mitdiskutieren», betonte Peter Herren. Ziel sei es, den im Jahr 2021angelaufene Achtjahresvertrag verlängern zu können. Ein Vorfall hat die Zusammenarbeit jedoch auf eine harte Probe gestellt, aus dem Ziehen an einem Strang wurde durch einen schwerwiegenden Fehler ein grosser Knoten unter den Partnern. Der Versuchsbetrieb und der Betrieb Occhini teilen sich das Spritzlager. Unglückliche Umstände führten dazu, dass bei der Handhabung von Spritzmitteln die halbe Obstablage vom Pachtbetrieb Occhini komplett zerstört wurde.
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GVBF hilft den Schaden zu bezahlen
«Uns wurde klar, wenn wir den Knüppel lösen wollen, ist der beste Weg eine aussergerichtliche Lösung», betonte Peter Herren. Lange sei gesucht worden, da es nicht sein könne, dass sich die GVBF aus Mitgliedergeldern finanziell am Schaden beteilige. Nun wurde die Lösung gefunden. Der GVBF-Vorstand schlug der Versammlung vor, den verbandseigenen Vermarktungslösungsfond aufzulösen und die darin enthaltenen 12 000 Franken zur Schadensregulierung beizusteuern. Die Präsidentin Nadja Umbricht Pieren berichtete, dass der Schaden rund 250 000 Franken betrage. «Wir haben einen Vertrag mit der Versuchsstation und haften mit», erläuterte sie. Zudem sei die Versuchsstation wichtig und «und wir wollen sie weiterhin hier haben.» Die beiden Kantone Bern und Freiburg würden jeweils einen grossen Betrag an den Schaden geben. Alle Parteien seien damit einverstanden, dass die GVBF im Vergleich nur einen keinen Betrag einschiesse. «Agroscope versteht, dass wir uns nicht mit Mitgliederbeiträgen beteiligen können», betonte die Präsidentin. Der Vorschlag zur Auflösung des Fonds wurde bei einer Enthaltung angenommen. Geschäftsführer Peter Herren zeigte sich erleichtert, dass die Mitglieder dem Geschäft zustimmten und nun definitv alle wieder am selben Strang ziehen können.
Weiterer Wechsel im Vorstand
Nebst dem Präsidentinnenwechsel gab es eine weitere Wahl. Hans-Ulrich Müller von der Kommission Biogemüse Schweiz gab seine Rücktritt. Er arbeitet von 2019 an im Vorstand mit. Als Nachfolger wurde Simon Gabathuler aus Kriechenwil gewählt, der jedoch nicht anwesend sein konnte. Gabathuler ist Anbauleiter bei Etter Gemüse und Jungpflanzen in Ried bei Kerzers. Auch er wurde einstimmig gewählt. Müller beschrieb seinen Nachfolger als einen, der eine klare Meinung habe und diese auch vertreten könne.