Es ist zwischen 5 und 6 Uhr morgens, als Thomas Widmer seinen silbrigen Peugeot fertig belädt. Zwei Drohnen, fünf Akkus, eine Autobatterie zum Aufladen der Akkus und einige Säcke mit kostbarem Gut stehen im Kofferraum. In den Säcken: Kügelchen aus Maisstärke, die heute über den Maisfeldern abgeworfen werden. Heute hat Widmer viel vor, insgesamt muss er bis zu 500 km fahren, um die 90 Hektaren Maisfläche, die heute auf dem Plan stehen, behandeln zu können. Zurück auf dem Familienbetrieb wird der Hobby-Helikopterpilot wie jede Saison erst gegen Sonnenuntergang sein.
Die Fliegerei liegt ihm im Blut
Man könnte behaupten, Thomas Widmer sei ein Workaholic – er ist Landmaschinenmechaniker, Glaceunternehmer und arbeitet auf dem Betrieb seines Vaters. Mit allem zusammen ist er über 100 Prozent auf Achse. Doch ausgelaugt und müde scheint der Jungunternehmer nicht zu sein. Mit Freude spricht er über seine Tätigkeiten. Seit etwa acht Jahren ist der Landmaschinenmechaniker zusätzlich für die Fenaco-Tochter UFA-Samen Nützlinge unterwegs und bringt Trichogramma-Schlupfwespen mit der Drohne aus.
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Die Faszination für die Fliegerei hat Widmer von seinem Vater und Grossvater. Bis vor sechs Jahren stand auf dem elterlichen Hof ein Venom-Jagdflugzeug der Fliegerstaffel 17. Er selbst hat sich vor ein paar Jahren einen Kindheitstraum erfüllt – den amerikanischen Helikopter-Flugschein. Der vielseitig Begabte lebt seinen Traum. Ihn stört es deshalb nicht, jedes Jahr um diese Zeit quasi Nonstop als Drohnenpilot unterwegs zu sein.
Saison dauert 21 Tage
Vor zwei Wochen hat die Saison der Trichogramma-Ausbringung begonnen. Diese dauert etwa 21 Tage – 7 Tage bringt Thomas Widmer die kleinen Kugeln mit den Trichogramma-Schlupfwespen auf den Maisfeldern aus. Danach hat er eine Woche Pause, bevor die zweite Ausbringung startet. Für die Vorbereitung und Planung muss der Drohnenpilot ebenso viel Zeit aufwenden. «Die Landwirte schicken uns zwar die Koordinaten zu ihren Feldern. Ab und zu kommt es aber vor, dass auf diesen Feldern kein Mais wächst oder Hindernisse das Fliegen erschweren könnten.» Das muss Widmer mit seinem Team aus drei Piloten zuvor abklären.
Etwa eine Woche vor der Ausbringung bekommt Widmer den wichtigen Anruf: Die erste Ausbringung kann starten. «Dafür haben wir nur ein kurzes Zeitfenster von wenigen Tagen, weil sonst die Schlupfwespen ausschlüpfen.» Und die sollten nach Widmer bestenfalls auf die Maispflanze. Dort parasitieren sie als natürliche Gegenspieler die Eier des Maiszünslers und verhindern zu etwa 70 Prozent einen Befall und schlussendlich Ertragseinbussen.
Drohne spart Zeit und Mühe
Heute lässt Thomas Widmer seine Drohne über dem Maisfeld von Matthias Schälchli fliegen. Der Landwirt setzt schon seit über 25 Jahren auf die Trichogramma-Schlupfwespen in seinem Körnermais. «Bevor wir alles auf Bio umstellten, hatten wir noch 86 Zucht- und 480 Mastschweine, die 800 bis 1000 kg Mais pro Tag frassen. Alles aus eigenem Anbau. Ausfälle konnte ich mir nicht leisten», blickt Schälchli zurück. Deshalb habe er prophylaktisch Trichogramma-Schlupfwespen ausgebracht. Anfänglich noch per Kärtchen: «Das war sehr mühsam. Beim zweiten Durchgang sind wir sogar mit Skibrillen durch die schon zwei Meter hohen Maispflanzen gegangen – damit uns das Gesicht nicht zerschnitten wird.» Das Aufhängen der Kärtchen hat zudem sehr viel Zeit in Anspruch genommen: «Für fast 30 Hektaren waren wir zu zweit sicher zwei Tage beschäftigt», die Schälchli jetzt anderen Dingen auf dem Hof widmen kann.
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Bauer muss bei Ausbringung nicht dabei sein
Von den damals 30 Hektaren sind heute nur noch fünf bis zehn Hektaren übrig. Thomas Widmer hat direkt vor dem Maisfeld geparkt. Ausnahmsweise ist auch Landwirt Matthias Schälchli heute dabei: «Normalerweise braucht es meine Anwesenheit nicht. Thomas ruft mich an, wenn die Trichogramma ausgebracht werden und wenn es erfolgt ist.» Widmer hebt die 3 kg schwere Drohne aus dem Kofferraum. In den Kunststoffbehälter unter den Rotorenblättern füllt er die Trichogramma-Kugeln ein. «Jetzt wiegt die Drohne etwa 5 kg», sagt der Pilot. Mit der Drohne überfliegt Widmer innerhalb von drei Minuten jede einzelne Hektare. Das Befüllen der Drohne und das Eingeben der Koordinaten via Tablett dauert rund vier Minuten.
Ein lautes Surren erfolgt, die Drohne hebt ab und bleibt auf 10 Metern Höhe über dem Maisfeld stehen. Nun braucht Thomas Widmer sie nicht mehr zu steuern, «jetzt läuft alles automatisch ab. Jede sieben Meter wirft die Drohne eine Kugel ab, 10 Reihen muss sie abfliegen. Wenn der Abwurf beendet ist, kommt die Drohne an ihren Startpunkt zurück und ich lande sie wieder auf der Wiese», so der Pilot.
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Arbeit ist nach 10 min beendet
Nach rund 10 Minuten ist alles erledigt. Widmer packt die Drohne wieder ein und begibt sich auf den Weg zum nächsten Maisfeld. Zuvor wird noch ein kleiner Plausch mit dem Landwirt abgehalten. Ob der Landwirt bisher zufrieden sei mit der Wirkung? «Es kommt ab und zu vor, dass wir eine befallene Maispflanze entdecken, aber grundsätzlich haben wir keinen Verlust zu verzeichnen», erklärt der Landwirt zufrieden. Mühsam sei es eher mit den Wildsauen und Krähen in seinem Bestand, vor allem weil Bio-Maissaatgut ungebeizt ist. Er habe aber gute Erfahrung gemacht, im Herbst die Maisstängel nach dem Mulchen nur oberflächlich einzugrubben und die Fläche über den Winter ruhen zu lassen, statt gleich Winterweizen zu säen. «Dann dürfen Wildsauen und andere Waldbewohner bis zum nächsten Arbeitsgang ruhig nach Ernterückständen suchen und auch danach wühlen, ohne Schaden anzurichten», sagt er. Thomas Widmer hört aufmerksam zu. Ihm liegt viel daran, sich mit dem Landwirt noch persönlich auszutauschen. Bevor er sich wieder auf den Weg macht, gibt er noch den Tipp, zwei Tage nicht zu hacken. Die Schlupfwespen würden sonst zerstört.
5000 km auf dem Tacho und 120 Flugstunden
Thomas Widmer ist zuständig für alle angemeldeten Maisflächen in den Kantonen Thurgau und St. Gallen sowie in der Gemeinde Sempach. «Angefangen haben wir mit 70 Hektaren, heute sind es 900 Hektaren», betont er. Weitere Flächen ziehen sich vom Bodensee, Schaffhausen bis nach Basel hin, die von Widmers Angestellten abgeflogen werden. Als Chef setzt er sehr viel Wert auf Professionalität: «Bis ich neue Piloten an die Trichogramma-Drohne ranlasse, müssen sie erst mit einer kleinen Lady-Bird-Drohne zurechtkommen.» Danach begleitet Widmer seine neuen Piloten bei der Trichogramma-Ausbringung. «Es braucht Zeit, bis die Routine kommt», sagt er. Die Angelernten erhalten eigene Aufträge erst in der darauffolgenden Saison. Denn eine Drohne ist nicht gerade günstig: «Eine komplette Ausrüstung kostet 20'000 Franken!», verrät Widmer.
Für diese Woche hat Thomas Widmer nun alle Maisflächen abgeflogen. Die zweite Trichogramma-Ausbringung erfolgt nach einer Woche. Dann ist die Saison für dieses Jahr erst einmal beendet. Insgesamt wird der Drohnenpilot bis zu 5000 Kilometer mehr auf seinem Tacho und die Drohne 120 Flugstunden hinter sich haben. Dann muss sie in die Wartung und für die nächste Saison durchgecheckt werden.